14 Aug

Wissenschaftssprachen und Businessmodelle

von Christoph Schirmer (Berlin, de Gruyter)


Zeitschriftenartikel werden in der Philosophie immer wichtiger. Die regelmäßigen Evaluierungen von Wissenschaftler*innen und Instituten verlangen nach hochfrequentem Output, der mit Büchern in der Regel nicht erbracht werden kann. Auch die Teammitglieder langjähriger Forschungsprojekte, die z.B. von der ERC gefördert werden, bringen ihre jeweiligen Forschungsergebnisse zunehmend eher in einzelnen Zeitschriftenartikeln heraus, den klassischen Projektband gibt es nur noch zum Abschluss.

Zudem lassen sich Credit Points und andere Bewertungen und Leistungsanerkennungen bei Zeitschriften durch die schon länger etablierten und vor allem transparent kommunizierten Standards, z.B. bei den Reviewverfahren, vorgeblich leichter vergleichen. So werden Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften inzwischen auch in der Philosophie gelegentlich bereits gleichwertig oder gar höher bewertet als Buchveröffentlichungen und in jedem Fall höher als die Veröffentlichung eines Beitrags in einem Sammelband. Aufsätze in anerkannten Organen werden für den erfolgreichen Aufbau einer wissenschaftlichen Karriere auch in der Philosophie absehbar unerlässlich.

Anders als Angebot und Nachfrage von Zeitschriftenaufsätzen steigt offenbar nicht unbedingt proportional der Bedarf an neuen oder weiteren Zeitschriften. Zeitschriftenneugründungen haben es weiterhin generell schwer, auch wenn z.B. die von de Gruyter vor kurzem neu gegründete Moral Philosophy and Politics eine erfreuliche Ausnahme bildet. Für die Rankings und internen und externen, nationalen und internationalen Bewertungen stellt der bestehende Ruf eines Publikationsorgans einen wichtigen Faktor dar – und dieser ist nur durch kontinuierliche Veröffentlichungen auf hohem Niveau und nicht als Startup Wunderkind zu erreichen. Für Neugründungen auf klar abzugrenzenden Feldern bestehen aber zurzeit sicherlich die seit langer Zeit besten Chancen, sich mittel- und langfristig als relevante Organe zu etablieren.

Eher unabhängig von diesen für wissenschaftliche Philosophiezeitschriften vielversprechenden Entwicklungen sinkt weiterhin die Attraktivität von Publikationen in einer anderen Sprache als der englischen. Selbstverständlich betrifft dies auch deutschsprachige Publikationen. Wissenschaftler*innen verbessern Ihre Chancen bei internationalen Bewerbungen erheblich mit englischsprachigen Publikationen. Korrosionseffekte durch Kategorisierungsverfahren wie die des ESF, die „lokale“ Zeitschriften mit nicht englischsprachigen Zeitschriften gleichsetzten und unter „C“ einstuften, während „A“ und „B“ den englischsprachigen oder zumindest mehrsprachigen Zeitschriften vorbehalten wurde, sind sicherlich hinsichtlich der Anerkennung der betroffenen Zeitschriften auch nicht förderlich gewesen. Für Verlage sank der Markt für rein deutschsprachige Zeitschriften in den letzten Jahren erheblich. Bei (vorwiegend) englischsprachigen Zeitschriften hat der Übergang zum Online-Abonnement den Markt eher vergrößert und die Verbreitung international gesteigert, nun haben auch Institutionen und Privatpersonen schnellen Zugang, zu denen die Lieferung per Post zu unzuverlässig, zu teuer oder zu umständlich war. Bei deutschsprachigen Zeitschriften eröffnet sich dieser Markt nicht, im Gegenteil wird die Verbreitung wissenschaftlicher Zeitschriften auch dadurch erschwert, dass z.B. in den USA und Großbritannien eine deutschsprachige Philosophiezeitschrift nicht in das Philosophiebudget fällt, sondern sich ein Budget für die deutschsprachigen Publikationen aller Fächer teilen muss.

De Gruyter ist ein internationaler Wissenschaftsverlag mit Hauptsitz in Berlin. Deutschsprachige Publikationen sind für uns selbstverständlich. Unter den Philosophiezeitschriften befinden sich einige der in den jeweiligen Feldern auch international höchst anerkannten – z.B. Archiv für Geschichte der Philosophie, Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Kant-Studien, Nietzsche-Studien. Die vier genannten haben Deutsch zumindest als „Basissprache“. Dem auch international gegebenen Ruf und der Verbreitung schadet dies nicht. Einige waren „schon immer“ international sehr stark verbreitet, bei anderen konnte durch den leichteren Zugang und einen verstärkten internationalen Vertrieb der Rückgang bei Abos im deutschsprachigen Raum durch mehr Abos vor allem in Nord- und Südamerika und Asien mindestens aufgefangen werden.

Bei Neugründungen, sofern diese sich nicht auf ein nur lokal relevantes Feld fokussieren (falls es ein solches überhaupt gibt), bietet sich neben der Deutsch-als-Zweitsprache Lösung natürlich Open Access an. Da hier ja nicht die Leser*innen zahlen, sondern die Autor*innen oder deren Institutionen, kann die wirtschaftliche Basis unabhängig von den Verkaufszahlen gewährleistet werden. Der Verlag stellt in diesem Fall die Zugänglichkeit durch die Aufbereitung der Metadaten, die DOI-Registrierung, die Kooperationen mit den Abstract and Index Services sicher und verbreitet die Publikationen. Da die Organe den Bibliotheken nichts kosten, kann davon ausgegangen werden, dass die Sprache keine Aufnahmebarriere darstellt.

De Gruyter veröffentlicht sowohl traditionelle Abozeitschriften als auch Open Access Zeitschriften, ebenso veröffentlichen wir Open Access Bücher. Auch in Abo-Zeitschriften können Artikel open access veröffentlicht werden. Mit beinahe 500 Open Access Zeitschriften und über 1.000 veröffentlichten Open Access Büchern zählen wir zu den größten unabhängigen Open Access Wissenschaftsverlagen. De Gruyter entspricht den weltweiten Open Access Richtlinien und unterstützt Autor*innen, die auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten ihrer Open Access Projekte sind. Als Mitglied der OASPA bindet sich De Gruyter an den Verhaltenskodex und engagiert sich zusammen mit dem Verband bei der Entwicklung bewährter Verfahren im Open Access Publishing.

Als internationaler Wissenschaftsverlag hat sich De Gruyter zur umfassenden Distribution seiner Zeitschriften an Non-Profit-Organisationen in Entwicklungsländern verpflichtet. Durch Vereinbarungen mit internationalen Organisationen wie dem International Network for the Availability of Scientific Publications (INASP) und dem HINRI Programm in Zusammenarbeit mit der WHO stellen wir sicher, dass akademisches Wissen in ausgewählten Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika, Osteuropa, Zentralasien und im Mittleren Osten kostenreduziert oder gänzlich kostenfrei verfügbar ist.

Den Herausgeber*innen, Redaktionen und Autor*innen von Zeitschriften bietet de Gruyter unabhängig vom Businessmodell (Subskription oder Open Access) die gleiche Infrastruktur und die gleichen Services, z.B. Redaktionssystemen mit Unterstützung bei den Begutachtungsverfahren über Zeitschriftenhomepages, Herstellung, Kooperation mit Abstract und Index Services, gesicherte Langzeitarchivierung etc. Bei Open Access Zeitschriften unterstützen wir die Autor*innen und Herausgeber*innen zusätzlich bei der Sicherstellung der Gebühren.


Christoph Schirmer ist Senior Acquisitions Editor bei de Gruyter.

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