
PhilPortal – Ein Fachinformationsdienst für die Philosophie
Von Eric Eggert (FID Köln)
Die Infrastrukturlandschaft blüht: Fachinformationsdienste (FID), die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), Landesinitiativen wie fdm.nrwoder auch die unlängst gegründete Servicestelle Diamond Open Access (SeDOA) zeigen an, dass der Medienwandel in den Wissenschaften durch vielfältige Akteure begleitet und geformt wird. Unter dem Namen „Fachinformationsdienst Philosophie“ wächst dabei seit einigen Jahren ein dezidiertes Infrastrukturprojekt für die Philosophie heran. Warum sich ein Blick auf philportal.de lohnt, bzw. welche Services und Kooperationsmöglichkeiten es dort gibt, soll im Folgenden dargestellt werden.
Historischer Überblick
Nach dem zweiten Weltkrieg gab es zwei Bibliotheken mit dem Charakter einer Nationalbibliothek: die Deutsche Bücherei in Leipzig (DDR), sowie die Deutsche Bibliothek in Frankfurt a.M. (BRD). In Westdeutschland setzte man ab 1949 auf ein föderiertes System, in dem Staats- und Universitätsbibliotheken als verteilte nationale Forschungsbibliothek die überregionale Literaturversorgung für die einzelnen Fächergruppen in sogenannten Sondersammelgebieten (SSG) sicherstellten. Diese System wurde nach der Wiedervereinigung auf die gesamte Bundesrepublik ausgeweitet. Im Fall der Philosophie wurde (zunächst in Westdeutschland) das „Sondersammelgebiet Philosophie“ von der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (von 1949 bis 2013) betreut.
Mit dem Aufkommen digitaler Entwicklungen versuchte man, diesen Sammlungsauftrag um virtuelle Fachbibliotheken zu ergänzen. Einen größeren Einschnitt jedoch gab es im Jahr 2012, als die DFG den Übergang von Sondersammelgebieten in Fachinformationsdienste beschlossen hat. FIDs treten dementsprechend die Nachfolge der Sondersammelgebiete an und akzentuieren dabei die digitalen Transformationsprozesse in der Wissenschaft. Sie sind „forschungsunterstützende Informationsinfrastrukturen“, die sich am „Spezialbedarf der jeweiligen wissenschaftlichen Fächer“ orientieren und „vorrangig digitale und standortunabhängige Informationsversorgung“ anbieten. In der aktuellen Phase strebt die DFG sogar eine „übergreifende und vernetzte FID-Gesamtstruktur“ an, wodurch sich das FID-System in Zukunft noch stärker konsolidieren dürfte. Mehr Informationen dazu finden sich hier.
Marginalien zum FID Philosophie
Für die Philosophie bedeutet das konkret: Es gibt keine »nationale« Forschungsbibliothek mehr, an der zentral physische Exemplare philosophischer Literatur gesammelt und verliehen werden. Zudem gab es auch keine institutionelle Kontinuität beim Übergang von SSG zu FID: Bei der Beantragung für einen Fachinformationsdienst Philosophie setzte sich die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln gemeinsam mit dem Philosophischen Seminar der Universität zu Köln und dem Cologne Center for eHumanities (CCeH) durch. Dieser »doppelte Schnitt« hatte den Vorteil, sich ganz auf die neuen Anforderungen des FID-Systems zu konzentrieren und mit der Fachcommunity gemeinsam zu eruieren, welche Bedarfe an den neuen FID Philosophie formuliert werden können. Der Fokus liegt nunmehr auf der rein digitalen Erwerbung unter besonderer Berücksichtigung von Open Access.
Doch es ist nicht nur das »SSG-Erbe« der Literaturerwerbung, das einen FID ausmacht. Ein »Markenkern« des nicht-mehr-ganz-so-neuen FID-System besteht in der engen Kooperation zwischen Infrastruktur und Fach. Der FID Philosophie kooperiert dementsprechend mit den großen Fachgesellschaften wie der DGPhil, wird durch einen Wissenschaftlichen Beirat begleitet, kooperiert mit Projekten aus der Community und hostet philosophische Zeitschriften. Die jahrelang beliebte – und 2022 eingestellte – Zeitschrift Information Philosophie wird hier digitalisiert zur Verfügung gestellt, neue Zeitschriften aus der Community – wie Philosophy&Digitality oder Philosophy of AI – werden hier gehostet. Es macht Sinn, sich den FID Philosophie als Community-Projekt vorzustellen; als Infrastruktur, die aus den Bedarfen der wissenschaftlichen Community erwächst. Dies ist als offene Einladung zu verstehen, sich an den FID Philosophie zu wenden und sich einzubringen.
PhilPortal
Die Schwerpunkte des FID Philosophie liegen auf einem Recherchemodul, dem Zugang zu (lizenzierten) Büchern und Zeitschriften, Journal Hosting und Forschungsdaten. Allen Mitgliedern der Partner-Fachgesellschaften stehen sämtliche Services kostenlos zur Verfügung. Der zentrale Web-Auftritt des FID Philosophie ist das PhilPortal.
- Recherche
Der Anspruch des PhilPortal ist es, den bestmöglichen Sucheinstieg in philosophische Literatur zu ermöglichen. Die Strategie besteht darin, keinen eigenen Katalog aufzubauen, sondern gezielt umfangreiche Datenquellen zu aggregieren. Neben den »üblichen« Verbundkatalogen bezieht eine Recherche auf dem PhilPortal beispielsweise auch das PhilArchive und JSTOR mit ein. Besonders hervorzuheben ist zudem, dass hier die kompletten Metadaten des Philosopher‘s Index sowie des Philosophy Documentation Center integriert sind. Diese Datenbanken sprengen oft das Budget lokaler Einrichtungen, weshalb das PhilPortal sich als zentraler Sucheinstieg für die eigene Literaturrecherche in jedem Fall anbietet. Zukünftig sollen auch lokale Repositorien gezielt durchsucht werden können, um beispielsweise »grüne« Open Access – Texte in der Recherche besser sichtbar zu machen.
Ein besonderer Anspruch des PhilPortal besteht darin, über die »gewöhnliche« Katalogsuche hinaus zu denken. Das bedeutet zum einen, auch solche Objekte nachzuweisen, die in bibliothekarischen Nachweissystemen oft zu kurz kommen, bspw. Forschungsdaten oder digitale Editionen. Zum anderen bedeutet es, Daten nicht nur nachzuweisen, sondern in eine Beziehung zueinander zu setzen. Zu diesem Zweck findet sich auf dem PhilPortal der sogenannten PhilFinder. Dort ist es derzeit möglich, nach Autor*innen und mit diesen verknüpften Daten zu suchen. Die Grundlage der automatisierten Verknüpfung bilden aktuell Identifikatoren aus Wikidata und der GND. In Zukunft kommen hier noch mit anderen Projekten wie dem PhiWiki gemeinsam entwickelte Ontologien hinzu, um weitere Sucheinstiege zu ermöglichen. Der Suchansatz des PhilFinder wird sukzessive mit der Katalogsuche verschränkt.
- Literaturversorgung
In der Literaturversorgung bildet sich klar das Erbe der alten Sondersammelgebiet ab. Mit zwei großen Unterschieden: erworben wird rein digital, mit einem Fokus auf Open Access. Dabei gibt es unterschiedliche Erwerbungs- und Lizenzierungsmodelle, um eine möglichst umfangreiche Versorgung zu Gewährleisten.
Im Bereich Zeitschriften sind die Lizenzen mit dem Philosopher‘s Index sowie dem Philosophy Documentation Center besonders hervorzuheben. Allein mit diesen beiden Anbietern bietet das PhilPortal Zugriff auf (Stand Juli 2025) 512 Zeitschriften im Volltext. Dazu kommen noch einzelne Zeitschriften wie die Allgemeine Zeitschrift für Philosophie und das Philosophische Jahrbuch, die in Kürze verfügbar sein werden. Neben der Lizenzierung versteht der FID Philosophie das Journal Hosting als zentrales Element des Bestandsaufbaus – dazu später mehr.
Was Monografien betrifft, arbeitet der FID Philosophie mit diversen Verlagen zusammen. Um eine möglichst umfangreiche Versorgung zu gewährleisten, besteht mit Nomos und Meiner beispielsweise ein EBS-System; d.h. wir können für einen vereinbarten Lizenzzeitraum ein großes Portfolio anbieten, und nach Ablauf der Lizenzphase entsprechend der Nutzung der Titel dauerhaft lizenzieren. Mit anderen Verlagen wir Brill konnten wir auch die umfangreiche Backlist erwerben; mit Verlagen wie Alber, Transcript und Logos konnten wir bereits OA-Transformationen umsetzen. Unser Ziel ist es, gezielt mit kleineren und mittleren Verlagen zusammenzuarbeiten um die vielfältige Verlagslandschaft in der deutschsprachigen Philosophie auch abzubilden.
- Journal Hosting
Die zunehmende Marktkonzentration einzelner Verlage (Stichwort: DEAL) führt zu einem Umdenken bei Herausgeber*innen und Autor*innen. Hinzu kommen Science-Tracking, die unsichere Lage bezüglich der Verwertung der Texte in LLMs und bizarre Entwicklungen wie Predatory Journals. Daraus ergibt sich eine zunehmende Aufmerksamkeit und Aktivität innerhalb der wissenschaftlichen Community, vom Journal Flipping bis hin zu Neugründungen im Diamond Open Access. Der FID Philosophie antizipiert diese Entwicklung und möchte sich als verlässlicher Partner für das Hosting von OA-Zeitschriften – Neugründungen oder »Umzüge« – etablieren. Neben den Philosophischen Symposien der DFG konnten bereits zwei Neugründungen (Philosophy & Digitality, Philosophy of AI) umgesetzt werden; weitere Zeitschriften befinden sich gerade im Aufbau und werden nächstes Jahr an den Start gehen.
- Forschungsdaten
Das Thema Forschungsdaten wird allmählich auch in der Philosophie präsenter, wie man es beispielhaft einer Podiumsdiskussion aus dem Jahr 2021 entnehmen kann. Das betrifft sicherlich auch die allgemeine Beschäftigung mit der Digitalisierung in der Philosophie; sogar der letzte Kongress der Deutschen Gesellschaft für Philosophie stand unter dem Titel digital | denken. Im Bereich digitaler Edition (beispielswiese DARE oder die Kritische Gesamtausgabe zu Arendt) gibt es ohnehin seit Jahren viel Bewegung.
Der FID Philosophie adressiert das Thema Forschungsdaten auf mehreren Ebenen. Zum einen besteht ein enger Austausch mit relevanten NFDI-Konsortien, allen voran Text+. Die dort entwickelte Registry zum Nachweis von u.a. Editionen ist in den PhilFinder fest integriert und wird auch seitens des FID mit Daten beliefert. Daneben gibt es einen vielfältigen Austausch mit – vor allem – DH-informierten Projekten wie dem PhiWiki oder dem gemeinsamen Handapparat mit der AG Philosophie der Digitalität der DGPhil. Ziel ist es, zum einen zu verstehen, welche Infrastrukturen für die philosophische Arbeit mit Forschungsdaten benötigt werden, und zum anderen die semantischen Räume und Ontologien mitzugestalten, die in solchen Infrastrukturen unabdingbar sind. Gerade mit dem PhilFinder bietet sich hier auf lange Sicht die Möglichkeit, Recherche nicht nur in einem linearen Katalog zu denken, sondern in einem Netz verbundener Daten.
Ein Portal für die Community
Zum Schluss soll noch einmal das Selbstverständnis des FID Philosophie betont werden: Impulse aus der Community sind mehr als erwünscht! Hier soll kein Infrastrukturprojekt zum Selbstzweck entstehen, sondern ein Portal, dass den Bedarfen der Community auch gerecht wird. Wir freuen uns über Rückmeldungen, Kooperationsmöglichkeiten, Lob, Kritik und Austausch. Der FID Philosophie kann als Chance gesehen werden, die Entwicklung von Infrastruktur für die philosophische Forschung mitzugestalten.
Eric Eggert ist Wissenschaftlicher Koordinator des Fachinformationsdienst Philosophie an der Universität Köln.