Von Bernward Gesang (Mannheim)
Zwar betont Kant den absoluten Wert des Individuums, auch weil vor ihm das Individuum von absoluten Monarchen mit Füßen getreten wurde. Aber Kants Ethik überzieht den Schutz des Individuums. Eine Orientierung am Menschen und an dessen Bedürfnissen fehlt.
Ethik ist bei Kant kein Instrument, um menschliches Zusammenleben konfliktfrei zu regeln, sondern sie orientiert sich am Gebot der Widerspruchsfreiheit. So wurde Kant schon zu Lebzeiten kritisiert, dass ein Regent, vor die Wahl gestellt, zu lügen oder sein Volk in intensivste Sklaverei zu werfen, nach Kant nicht lügen dürfe. Nicht der Mensch, sondern die Pflicht ist der Mittelpunkt. Wenn die Gerechtigkeit aus dem Lot geraten ist, muss diese für Kant um jeden Preis (Todesstrafe) wiederhergestellt werden. Damit wird Gerechtigkeit zum Selbstzweck: Menschen sind nicht an sich wertvoll, sondern nur als Instanzen von Gerechtigkeit.