09 Okt

praefaktisch sucht Verstärkung!

Wir betreiben den Philosophieblog prae|faktisch nun seit über 6 Jahren und er hat sich zu einem wichtigen Medium der deutschsprachigen Philosophie entwickelt. Nun suchen wir Verstärkung für unser Team.

Falls Du Interesse hast, den Blog gemeinsam mit uns zu betreiben und weiterzuentwickeln, dann melde Dich bitte bis 15. November 2024 bei uns unter blog@praefaktisch.de.

Wir freuen uns über Deine Kontaktaufnahme mit kurzen Hinweisen zu Deiner Person (wer Du bist und was Du machst) und warum Du gerne bei uns mitmachen willst. Falls Du bereits Ideen hast, wie wir den Blog weiterentwickeln und verbessern könnten, dann schreib uns das bitte auch gleich.

Prae|faktisch ist ein privates Blogprojekt ohne Sponsoren oder sonstige Einnahmen, daher ist mit dieser Tätigkeit auch keinerlei Entlohnung verbunden.

08 Okt

Vernunft inmitten des Kampfplatzes der Welt – Zur unabgegoltenen Hoffnung der kantischen Idee von Emanzipation

Friedenstaube auf einer Wand

Gregor Schäfer (Universität Basel/University of London)


Als das Ideal eines gegenüber allen unbegründeten Anmaßungen kritischen Denkens und einer praktisch in weltbürgerlicher Absicht wirksamen Selbstbestimmung mündiger Menschen hat die Aufklärung in Kants Werk ihren bedeutsamsten philosophischen Referenzpunkt. Blickt man indes den heutigen Weltzustand an, hat die Diagnose durchaus einige Plausibilität, dieses Ideal der Aufklärung sei gescheitert oder befinde sich zumindest in einer tiefen Krise. Die These, dass das menschliche Geschlecht „im Fortschreiten zum Besseren immer gewesen sei und so fernerhin fortgehen werde“i, mag spätestens nach dem 20. Jahrhundert als hoffnungslos naiv zurückgewiesen werden. Der Wahlspruch der Aufklärung, „habe den Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“,ii mag angesichts der objektiven Übermacht einer kulturindustriellen (Schein-)Öffentlichkeit, die, wie Horkheimer und Adorno es kritisierten, „Aufklärung als Massenbetrug“ betreibt, als ideologisch oder gar in eine eigentümliche „Dialektik der Aufklärung“ verstrickt erscheinen.iii In dieser letzteren Linie mögen, im Lichte neuerer Diskussionen, das Projekt der Aufklärung und der mit ihm verbundene Universalismus schließlich überhaupt als Ausfluss partikularer europäischer Herrschaftsverhältnisse verdächtigt werden.

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10 Sep

Kühler Kopf in hitziger (Klima)kommunikation – Warum Wissenschaftskommunikation Emotionen verstehen muss

Von Ronja Gronemeyer (Bremen)


In Zeiten vielfach verwobener Krisen stehen Forschende vor einer Herausforderung: Wie kommuniziert man wissenschaftliche Erkenntnisse, die tiefgreifende Emotionen und essentielle Zukunftsängste auslösen können? Besonders die Klimakatastrophe löst bei vielen Menschen starke Gefühle aus – von Angst und Wut bis hin zu tiefer Trauer um die Verluste unseres Planeten. Wie können Forschende sich ethisch wertvoll in die oftmals hitzigen Debatten einbringen?

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05 Sep

Streitpunkt Wissenschaftsfreiheit. Ein Gespräch mit Sabine Döring und Tim Henning

Dürfen Wissenschaftler:innen alles sagen und erforschen, unabhängig von moralischen Erwägungen? Oder gibt es Wissenschaftler:innen, die man aus moralischen Gründen nicht für öffentliche Vorträge einladen sollte? Darf man einige „canceln“? Wie sollte man mit politisch streitbaren Protesten an Universitäten umgehen? Über diese und ähnliche Fragen wird seit einigen Jahren heftig gestritten. Über Inhalt und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit spricht Norbert Paulo für praefaktisch mit Sabine Döring, Philosophin und ehemalige Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, und Tim Henning, Philosoph und Autor des Buches Wissenschaftsfreiheit und Moral.

27 Aug

Das Ich als Multispezies-Wesen

Von Dr. Leonie N. Bossert (Wien) und Dr. Davina Höll (Tübingen)


Billionen von Mikroben leben auf und in den Körpern von Menschen, Tieren und Pflanzen. Sie bilden das menschliche, tierliche, oder pflanzliche Mikrobiom. Mikrobiome existieren entsprechend nicht unabhängig voneinander. Durch die ständige Zirkulation und Interaktion von Mikroorganismen sind wir Menschen auf komplexe Weise miteinander und mit unserer Umwelt verbunden. Damit gehen zahlreiche ethische Fragen einher, welche wir in diesem Blogbeitrag mit einem Fokus auf menschliche Körperlichkeit beleuchten.

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22 Aug

Freundlich streiten unter Feinden. (Un)demokratische Debattenkultur – ein Tagungsbericht aus Regensburg

von Silvia Donzelli

Dieser Tagungsbericht erscheint parallel auf dem theorieblog.

Die diskursive Aushandlung von Meinungs- und Interessenkonflikten gilt zu Recht als Lebenselixier der Demokratie. Wie öffentliche Diskussionen geführt werden sollten und ob ihre Qualität ein Indikator für die Gesundheit einer Demokratie ist, steht indessen zur Debatte. Denn die vielerorts gestellte Diagnose einer demokratischen Krise oder gar einer demokratischen Regression betrifft, neben der institutionellen Ebene, auch Sprach- und Kommunikationspraktiken.

Die Stichworte der üblichen Verfalldiagnose der Gesprächs- und Debattenkultur in den sogenannten konsolidierten europäischen Demokratien – Polarisierung der Inhalte, Desinteresse am Wahrheitsgehalt, Aggressivität, hetzerische Wortwahl – weisen auf eine Verschiebung der Grenzwerte in Richtung steigender Feindseligkeit hin, die auch deshalb viele beunruhigt, weil sie sich allmählich zum Standard öffentlicher Kommunikation etabliert. 

Inwieweit ist eine solche Verrohung der Debattenkultur mit demokratischen Werten kompatibel? Wie lässt sich der Aufstieg der politischen Kategorie des Feindes, als Inhalt und Form öffentlicher Kommunikation, innerhalb demokratischer Ordnungen legitimieren? Sind grundlegende Konzepte westlicher Ideengeschichte wie politische Freundschaft und Zivilität inzwischen veraltet, oder können sie in aktualisierter Form einen brauchbaren Kompass für Theorie und Praxis der politischen Debattenkultur darstellen?

Ein Forum für die kritische, aber sicherlich freundschaftliche Diskussion gegenwärtiger (un)demokratischer Debattenkultur bot die internationale Tagung „How to dis/agree like friends. Historical insights, philosophical roots, and fresh perspectives on the current state of debate culture in liberal democracies”, die vom 12.06. bis zum 14.06.2024 in Regensburg stattfand. Das Organisationsteam mit Eva Helene OdzuckSarah Rebecca StrömelManfred Brocker Daniel Eggers und Ricarda Wünsch brachte auf der interdisziplinär ausgerichteten Tagung Positionen aus Demokratietheorie, Ideengeschichte und politischer Philosophie in Dialog.

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16 Aug

Die anwesende Abwesenheit von ‚Anarchy, State and Utopia‘ – eine Spurensuche

Von Matthias Brinkmann (München)


Für etwa sechs Wochen meines Lebens war ich ein Libertärer. Der alleinige Grund hierfür war Robert Nozicks Anarchy, State, and Utopia (ASU), das ich im ersten Jahr meines Bachelorstudiums las. Ich war auch nicht der einzige Nozicksche Sechs-Wochen-Libertäre. Ich kenne mehrere andere Leser, auf die das Buch einen ähnlich starken, wenn auch meist temporären, Eindruck gemacht hat. Aber von Beinahe-Konversionen abgesehen, wie anwesend oder abwesend ist ASU in der kontemporären politischen Philosophie? In diesem Beitrag gehe ich auf eine unvollständige Spurensuche.

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11 Jul

Habermas: Vom Rechtsradikalismus lernen

Von Walter Reese-Schäfer (Hamburg)


Die deliberative Demokratie, wie Habermas sie seit langem vertritt, hat zwei Voraussetzungen: Die Bereitschaft, in den öffentlichen Argumentationsprozessen auf die Argumente der anderen Seite einzugehen, und zum zweiten das staatsbürgerliche Engagement, also die politische Beteiligung. Habermas hat in seinen Analysen zum neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit aufgezeigt, wie der Wandel von den journalistisch kuratierten Medien zu den immer noch weitgehend kontrollfreien Plattformen diese zugrundeliegende Voraussetzung geschrumpft, zersetzt und in interne Echoräume der Selbstbestätigung regrediert hat. In seinem theoretischen Ansatz deckt sich das mit Entpolitisierungstendenzen, wie sie in der Medienforschung seit Langem beobachtet werden. Habermas bewegt sich hier, wie es ihm als Anregung gebendem Philosophen auch zukommt, weitgehend im Feld von allerersten Arbeitshypothesen, die er bislang nur einigermaßen erklären und ansatzweise plausibilisieren kann.

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Das heißt, er macht sich selbst Gegeneinwände und Einsprüche, die bei der ersten Lektüre zunächst einmal etwas irritierend wirken und aus der Gedankenspur bringen können. Das beginnt mit seinem Satz über Trump: „Trumps fatale Aufforderung hätte in der Wut der Bürger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol gestürmt haben, kaum das erwünschte Echo gefunden, wenn nicht die politischen Eliten seit Jahrzehnten die legitimen, von der Verfassung gewährleisteten Erwartungen eines erheblichen Teils ihrer Bürger enttäuscht hätten.“ (Habermas, Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik, Suhrkamp: Berlin 2022, S. 17) Und er geht noch weiter: Die Grundrechtsordnung der Bürgerbeteiligung hat einen idealisierenden Überschuss, der von den wütenden Bürgern bei besonderen Gelegenheiten immer wieder einmal eingeklagt wird.

Rechtfertigt er hier den billigen Populismus? Gar den Trumpismus oder die Le Pennerie? Das wird er gewiss nicht meinen. Aber all dies, nämlich die finsteren Seiten der Zivilgesellschaft, haben einen Platz gefunden in seiner theoretischen Gesamtkonzeption, der bisher noch von niemandem beachtet wurde. Und zwar an einer ganz bestimmten Stelle: Dem Aufbringen, der Artikulation von Themen, die bisher vom politischen Diskurs vernachlässigt wurden, dann aber, wie Habermas es anstrebt, doch am Ende von einem auf staatsbürgerlichen Konsensen beruhenden deliberativen Prozesse abgearbeitet werden. Natürlich ist Habermas kein Populist, er versteht aber die wüsten Formen des Konflikts, die der Verfassungsstaat muss aushalten können, mit denen das politische System aber auch umgehen können muss, weil es sonst in Gefahr ist, seine Legitimation zu verlieren.

Ich will seinen differenzierten Blick auf den Neopopulismus, weil ich auch den fundamentalistischen Flügel der Habermasiasten überzeugen möchte (Habermas selbst versteht sich, wie alle wissen, als verfassungsrechtlich wohlinformierter Realist) an einigen Zitaten des Starnbergers festmachen, der uns einfachen Theoretikern in den Maschinenräumen der Wissenschaft, der Medien und der Politik doch immer wieder mal von seinem Olymp herab ein paar Dinge zu bedenken gibt, die wir mitunter nicht einmal zu denken gewagt haben. Im heutigen Frankreich wird der Barrikadenbau gegen rechts als „la politique du castor“ gekennzeichnet, nämlich als der Bau von Dämmen, wie es die Biber machen, die den Fluss des Deliberationsprozesses in Überschwemmungen treiben.

Dazu, und damit mir auch geglaubt wird, bringe ich die entscheidenden Zitate des Meisters: „Man kann beispielsweise den agonalen Charakter von Wahlkampagnen, den Kampf der Parteien oder die vielfältigen Protestformen sozialer Bewegungen erst richtig einordnen, wenn man sieht, dass der funktionale Beitrag der politischen Massenkommunikation zu einer insgesamt deliberativen Meinungs- und Willensbildung darin besteht, konkurrierende öffentliche Meinungen zu entscheidungsrelevanten Themen zu erzeugen.“ (Der neue Strukturwandel, S. 79). Funktionell ist das alles also zielführend, denn erst in den Beratungen der Institutionen, die sich an die zunächst einmal ziemlich wildwüchsige Meinungsartikulation anschließen, ist dann wieder Konsensorientierung vonnöten – andernfalls sind unsere „wie sich heute herausstellt, nicht besonders stabilen Demokratien“ (S. 109) dann allerdings in Gefahr.

Also für diese Strecke des Meinungsbildungsprozesses gilt: „Die informelle Kommunikation in der breiten Öffentlichkeit kann auch robuste Manifestationen oder wüste Formen des Konflikts aushalten, denn ihr Beitrag beschränkt sich auf die Mobilisierung der jeweils relevanten Themen, Informationen und Argumente, wohingegen Beschlüsse andernorts gefasst werden.“ (S. 79). Das wäre schön! Aber wenn Trump dann doch gewählt wird? Wenn der Rassemblement National, der jetzt gerade noch abgefangen werden konnte, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen doch die Mehrheit bekommt? Wenn die AfD doch den Ministerpräsidenten in einem Bundesland stellt? Irgendwie hat Habermas da oben in Starnberg ja recht, und auch hier unten in Hamburg besteht wenig Gefahr eines populistischen Sieges, aber in Thüringen, Sachsen, oder in Ungarn und der Slowakei? Gar im gelobten Land der Demokratie, in Frankreich?

Ja, und an diesem Punkt setzt Habermas noch eins drauf, und damit hat er mich endgültig aus der Fassung gebracht. Denn, wie wir alle wissen, lebt die deliberative Demokratie vom staatsbürgerlichen Engagement, von der Bereitschaft der Bürger, überhaupt sich zu beteiligen und durch ihre Beteiligung zu signalisieren, dass sie auch einer gegen sie gerichteten Mehrheitsentscheidung sich unterwerfen würden. Diese geht vielen Diagnosen zufolge zurück. Dazu erklärt der Olympier mit dem Bergblick aus Starnberg: „Und die Skepsis gegenüber der unter normalen Umständen bestehenden Bereitschaft der Bürger zur politischen Beteiligung müsste im Hinblick auf das Ausmaß an politischem Engagement überprüft werden, das uns heute im Zuge eines wachsenden Rechtsradikalismus überraschend vor Auge geführt wird.“ (S. 108) Genau: Die wollen sich ja politisch engagieren und ganz anders als den vielen Maoisten und DKPler aus meiner Studienzeit 1970-75, die eine Überwachung durch den Verfassungsschutz gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser und dagegen permanent prozessierten, scheinen den heutigen Rechten unsere Geheimdienste vollkommen egal zu sein.

Trotzdem: Unsereins muss etwas schlucken. Habermas nennt in dem gerade angeführten Zitat doch irgendwie die wüsten Aktivisten des Populismus als, ja, Vorbild wäre wohl zu viel und im Kern falsch gesagt, also als, ich würde sagen Denkanstoß, dass mehr Staatsbürgerlichkeit möglich wäre. Er will uns erschüttern. Vermutlich hat er auch noch Recht. Man müsste dann allerdings auch die Themen nennen, die vermutlich den Ausschlag geben. Zum ersten ist es, in den USA wie in Europa, die massive Immigration. In den Augen der Bürger besonders wohl deren illegale Anteile. Also Donald Trumps Mauerpropaganda, und wohl auch das Erfolgsthema der französischen Rechten, sogar auch der neuen polnischen Mehrheit Donald Tusks, die keineswegs einwanderungsfreundlich ist, und natürlich die ungarische Position, die dort alle sozialdemokratischen Haltungen nachhaltig aus der Politik herausgefegt hat. Dann ist es die naiv russophile Friedensorientierung, die von den Grünen und Teilen der Sozialdemokratie nunmehr ganz nach rechts zur AfD in Deutschland und zum Rassemblement National in Frankreich übergesprungen ist. Schon bei George Orwell war zu lernen: Der Pazifist des letzten Krieges ist der Kriegstreiber des nächsten, denn Friedensorientierung ist immer kontextabhängig, also im Kern weder rechts noch links, auch wenn sie im Moment auf der radikalen Rechten ihren Ankerpunkt gefunden hat.

            All das, was ich hier vorgebracht habe, sind keine bloßen Randbemerkungen, keine Marginalien. Vielmehr geht es um ein Kernproblem der zivilgesellschaftlichen Theorie. Wenn, wie Habermas es vor allem in „Faktizität und Geltung“ ausbuchstabiert hat, die Bürgeraktivitäten der Zivilgesellschaft Grundlagen und Voraussetzungen der demokratischen Deliberation überhaupt erst bereitstellen, dann müssen wir alle überlegen: Wie gehen wir mit den unzivilen, den dunklen, den bösen Seiten des Bürgeraktivismus um, mit den fiesen, gemeinen, antisemitischen, ausländerfeindlichen, nicht rechtsstaatlichen Neigungen unserer Mitbürgerinnen, wie sie vor allem an den beiden Extremen des politischen Spektrums zu verorten sind? Die damalige Theorie der Zivilgesellschaft war allzu schiedlich-friedlich. Habermas ist mutig genug, die andere Seite in den Blick zu nehmen und das Thema direkt ins Visier zu nehmen, so wie es auch Emmanuel Macron und wohl auch der vielfach unterschätzte Olaf Scholz getan haben.

Was folgt: Jürgen Habermas hat uns einige Denk- und Deliberationsaufgaben gestellt, die, was die Einwanderungspolitik angeht, schon in den Äußerungen des Kanzlers Olaf Scholz („Abschieben im großen Stil“) und der Innenministerin Nancy Faeser angekommen sind, aber noch nicht in der politischen Praxis. In dem Punkt des Krieges bleibt die Unterstützung der Ukraine in ihrem Überlebenskampf unverbrüchlich, jedenfalls bis zum Wahltermin in den USA. Deliberation ist nicht nur positiv und wohlwollend, die Zivilgesellschaft kann auch ganz hässliche Ergebnisse hervorbringen. Ich glaube, das ist es, was Habermas uns vorsichtig vermitteln wollte.


Walter Reese-Schäfer ist emeritierter Professor für politische Theorie und Ideengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen. Im Campus-Verlag hat er ein Einführungsbuch zu Habermas veröffentlicht.

27 Jun

LehrGut. Für gute Lehre.

Von Anne Burkard (Göttingen), David Lauer (Kiel), David Löwenstein (Düsseldorf) und Almut v. Wedelstaedt (Bielefeld)


Es ist Zeit für ein neues Forum für den Austausch über Fragen und Methoden der akademischen Lehre im Fach Philosophie. Vor einigen Tagen startete LehrGut – der Blog für philosophische Hochschullehre. Und wir laden Sie und Euch – Lehrende und Studierende der Philosophie – herzlich dazu ein, mitzumachen!

Es ist ein vertrauter und plausibler Gedanke, dass zwischen der Kunst und Wissenschaft der Philosophie und ihrer Lehre ein engerer Zusammenhang besteht als etwa zwischen der Kunst und Wissenschaft der Medizin und ihrer Lehre. Es ist kein Zufall, dass die ersten institutionalisierten Stätten des Philosophierens, die unsere westliche Tradition kennt, die griechischen Schulen sind – die Akademie, das Lyzeum, die Stoa, der Garten. (Das Logo unseres Blogs soll daran erinnern.) Natürlich umschließt die lange Geschichte der Philosophie auch kanonische Figuren, die nicht gelehrt, sondern nur geschrieben haben. Aber für die meisten Philosophierenden von der Antike bis heute dürfte gelten, dass ihre Philosophie sich wesentlich zumindest auch in ihrer Lehre verwirklichte.

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18 Jun

Habermas zum 95. Geburtstag

Von Detlef Horster (Hannover)


Jürgen Habermas war sein Leben lang ein beharrlicher Aufklärer. Immer hat er sich in politisch brisanten Situationen eingemischt und Diskussionen auf hohem intellektuellem Niveau geführt, bereits in der Adenauer-Ära, dann bei den Notstandsgesetzen, in der Studentenbewegung, bei der Hochschulreform, später in der gefährlichen Pogromstimmung des deutschen Herbstes von 1977, bei den NATO-Beschlüssen zur Nachrüstung, im Historikerstreit, in dem es wieder einmal um unsere unzulänglich aufgearbeitete Vergangenheit ging, dann wieder bei der deutschen Vereinigung, im Irak-Krieg, beim NATO-Einsatz in Jugoslawien und zuletzt in der Gentechnik-Debatte. Auch seine wissenschaftlichen Werke zur Gesellschaftstheorie waren politisch motiviert: Habermas wuchs in einer Zeit auf, in der die Menschen sich dem Konformitätsdruck der Nazi-Ideologie beugten, um das zu tun und zu denken, was anderen gefiel, und was opportun war.

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