27 Nov

Wenn die Philosophie ein iPhone wär’

Von Urs Siegfried (Zürich)

 

Haben sie schon einmal ein iPhone ausgepackt? Dieser Vorgang hat fast etwas Sakrales und ist ein bisschen wie eine Offenbarung in drei Akten. Da sind erstens die Eleganz und die Hochwertigkeit der Verpackung. Sie zeigen: Hier erwartet dich etwas Aussergewöhnliches und Wertvolles. Da ist zweitens das schöne Gefühl als Gerätebesitzer_in Teil der Apple-Community zu werden, einer Gemeinschaft von jungen, kreativen und weltoffenen Menschen. Und da ist drittens das Gerät selbst, Spitzentechnologie in verführerisch zugänglicher Form. Ich glaube, es sind genau diese drei Elemente, die die Philosophie braucht, um noch besser bei einem breiteren Publikum anzukommen: Komplexer Inhalt mit einer einfachen Bedienungsoberfläche, kombiniert mit einer Geschichte, die persönlich und emotional berührt, eingehüllt in eine Verpackung, die die Augen zum Leuchten bringt.

Ich bin überzeugt, dass es hilft, mit der Fanfare zu philosophieren und dass es der Welt und der Philosophie guttun würde, einander ein bisschen näher zu kommen. Wenn wir uns aber in die Welt hinauswagen wollen, dann ist ein guter Inhalt allein nicht gut genug. Selbst wenn der Inhalt grossartig und die Veranstaltung öffentlich und gratis ist, sind es meist nur die üblichen Verdächtigen, die die universitäre Hemmschwelle auch im wortwörtlichen Sinne überwinden. Einerseits ist es sehr beeindruckend, welche Vielzahl und Vielfalt hochkarätiger Veranstaltungen alleine an der Universität Zürich öffentlich und kostenlos angeboten werden. Andererseits ist es sehr schade, dass nicht ein noch viel breiteres Publikum einen Zugang zu diesem Schatz an Wissen und Ideen findet. Diese Diskrepanz war der Grund, warum wir das Zürcher Philosophie Festival auf die Beine gestellt haben. Die Idee dahinter ist, vom Turm zur Tat zu schreiten, die Philosophie aus dem Elfenbeinturm zu locken und ins Getümmel der Stadt zu lotsen. Es ist ein Versuch und eine Variante, das oben beschriebene iPhone-Ideal in die Praxis umzusetzen.

Egal ob iPhone oder Philosophie Festival, am Anfang steht der Inhalt. Ohne Inhalt ist die schönste Verpackung nur eine Enttäuschung und die beste Geschichte nur ein Schwindel. Insbesondere zwei Punkte sind aus unserer Sicht für die inhaltliche Qualität zentral. Erstens: der Fokus auf ein Thema. Jedes Jahr kommt ein neues Thema auf den Tisch, das während drei Tagen sorgfältig seziert und wieder zusammengesetzt wird. Das bietet Gelegenheit, in die Tiefe zu gehen und die verschiedensten Aspekte und Facetten eines Gebietes zu behandeln. Zweitens: sorgfältig ausgewählte Gäste. Diese müssen nicht nur einen fachlich-philosophischen Hintergrund mitbringen, sondern auch Bühnenkompetenz. Das gilt insbesondere für die Moderator_innen, die sozusagen die Benutzeroberfläche des Festivals sind. Sie repräsentieren das Festival gegen aussen und müssen einem breiten Publikum den einfachen Zugang zu komplexen Inhalten ermöglichen.

Hinsichtlich Verpackung ist die geografische Emanzipation von der Universität ein wichtiger Schritt. Enge Bankreihen in nüchternen Hörsälen und Apéros in kühlen Universitätsgängen sind nicht die besten Voraussetzungen, um zum Bleiben zu animieren. Ideal ist ein Ort, der zentral und direkt am Puls der Stadt liegt und dank einer anregenden Atmosphäre und einer gelungenen Kombination von Bar und Bühne zum Verweilen und Weiterdiskutieren einlädt. Mit dem Kulturhaus Kosmos haben wir in Falle des Zürcher Philosophie Festivals zu unserem Glück ein Zuhause gefunden, das diese Kriterien mehr als erfüllt. Abgesehen vom Veranstaltungsort ist auch die Grafik ein wesentliches Element der Verpackung. Es braucht eine Gestaltung und Szenografie, die dafür sorgen, dass die Inhalte eine Plattform erhalten, die ästhetisch ihrem fachlichen Wert und Gehalt entspricht. Ein weiteres Verpackungs-Element sind schliesslich die Formate. Am Zürcher Philosophie Festival bieten wir neben klassischen Podiumsgesprächen zum Beispiel Philosophy Slam, philosophisches Speed Dating oder philosophisch kommentierte Kurzfilme. Das spricht ein Publikum an, das der Philosophie bei einer anderen Verpackung vielleicht keine Beachtung geschenkt hätte.

Eine Geschichte zu erzählen und eine emotionale Bindung zu schaffen, ist aus meiner Sicht die grösste Herausforderung. In Zürich gehen wir das an, indem wir den Festivalcharakter ins Zentrum rücken. Wie bei einem Musik- oder Filmfestival soll auch das Philosophie Festival ein Ereignis sein, das diesen Namen verdient. Entscheidend dabei ist, dass das Publikum zum Bestandteil des Geschehens wird und sich und seine Anwesenheit auch selber feiert. Was für ein Musik-Open-Air gilt, gilt auch für ein Philosophie Festival: Ein wesentlicher Teil der Show findet neben der Bühne statt. Neben einer Dauer über drei Tage und einer Atmosphäre, die zum Verweilen und Weiterdiskutieren einlädt, arbeiten wir auch mit möglichst publikumsnahen Formaten darauf hin, dieses Ziel zu erreichen. Fragenstellen ist bei allen Veranstaltungen erlaubt, in kleinen und kostenlosen Diskussionsrunden stehen Philosoph_innen persönlich Red und Antwort und nach getaner Geistesarbeit treffen sich Gäste, Team und Publikum an der Bar zur Diskussion danach.

Das erste Zürcher Philosophie Festival hat zu unserer grossen Freude gezeigt, dass die skizzierten Elemente in der praktischen Umsetzung ein Gewinn sind. Das macht uns natürlich noch lange nicht zum iPhone. Und Android-Nutzer_innen werden zu Recht einwenden, dass Apple nicht das Alleinseligmachende ist und viele Wege von der Forschung zum Publikum führen. Aber wenn es gelungen ist, mit einem Festival und ein wenig iPhone-Flair die Verbindung zwischen der Philosophie und der Welt zu verbessern, dann ist das schon ein schöner Schritt vom Turm zur Tat.

Urs Siegfried ist Initiator und Leiter des Zürcher Philosophie Festivals, dessen Zweitausgabe vom 17. bis 19. Januar 2019 über die Bühne geht. Er hat in Zürich und Lausanne Geschichte und Betriebswirtschaft studiert. Er war unter anderem Geschäftsführer des St. Galler Radios toxic.fm und leitete den Zürcher Verband für faire und umweltbewusste Hauseigentümerinnen bevor er im Zweitstudium sein Herz an die Philosophie verlor. Seine Selbständigkeit als Unternehmer im Immobilienbereich stellt sicher, dass er trotzdem geerdet bleibt.

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