Populäre Philosophie? Von der Quadratur des Kreises zu guter Laune und bunten Kleidern

von Mara-Daria Cojocaru (München)


Neulich war ich auf einer Veranstaltung der Zoological Society London zum Thema Wildtiere und menschliches Wohlergehen im städtischen Raum, einer Public science-Veranstaltung, die sich an eine breitere Öffentlichkeit richtete. In einem pointierten Vortrag gelang es u.a. einer ausnehmend gut gelaunten und bunt gekleideten Professorin für Biodiversity Conservation die Relevanz ihrer von zahlreichen prestigeträchtigen Geldgebern unterstützten Forschung herauszustellen; Forschung, die sich im Wesentlichen darum bemüht, die Trennung von Mensch und Natur in städtischen Kontexten zu überwinden. Allen im Raum schien völlig klar, dass das relevant ist, dass so eine Trennung nicht gut sein kann: “an sich” nicht – und auch da ihre Überwindung die individuelle Gesundheit fördert und Einsparungen bis zu 2 Millionen GBP verspricht. Natürlich gab es ein paar offene Fragen, will sagen, nicht alles wurde abschließend geklärt – wie auch? Die Forschung soll ja weitergehen. Ganz klar war aber, dass die vorläufigen Ergebnisse und Einschätzung zeigten, dass besagte Professorin den richtigen Weg mit ihrer Forschung eingeschlagen hatte. Mich hat beeindruckt, wie klar die Relevanz dieser Forschung war und wie gut dieses Public science-Event funktioniert hat. Selbst die anderen Wissenschaftler*innen im Raum schienen zufrieden! Warum, so fragte ich mich als jemand, der seit fast zehn Jahren nahezu alles an Public oder Popular philosophy – vom philosophischen Speed-Dating bis zum Diskussions-Marathon – mitgemacht hat, warum klappt das für die Philosophie nicht so? Am Ende solcher Veranstaltungen in der Philosophie hat man meiner Erfahrung nach nicht nur immer mehr Fragen als einen klaren Weg für die Zukunft im Umgang mit den Problemen, sondern oft Zweifel, ob hier überhaupt der richtige Weg eingeschlagen worden ist, und vor allem: unzufriedene akademische Philosoph*innen.

In diesem Blogpost will ich laut oder besser öffentlich darüber nachdenken, ob und inwiefern sich die akademische Philosophie überhaupt für populäre Events im Sinne der Public science eignet. Ich tue das als jemand mit zwei Herzen in einer Brust: als jemand, der sich zum Beispiel der pragmatistischen Philosophietradition verschrieben hat, nicht zuletzt aufgrund der markigen Sprüche einiger Protagonisten dieser Tradition, dass Philosophie doch bitte etwas mit echten Problemen zu tun haben solle; und als jemand, der aus der disziplinierten Haut nicht kann und recht nervös wird, wenn Peirce, James und Dewey nicht richtig auseinander gehalten werden … Ohne darauf einzugehen, ob solche Veranstaltungen vielleicht auch dann mehr Aussicht auf Erfolg hätten, wenn sie von ausnehmend gut gelaunten und bunt gekleideten Professorinnen durchgeführt würden, will ich folgende vier Fragen behandeln, die meinem persönlichen Eindruck nach vielleicht bei allem Nachdenken über öffentliche Philosophie verschleiert werden: 1) Woher eigentlich der Mitteilungsdruck? 2) Ist Philosophie Wissenschaft? 3) Was darf eine Öffentlichkeit von populärer Philosophie erwarten? Und 4) Unter welchen ökonomischen Rahmenbedingungen findet das Ganze eigentlich statt? Dabei sind Antworten gar nicht mein Ziel. Vielmehr will ich versuchen, zu einer Reformulierung oder zur Ersetzung dieser Fragen durch andere zu gelangen.

1) Woher eigentlich der Mitteilungsdruck?

Dass sich die Philosophie darum bemüht, ihre Praxis, Protagonist*innen und Probleme in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen, ist nichts, was sie fundamental von anderen akademischen Disziplinen unterscheidet. Warum sie das tut, mag im Einzelfall unterschiedlich sein. Vielleicht lassen sich aber doch drei generelle Motivationen unterscheiden, zu denen sich die Philosophie dann verhalten kann. Ich denke hier an Kommunikation, Rechtfertigung und methodologische Gründe. Sprich, eine akademische Disziplin kann sich an eine breitere Öffentlichkeit wenden, um a) ihre Ergebnisse zu kommunizieren, b) ihre Existenz zu rechtfertigen, und c) durch die Einbeziehung durch die breitere Öffentlichkeit generierter Daten methodologische Vorteile zu erzielen. Ersteres ist wohl die klassische Variante von public science oder outreach; letzteres ist wohl besser umschrieben mit dem Begriff der citizen science. Beide Motivationen sind pragmatisch mit genuin epistemischen Zielen verschränkt. Dies ist im Falle der Rechtfertigung nicht so; hier ist die Motivation politisch insofern als bspw. den Steuerzahler*innen und der Gesellschaft etwas davon „zurückgegeben“ wird, was sie durch Geld und Gewährenlassen ermöglichen. Was bedeutet das nun für die Philosophie?

Ich habe bislang von „der Philosophie” gesprochen. Tatsächlich scheint mir der Kollektivsingular für alle akademischen Philosophinnen und Philosophen insofern angebracht als der Mitteilungsdruck von den sie beschäftigenden Institutionen mit aufgebaut wird. Auch philosophische Forschung (wenn man davon sprechen möchte) muss sich zunehmend in der Öffentlichkeit breit machen, um in dem Raster aus Exzellenz, Impact und Medienwirksamkeit hängenzubleiben. Hinzu kommt, dass bestimmte Debatten in anderen Wissenschaften (Stichwort „Willensfreiheit“) oder in der Gesellschaft (Stichwort „post-faktisch“) die Philosophie als Ganze durchaus provozieren. Dieser Druck hat sich zwar in Deutschland noch nicht in regelmäßige Evaluationen, von denen (wie etwa beim britischen REF) ganz konkret die Gelder abhängen, übersetzt, aber vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, für die Philosophie die Motivation, sich in eine breitere Öffentlichkeit zu begeben, genauer zu bestimmen, damit sie dorthin nicht nur getrieben wird.

Um also nicht getrieben zu sein, sondern das Verhältnis von akademischer Philosophie und breiterer Öffentlichkeit zu gestalten, bräuchte es einen ehrlichen Diskurs in der Philosophie. Immerhin macht es einen Unterschied, ob man aus Gründen der Erkenntnis oder aus Gründen der Politik in einer Öffentlichkeit agiert. Selbst dort, wo sich diese unter Maßgabe eines Bildungsgedankens überschneiden, wäre es gut, das genau benennen zu können. Auch wenn ich persönlich denke, dass die pragmatisch der Erkenntnis verschriebenen Motivationen der Philosophie besser zu Gesicht stehen, ist es offen, welche Motivation am Ende ausschlaggebend sein sollte. Hier für die Zukunft eine entschiedene Haltung zu gewinnen, die von (den meisten) Philosoph*innen dann auch vertreten werden kann, ist ein Projekt für die philosophische Gemeinschaft, nicht für Einzelne. Meine Unterscheidung dieser drei Motivationen dient hier also nur dazu, die Frage, warum sich die akademische Philosophie an eine breitere Öffentlichkeit wenden sollte, differenzierter beantworten zu können. Statt einem diffusen Mitteilungsdruck nachzugeben, könnte man sich fragen: Will die Philosophie ihre Ergebnisse kommunizieren, und was sollten diese Ergebnisse sein? Will die Philosophie so tun, als ob sie bestimmte Ergebnisse hätte, damit sie von der Gesellschaft weiterhin akzeptiert und gefördert wird? Will die Philosophie anfangen, ganz neu zu denken, durch den Einbezug der breiten Öffentlichkeit, und wie soll das funktionieren?

2) Ist Philosophie Wissenschaft?

Wenn die Philosophie Ergebnisse vorzuweisen hat, dann vermutlich in Form von Wissen, das sie in den Fachdiskursen geschaffen hat. Damit wäre die Philosophie eine Wissenschaft – vielleicht nicht im Sinne der sciences, wie sie im Zentrum der Public science-Bemühungen stehen, aber doch im traditionellen Sinne von Wissenschaft als Form der Untersuchung, die auf systematisches oder historisch-kulturelles Wissen abzielt. Dafür spricht auch, dass die Philosophie sich diszipliniert hat, dass sie also bestimmte historische Texte kanonisiert hat, dass sie bestimmte Formen des Schreibens als Beitrag zu ihren Diskursen anerkennt und andere nicht, dass sie als Fach an Universitäten studiert werden kann, dass Abschlüsse vergeben werden, dass sie Förderung von Forschungseinrichtungen erhält, dass es Fachgesellschaften gibt usw. All dies spricht nicht nur deutlich dafür, dass es sich bei der Philosophie um eine Wissenschaft handelt; es spricht auch dafür, dass, wie in allen anderen Fächern auch, es so etwas wie legitime Esoterik im Wortsinn geben wird und muss, also Diskurse, die sich nur einer kleinen Gruppe von Eingeweihten erschließen. Genauso wenig wie man erwarten darf, dass man alles oder auch nur überhaupt etwas versteht, wenn man als Laie auf dem Chemiekongress zu einem Vortrag zu offenschaligen Superatomen geht, darf man dann also erwarten, dass man alles oder auch nur überhaupt etwas versteht, wenn man als Laie beim Philosophiekongress zu einem Vortrag zu Intuitionen, zu Gott und abstrakten Objekten, zur Akteursrelativität von Gründen, zur Normativität der Logik, zu Peirces konservativem Sentimentalismus oder zu Dehumanisierung geht.

Aber stimmt das? Die genannten Themen aus der Philosophie klingen irgendwie anders als das chemische. Die Philosophie operiert in weiten Teilen nicht mit Fachsprache, und wo sie es tut, hat sie oft einfach allgemeinverständliche Begriffe für ihre Zwecke umdefiniert. So kann es sein, dass eine halbe Stunde lang über ‘Handlung’ oder ‘Intuition’ gesprochen wird, ohne dass der Laie das Fachverständnis teilen oder ad hoc erkennen kann. Selbst wenn man die stärker formal arbeitenden Bereiche der Philosophie einmal beiseiteließe, verhandelt der Großteil der Philosophie Themen und Fragen, die jeden Menschen unabhängig von seiner fachlichen oder beruflichen Expertise anzusprechen scheinen. Die meisten haben eine vage Vorstellung von diesen Dingen, mit denen sich die Philosophie befasst, und die Aussicht, dass diese konkretisiert, bestätigt oder bezweifelt werden könnten, generiert ein möglicherweise anderes Interesse an Philosophie als an anderen Wissenschaften. Über das offenschalige Superatom lerne ich etwas ganz Neues; die philosophischen Diskurse schließen augenscheinlich immer schon an etwas an. In dem Zusammenhang entsteht dann vielleicht die Idee, dass eine Philosophie den Erfahrungshorizont von Menschen nicht derart überschreiten sollte, dass ihre Erkenntnisse für den Gegenstandsbereich wertlos, weil nicht nachvollziehbar geworden sind. Für die Bereiche der Moral und der Politik scheint dies auf der Hand zu liegen; aber auch für andere Bereiche wie dem des richtigen Denkens, der Freiheit oder des Glaubens mutet es doch sonderbar an, wenn die Philosophie Wesentliches dazu beizutragen hätte, aber nicht nachvollzogen werden kann. Auf diese Sorge reagiert vielleicht am meisten die oder der öffentliche ‚Intellektuelle‘. Hier wäre die Frage, ob diese Figur noch hinreichend bekannt ist, verstanden und ausgefüllt wird – ob der Sender also diesen Spagat schafft.

Aber selbst, wenn dies dem Sender gelingt, ist noch immer die Empfängerseite wichtig. Sprich, selbst wenn Philosophie eine Wissenschaft wäre, stellt sich das Problem einer weitgehenden Wissenschaftsgläubigkeit in der heutigen Zeit. Das Problem bleibt bestehen, wenn Philosoph*innen in ihrer Rolle als Intellektuelle nicht als Wissenschaftler*innen gesehen werden, sondern einfach direkt an die Stelle anderer Autoritäten treten. Denn, obschon es manchmal bei öffentlichen Veranstaltungen wirklich nicht so scheinen mag: Was Habermas sagt, ist etwas anderes als „der Papst sagt”. Unter der Bedingung, dass Philosophie Wissen in eine Gesellschaft vermittelt, die mit diesem Wissen nicht wiederum philosophisch, sondern devot umgeht, scheint es schwer möglich, tatsächlich Philosophie zu vermitteln. Statt sich also zu fragen, ob Philosophie eine Wissenschaft ist, die wie andere sich um public science im Sinne der Kommunikation ihrer (vorläufigen) Ergebnisse bemüht, könnte es produktiver sein, die Frage nach dem Spezifikum von Philosophie, auch als Wissenschaft, zu stellen. Statt der Angleichung an die Wissenschaften, die ja selbst in epistemischer Hinsicht so monolithisch nicht funktionieren, wäre das die Suche nach dem Speziellen, das die Philosophie der Gesellschaft eben gerade nicht gibt, sondern abverlangt.

3) Was darf eine Öffentlichkeit von populärer Philosophie erwarten?

Wenn die Philosophie also vielleicht nicht wie andere Wissenschaften dazu in der Lage ist, der Gesellschaft mehr oder weniger leicht zu handhabendes, auf jeden Fall aber ergebnisförmiges Wissen zurückzugeben, sondern ihr vielmehr erst einmal etwas abverlangt, was darf eine Öffentlichkeit denn dann eigentlich von populärer Philosophie erwarten? Als jemand, der in den letzten zehn Jahren gut hundert Veranstaltungen mit Philosoph*innen im öffentlichen Raum entweder geplant und betreut oder selbst bei ihnen mitgewirkt hat, ist meine Einschätzung, dass die Erwartungshaltung vielfach changiert zwischen Dingen, die die Philosophie nicht so richtig gut erfüllen kann. Diese wären: Unterhaltung, die Ersetzung der akademischen Philosophie, sowie die Bestätigung (und akademische Absegnung) der eigenen Sichtweisen.

‘Unterhaltung’ ist an sich nichts Schlechtes, aber vielleicht wäre es der Philosophie in der Öffentlichkeit förderlicher, wenn darunter nicht verstanden würde, dass man von Entertainern mit ihren Produkten und Performances unterhalten wird, sondern, dass man sich unterhält, sich also in ein reflexives Verhältnis begibt. Wie der genuine Austausch von Gedanken in diesem Sinne einer Unterhaltung gelingen kann, ist mir nicht klar. Ich glaube, dass viele der öffentlichen Formate diejenigen, die da als Philosoph*innen dazu gebeten werden, immer ein Stück weit in die Entertainer-Rolle drängen. Sie sind dann dort sowohl mit der motivationalen Frage von oben konfrontiert, warum sie sich eigentlich der Öffentlichkeit so aussetzen sollten, als auch mit der ebenfalls oben genannten Frage, was an Wissen sie denn jetzt „zum Besten geben” könnten. Die anderen wiederum werden in die Zuschauerrolle gedrängt und fühlen sich, wenn es zu akademisch wird, oh große Not, nicht mehr gut unterhalten.

„Zu akademisch” ist ein oft gehörter Vorwurf. Was aber soll er bedeuten? Akademia ist ein Bereich der Gesellschaft, der an sich nicht negativ besetzt ist! Im Gegenteil, er wird (auch) mit Steuergeldern finanziert und hat seinen angestammten Platz im System wie auch das Recht oder die Kunst. Es wäre kurios, wenn jemand, der zum Notar geht, sagte: „Das ist mir zu juristisch!” Oder jemand nach dem freiwilligen Besuch einer Ausstellung stöhnte: „Das ist mir zu künstlerisch!” „Akademisch” wird als negatives Urteil aber akzeptiert – und das Gegenteil wäre dann was: populär? Wenn das die Idee ist, dann scheint mir, soll mit populärer Philosophie die akademische Philosophie abgeschafft oder ersetzt werden. Und das kann es nicht sein. Es ist nachvollziehbar, dass jemand seinem Notar dankend abwinkt, wenn der einem die Hintergründe des Notarwesens bis ins Letzte erklären möchte (und dafür noch einmal Geld berechnen). Es kann passieren, dass man den artist talk am Ende eigentlich nicht sehr erhellend oder gar die Künstlerin unsympathisch findet. Aber auch hier zählen das sich Erklären und das Heischen um Sympathie nicht zum Kern der Metiers. Genauso wie (unsere aktuellen) Gesellschaften das Notarwesen und die Kunst brauchen, brauchen sie die akademische Philosophie.

Es gibt andere Formate, in denen es nicht um Unterhaltung und auch nicht um die Ersetzung der akademischen Philosophie geht, sondern darum, dass der Gastgeber jemanden braucht, der die eigenen Sichtweisen besser und idealiter mit gelehrten Verweisen in die Geistesgeschichte artikulieren kann. Obwohl eine gute Rekonstruktion des eigenen Selbstverständnisses durch jemand anderen immer auch Ansätze liefern wird, wo es sich weiterentwickeln lässt, bin ich skeptisch, dass das die Aufgabe der Philosophie ist. Die Versuchung seitens der einladenden Institution, sich genau die Philosophin auszusuchen, deren Spiegelbild ihrer selbst ihr besonders gut gefällt, ist verständlicherweise hoch. Meine Sorge ist aber, dass die Aufgabenbeschreibung mehr in Richtung Pressearbeit und Festrede geht – das können Philosoph*innen vielleicht auch. Ob eine Öffentlichkeit aber erwarten sollte, dass es für jeden Job dieser Art die passende Philosophin gibt, und ob das der Philosophie guttut, weiß ich nicht. Ob es dagegen realistisch ist, von öffentlichen Institutionen zu erwarten, dass sie sich tendenziell kritische, aber faire, Philosoph*innen quasi als philosophers in residence in die Häuser holen, die dann mit philosophischen Beobachtungen des jeweiligen Betriebes aufwarten, weiß ich auch nicht. Interessant wäre es allemal.

4) Unter welchen ökonomischen Rahmenbedingungen findet das Ganze eigentlich statt?

Ich habe die ganze Zeit davon gesprochen, dass sich „die akademische Philosophie” an eine breitere Öffentlichkeit wendet. An einer Stelle habe ich das auch kurz begründet, da ich in der Tat denke, dass der Druck, das zu tun, zunehmend auch von Institutionenseite kommt. Jetzt will ich aber noch ganz kurz, allzu kurz, die ökonomischen Rahmenbedingungen ansprechen. Denn dafür ist überhaupt nicht unerheblich, wer sich da im Einzelfall genau an diese Öffentlichkeit wendet und wo. Am Ende sind es selbstverständlich immer einzelne Philosophinnen und Philosophen. Diese Einzelpersonen haben innerhalb der akademischen Community enorm unterschiedlichen Stellenwert. Ich will nicht darauf hinaus, dass populäre Philosophie in den Feuilletons und Talkshows oft von Philosophen (und – man denke an Zizek, Sloterdijk und Precht – es sind vornehmlich Männer) repräsentiert wird. Vielmehr geht es mir darum, noch einmal die uralte Frage nach der Bezahlung von Philosophie zu stellen.

Konkret: Wenn ein Gutteil der Zunft in prekären Verhältnissen lebt und in einer durch-ökonomisierten Öffentlichkeit Brosamen in Form von Honoraren bekommen kann, ist das gut? Wenn anders herum einige wenige Philosoph*innen zu Starrednern avancieren, ist das gut für einen Diskurs, der ja, als wissenschaftlicher Diskurs, einer Gemeinschaft verpflichtet ist? Wie müsste eine Gesellschaft verfasst sein, die sich ihre Philosophie auch wirklich leisten kann? Und schließlich: Wie lässt sich ein Kultur- und Kritikzirkus verhindern, in dem nach dem Motto „Wes Brot ich fress, des Lied ich sing” neben Philosophie eben auch viel Sophisterei zu finden ist?

Ich will zum Schluss kommen: Ich habe mich hier der Frage gewidmet, ob sich die akademische Philosophie überhaupt für populäre Events im Sinne der Public science eignet. Dabei habe ich vorausgesetzt, dass mit populärer Philosophie eben das gemeint ist, was man als Public science kennt, und wie sie in anderen Wissenschaften sehr gut funktioniert. Man kann aber noch einmal anders fragen, was eigentlich mit ‚populär’ gemeint ist. Aus der Geschichte der Philosophie ist bekannt, dass philosophisches Fragen selten populär im Sinne von „beliebt” gewesen ist, wenn das das Betragen von Männern in der Öffentlichkeit nach Art der Stechfliegen oder Hunde war. Hannah Arendt spricht gar vom existentiellen Risiko der Philosophie. Überhaupt scheint aber das Fragen in der Öffentlichkeit nicht populär. In der Öffentlichkeit treten wir auf und machen Ansagen, zumal unter den medialen Bedingungen unserer Zeit. Vielleicht aber ist es genau das, was die Philosophie als Disziplin besser organisieren sollte: dass das Fragen als wichtig anerkannt wird und dass ihre Fragen im öffentlichen Raum nicht nur schlagwortartig nachhallen. Das ist dann aber nur noch populär im Sinne von „verständlich für den Laien” und eben nicht „bei der Allgemeinheit beliebt”. Dass wiederum spezifischere Fragen offenbleiben, deren Relevanz klar ist und die im Weiteren besser von den Expert*innen verfolgt werden sollten – das klingt dann ganz nach Public science. Und vielleicht klappt es dann auch mit der guten Laune – und mit den bunten Kleidern.


Mara-Daria Cojocaru ist Dozentin für Praktische Philosophie und Schriftstellerin. Sie forscht und schreibt zum philosophischen Pragmatismus, zur Rolle von Emotionen in der Erkenntnis, und zu Problemen der Mensch-Tier-Beziehungen. Mehr zu ihrer Arbeit findet sich auf www.maradariacojocaru.weebly.com.