05 Jul

Die Liebe in Zeiten der Pandemie. Welches Nachdenken über die Krise fruchtbar sein könnte und welches nicht.

Von Franziskus v. Heereman


Wer heute grundsätzlich über die Corona-Pandemie nachdenken will, sollte wissen, dass weder er noch sonst jemand bereits jetzt dieser Epoche gerecht werden kann. Was von jedem Witz, jedem Roman, jedem Musikstück und jedem Leben gilt, ist nicht weniger wahr in Bezug auf geschichtliche Ereignisse: Was etwas ist, weiß man erst, wenn es vorbei ist. Deshalb kennen paradoxerweise Zeitzeugen ihre Epoche schlechter als jene, die auf sie zurückschauen. Solange jener militärische Konflikt währte, der 1618 durch den Ständeaufstand in Böhmen ausgelöst wurde, konnte niemand wissen, dass dies der 30-jährige Krieg war und, was evidenter Weise von seiner namengebenden Länge gilt, gilt gleichermaßen von seiner geschichtlichen Bedeutung. Die Eule der Minverva fliegt eben am Abend, Vordenken ist immer tentativ, tastend, unsicher; das Wesen steht erst dem Nachdenken offen (es ist eben erst, was es ist, wenn es ge-wesen ist; erst im Perfekt ist es perfekt).

Sehen, was es ist, gelingt also eigentlich erst im Rückblick; aber gestalten, was es einmal gewesen sein wird, ist die Aufgabe der Zeitgenossen, und deshalb müssen sie, ihrem mangelnden Abstand zum Trotz, dem nach-denken, was ihnen begegnet. Denn dieses Bedenken ist dem Phänomen nicht äußerlich, sondern geht mitgestaltend ein in das, was es ist. Weil das so ist, sollte man nicht bloß über die Krise nachdenken, sondern von Zeit zu Zeit eben über dieses Nachdenken nachdenken; unsere Weise, die Pandemie zu verstehen, reflektieren.

Selten hing die Welt so gebannt am Mund der Wissenschaft wie in der Corona-Krise. Innerhalb weniger Wochen machte man sich mit Grundlagen der Epidemiologie und Statistik bekannt. Und auch wissenschaftstheoretisch gab es sprunghafte Erkenntniszugewinne in der interessierten Öffentlichkeit: Dass nämlich Wissenschaft, wie oft suggeriert, kein unfehlbarer Schiedsspruch eines monolithischen Blocks von Experten ist, sondern eine Diskussionsgemeinschaft und eine Erkenntnisform, die durch die Aufdeckung von Irrtümern Zugewinne macht. Insofern ist sie gerade nicht der Gralshüter der Wahrheit, sondern nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als unsere beste Wette. Wer sich mit dem wissenschaftlichen status quo von heute verheiratet, wird morgen verwitwet sein. Dennoch gibt es keine Alternative dazu, sich gemäß des jeweils wahrscheinlichsten Sachstandes zu verhalten. Nur wer das weiß, wundert sich nicht, dass im Januar nicht mehr gilt, was im August noch Standard war, und sieht darin nicht Verschwörung, sondern eine funktionierende Wissenschaft am Werk.

Zugleich wurde offensichtlich, dass Wissenschaft immer eindimensional ist, ja dass sie, um zu sein, was sie ist, eindimensional sein muss. Eine Wissenschaft definiert sich zum einen durch ihren Gegenstand, zum anderen durch die Perspektive, auf die sie ihr Forschen reduziert. Sie selbst kann nicht interdisziplinär sein, ohne damit aufzuhören, die Wissenschaft zu sein, die sie ist. Interdisziplinär kann nur der Mensch sein. Er kann die verschiedenen Perspektiven zueinander in Beziehung setzen und ihre Aus- und Ansagen gewichten.

Weil das so ist, wurde rasch klar, dass man den Befund der Virologen nicht als die allumfassende Perspektive auf die Pandemie sehen darf. Ginge die Welt darin auf, ein virologischer Zusammenhang zu sein, wäre es angemessen, der Virologie das letzte Wort zu geben. Nun ist sie das aber nicht, und es waren dankeswerterweise nicht zuletzt die Virologen selbst, die darauf hingewiesen haben. Es kann nach virologischen Gesichtspunkten alles zum Besten bestellt sein, aber in ökonomischer, onkologischer, pädiatrischer, pädagogischer oder psychiatrischer Hinsicht keineswegs. Wie soll man aber diese verschiedensten Hinsichten miteinander verrechnen und eine Güterabwägung treffen? Die Instanz, die das tut, nennt man Gewissen, und die Wissenschaft, die systematisch den Anspruch des Gewissens reflektiert, ist die Philosophie. Insofern schlug mit der Stunde des Virus, auch die des, freilich nicht immer als solchen ausgewiesenen, philosophischen Denkens, das sich wie seit Jahrzehnten nicht mehr in den Medien zu Wort meldete. Dabei kommt es häufig zu Mega-Theorien, die sich mit grobem Pinselstrich an monokausalen Generalisierungen zum Woher und Wohin versuchen. Im Folgenden seien einige solcher Antworten skizziert und gezeigt, warum sie wenig hilfreich sind, und welcher Typ von Frage und Antwort stattdessen eher geeignet wäre, unser Nachdenken über die Pandemie zu einem hilfreichen Beitrag ihrer Bewältigung werden zu lassen.

Der Mensch fragt sich, woher dasjenige kommt, das ihn so umfassend aus dem Tritt bringt, das seine Pläne vereitelt, ihn ängstigt, ihn vielleicht krank macht oder gar tötet. Wenn er aber nach dem Woher fragt, verbindet sich das für ihn meist auch mit der Was-Frage. Woher eine Wirklichkeit kommt, sagt etwas darüber aus, was sie ist. Nun könnte man nüchtern antworten: Es ist ein Virus, das vermutlich über einen Wildtiermarkt in Wuhan den Weg zum Menschen gefunden hat, sich sehr schnell weltweit verbreitet hat und zu bis heute unabsehbaren Todesopfern in Millionenhöhe geführt hat. Eine Zoonose, eine Krankheit also, die vom Tier zum Menschen überspringt, wie schon Aids, Rinderwahn, Ebola, Schweine- und Vogelgrippe, Sars, wie schon die Pest und vermutlich die Pocken. Aber derart nüchtern ist der Mensch selten. Er fragt nach einem tieferen Grund dafür, dass das Virus über uns gekommen ist. Dabei ist nun sehr deutlich zu sehen, dass er dazu neigt, die Frage nach dem Grund mit genau dem wirklichen oder vermeintlichen Missstand in Zusammenhang zu bringen, den er ohnehin für die Mutter aller Probleme hält. Dies zum einen, weil es leichter fällt, monokausal zu denken, zum anderen, weil es uns so gelingt, das bereits ausgemachte Böse weiter zu verbösen. Oder anders gesagt: Corona ist das perfekte Feuerholz, um das Süppchen, das wir ohnehin schon kochen, weiter anzuheizen. Und da wir sehr unterschiedliche Suppen zubereiten, fallen die Antworten nach seinem „eigentlichen“ Woher entsprechend unterschiedlich, ja widersprüchlich aus.

Nehmen wir den Trumpismus: für ihn ist es das „Chinavirus“, die „Kung Flu“, und ein Grund mehr dafür, im Fremden die Bedrohung zu sehen, sich abzuschotten und das Eigene kompromisslos an die erste Stelle zu setzen.

Für andere ist es ein überdramatisierter Husten, hochgejazzed durch eine Elite, die ohnehin ständig versucht, den kleinen Mann zu gängeln und seiner Freiheit zu berauben. Die Herkunft des Virus, wenn man es nicht gleich ganz leugnet, bleibt dann der Tiermarkt, aber die Herkunft seiner Bedeutung ist eine andere, nämlich unsichtbare Manipulation durch eben jene Dunkelwirklichkeiten, die man schon zuvor auf seiner Fahndungsliste hatte.

Eine weitere Beantwortung der Woher-Frage ist ökologischer Art: Der Klimawandel ist verantwortlich für die Pandemie. Wärme sei gut für Viren, und durch den Schwund der natürlichen Habitate rückten Wildtiere näher an den Menschen. Nun mag es durchaus Gründe geben, weshalb der Klimawandel eine Ausbreitung neuer Viren wahrscheinlicher macht, aber angesichts der geschichtlichen Stetigkeit, mit welcher Pandemien die Menschheit heimsuchen, wirkt eine starke Verbindung des Virus mit dem Klimawandel gewollt. Töricht wird die ökologistische Betrachtung der Pandemie, wenn aus ihrem Auftreten der Schluss gezogen wird, nun sei es endlich vorbei mit der Beherrschung der Natur; jetzt schlüge sie tödlich zurück und beweise damit die selbstzerstörerische Kraft unserer Herrschaft. Gerade im Hinblick auf Viren versagt das in anderen Fällen durchaus passende Paradigma der ungerechten und selbstzerstörerischen Beherrschung der Natur durch den Menschen. Denn krankmachende Viren sind der beste Beweis dafür, dass eine Beherrschung der Natur an sich weder böse noch unerfolgreich sein muss. Die Herrschaftsfähigkeit des Menschen kommt hier weder faktisch noch moralisch an ihre Grenze, vielmehr kommt sie gerade hier in ihr Eigenstes; oder sollten auch Viren zu den Naturerscheinungen gehören, für deren Schutz der Mensch Verantwortung trägt?

Man sollte in Bezug auf das Woher des Virus bei den belastbaren Fakten bleiben und Mega-Theorien skeptisch begegnen. Wenn wir bei den Fakten bleiben, werden wir die Sache ohne ideologische Verzerrung sehen und ihr sachgemäß entgegentreten können.

Ein anderes Feld, wenn natürlich auch nicht ohne Zusammenhang mit der Woher-Frage, ist die Frage nach dem Wohin. So sehr die Pandemie ein Massenversagen der Zukunftsprognosen, die alles Mögliche, diese aber nur in den seltensten Fällen auf dem Zettel hatten, anrichtete, so wenig führte sie zu einer Umschulung der Auguren-Innung. Diese lief vielmehr zu Hochtouren auf. Es schlug die Stunde der Weltuntergangs- und Himmelreichspropheten. Die Utopisten sahen nun die Menschheit zusammenrücken, Menschlichkeit lernen, endlich jene Askese üben, die allein uns aus der Klimakrise retten könne, und überhaupt einen sprunghaften Anstieg menschlicher Weisheit und Menschlichkeit in der Luft liegen. Die Dystopiker vernahmen im Auftritt des Virus das Läuten zum letzten Gefecht und prophezeiten die finale Natur- und/oder Kulturkatastrophe, den Anfang vom Ende der Menschheit, oder zumindest: totale Isolation der Nationalstaaten, Vollendung des Überwachungsstaates, Radikalisierung sämtlicher Ungerechtigkeiten.

Was hier verkannt wird, ist, dass die Zukunft weder in die eine noch in die andere Richtung schon festgelegt ist, und dies deshalb nicht, weil Menschen frei sind. Anstatt also besonders helle oder besonders düstere Prophezeiungen unters Volk zu bringen, geht es darum, die Chancen und Risiken, die mit der Krise einhergehen, zu eruieren. Chancen, die, wenn wir sie nutzen, die Welt ein bisschen besser machen. Gefahren, die, wenn wir sie nicht meiden, alles schlimmer machen, als es schon ist.

Die vielen Wortmeldungen, dass Corona alles anders mache und dass nichts mehr sei wie zuvor und dergleichen mehr, resultieren zu einem großen Teil nicht zuletzt daraus, dass der auf der relativen Sonnenseite des Lebens befindliche Mensch seine Verwundbarkeit und Sterblichkeit gerne jenseits des Gartenzauns seiner Existenz hält. Der von Behinderung, Krankheit, Alter und Sterben Betroffene wird ghettoisiert, und auf diese Weise können wir eifrig verdrängen, dass eines jeden Geschichte immer mit dem Tod der Hauptfigur endet, und dass uns bis dahin vielerlei treffen wird, das zu unserer, des Menschen unwürdigen Maxime „Hauptsache gesund“ in einiger Spannung steht.

Mit der Krise steht plötzlich einer der apokalyptischen Reiter mitten im Raum unserer Existenz und räuspert sich vernehmlich. Seine Anwesenheit lässt sich nicht ignorieren, weil er nicht einige wenige, die man schnell vergessen und übersehen kann, sondern uns alle anspricht. Damit wird allerdings keineswegs alles anders, vielmehr werden wir normalisiert.

Zu dem, was des Menschen Würde ihm aufträgt, gehört, dass er nicht verdrängt, dass es ein Ende mit ihm haben wird, und dass er angesichts dieses Endes weiß, dass, wie er seine Zeit verbringt, nicht unerheblich ist, weil diese begrenzt ist, und dass es Weisen gibt, seine Zeit zu verbringen, für die er auch noch dankbar ist, wenn der Vorhang fällt, und Weisen, seine Zeit zu verbringen, die angesichts der Endlichkeit seiner Ressourcen sinnfrei oder sogar sinnwidrig sind.

Was uns dieses memento mori nahelegen könnte, wäre, unseren Beziehungen jenen hervorragenden Wert einzuräumen, den wir in seiner ganzen Tragweite leider oft erst gegen Ende unseres Lebens erkennen, und von allen Eigenschaften, die wir zu den unseren zählen, jene weiter auszubauen, die wir die Güte oder die Liebe nennen, und die, wie wir in Nachrufen auf Verstorbene sehen können, eigentlich das Einzige ist, was uneingeschränkt gut genannt zu werden verdient. Ein geschäftstüchtiger, hochbegabter, sportlicher, fleißiger, intelligenter Mensch, kann doch immer in menschlicher Hinsicht eine unerfreuliche Erscheinung gewesen sein; es ist das Wesentliche an der Güte, dass ein gütiger Mensch ein guter Mensch ist.

Gesellschaftlich gewendet: Gesetze und Strukturen können niemals das ersetzen, was uns zusammenhält: gelebtes Mit- und Füreinander. Jegliche Aushandlung konkurrierender Rechtsansprüche setzt schon voraus, was sie organisieren will: Eine Solidarität, in der der eine für den anderen  Einschränkungen seiner Grundrechte, der andere für den einen gesundheitliche Risiken auf sich nimmt. Mit anderen Worten: Corona macht dies und jenes anders, aber, was es nicht anders macht, sondern nur deutlicher herausstellt, ist, dass die einzige Macht, die die Welt und unser Leben zum Besseren wenden kann, ungeschützt ausgedrückt, die Liebe ist – wenn wir unter Liebe nicht irgendeine romantische oder religiöse Verstiegenheit verstehen, sondern die Bereitschaft, mit der sich der eine für den anderen einsetzt.

Gerade mit Blick auf sie zeigt sich noch einmal, wie wichtig es ist, auf Chancen und Gefahren zu schauen, anstatt Verlaufswetten abzuschließen. Die Krise hat weder einen Automatismus hin zu mehr Menschlichkeit noch zu mehr Unmenschlichkeit. Sie steht vielmehr wie ein Block auf dem Weg des Bisher und verhindert ein einfaches Geradeaus. Man kann diesen Block in moralischer Hinsicht unten wie oben herum umschreiten. Und für beides gibt es Dynamiken und Anzeichen.

Der neuerliche Aufschein der Verwundbarkeit und Sterblichkeit bringt uns natürlich nicht von alleine näher zu einander. Er kann auch das gerade Gegenteil bewirken und uns weiter auseinandertreiben, wenn wir eben nicht die Gelassenheit entwickeln, die dann und genau dann entsteht, wenn wir uns mit unserer Sterblichkeit versöhnen, sondern wenn die plötzliche Gegenwärtigkeit der Sterblichkeit dazu führt, dass wir, wie immer es mit der allgemeinen Sterblichkeit bestellt sein mag, jedenfalls jetzt eines um jeden Preis verhindern wollen: unser eigenes Sterben. Wer um jeden Preis überleben will, wird unweigerlich zu einem radikalen Egoisten. Er muss bei knappen Ressourcen und großer Gefahr sich der Nächste sein. So wie umgekehrt die Bereitschaft, Risiken für den anderen auf sich zu nehmen, Leben bewahrt und rettet – wie wir im Blick auf die vielen Menschen sehen können, die das Risiko einer Infektion auf sich nehmen, um für die anderen da sein zu können.

Gerade in Bezug auf unser Miteinander zeigt die Krise die Janusköpfigkeit ihrer Lehrtätigkeit. Die Pandemie hat beides hervorgerufen: Nachbarschaftshilfe, Hilfe zwischen Staaten, heroische Dienstbereitschaft in den medizinisch-pflegerischen und anderen systemrelevanten Berufen und deren öffentliche Wertschätzung, kreative Formen des Miteinanders trotz der notwendigen Isolation. Aber eben auch: nationale wie individuelle Hamsterkäufe; Verweigerung von Hilfs- oder Dienstpflichten aus Angst vor Ansteckung; Verprügeln von Hustenden; Wurstigkeit und unverantwortliches Spaßverhalten.

Es stimmt, dass Krisen Menschlichkeit hervorbringen können und hervorbringen, aber eben auch ihr Gegenteil. Das gilt für jede Krise. Für Corona kommt aber noch eine eigentümliche Gefahr für die Menschlichkeit dazu; nämlich, dass das Verhalten, das die Solidarität uns vorrangig abverlangt, für eine Kultur des Miteinanders gefährliche Nebenfolgen hat: Einschränkung von Kontakten, Abstand, Verhüllung des Gesichtes. Die beabsichtigten Folgen sind gut: der Schutz des Anderen. Die Nebenfolgen sind gefährlich, weil sie integrale Bestandteile eines glückenden Miteinanders aus dem Verkehr ziehen. So unstrittig die Notwendigkeit der Reduktion von zentralen Formen eines gelingenden Miteinanders ist, so gilt es zugleich, die Gefahr in all diesem zu sehen: die Erosion des Miteinanders und die Moral zum Nulltarif, die in Zeiten von Corona vielerorts darin zu bestehen scheint, einander in Ruhe zu lassen. Man muss sich der Tatsache bewusst sein, dass die soziale Distanznahme zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Menschlichkeit in der Pandemie darstellt. Diese beginnt erst da, wo wir den ungleich schwereren und viel Kreativität fordernden Weg suchen, wie unser Miteinandersein wachsen kann, obwohl unser Beieinandersein drastisch eingeschränkt ist. Belassen wir es nur bei der Einschränkung des Beieinanderseins, wird die Weise, wie wir einander schützen, massiv zur Erosion unseres Miteinanders beitragen.

Die Bundesregierung hat in international vielbeachteten Werbe-Clips unter dem Schlagwort „besondere Helden“ das social distancing zum Heroismus der Pandemie erklärt: Sei ein Held, bleib zuhause und tue nichts. Und es stimmt ja; es liegt eine Herausforderung darin, um der vulnerablen Menschen willen all den Verzicht zu leisten, der uns in der Krise abverlangt wird. Aber dies ist doch allenfalls die schwarze Null der Haltung, die wir in diesen Monaten brauchen. Es gilt, sich der eigentümlichen Gefahr bewusst zu sein, die darin liegt, dass die erste Bürgerpflicht im Rückzug vom Anderen zu bestehen scheint. Obendrein in einer Zeit, in der die Realkontakte zwischen Menschen ohnehin in einer historisch einmaligen Weise weniger werden, weil viele Geschäftsmodelle darauf abzielen, die Menschen in virtuellen Welten festzuhalten. Die kanadische Gesundheitsministerin empfiehlt als den sichersten Sex in der Pandemie die Onanie. Wie romantisch! Wir sollten dafür Sorge tragen, dass sich auch über diese Pandemie einst Romane schreiben lassen, die von der Liebe in ihren Zeiten zu berichten wissen.


Der Autor hat den Lehrstuhl für Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar inne.

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