Vom Horror der Philosophie. Ein Essay zu Friedrich Nietzsches 175. Geburtstag
von Eike Brock (Bochum)
„Mein heutiges Leben ist alles andere als glücklich, aber durch die Antidepressiva habe ich einen Boden unter den Füßen.“
(Jamie Morton in Stephen Kings Revival)
I. Trudeln mit Descartes
In René Descartes’ Meditationes de prima philosophia (1641) ist es besonders augenfällig: Die Philosophie – ich schere hier Vielgestaltiges großzügig über einen Kamm – verfügt über ein ausgezeichnetes Talent: Sie ist in der Lage, dem Menschen sogar dann den Boden unter den Füßen wegzuziehen, wenn sie eigentlich angetreten ist, um ein stabiles Fundament zu errichten, auf dem sich bauen lässt. Genau genommen handelt es sich natürlich nicht um ein Talent, sondern eher um eine unheilvolle Konsequenz, die sich daraus ergibt, dass die Philosophie als begründende Wissenschaft den Dingen auf den Grund geht. Spätestens seitdem Gott verstorben ist,[1] stoßen Philosophinnen und Philosophen bei ihren Ergründungen regelmäßig auf Abgründe, in die sie manchmal auch hinabstürzen. Ebenso wäre es auch Descartes ergangen, der freilich noch ein Zeitgenosse Gottes war, den er aber während seiner Überlegungen zunächst ausklammerte. Hätte Descartes an einem bestimmten Punkt seines Nachdenkens unter Aufbietung aller Magie seines beeindruckenden Verstandes nicht vermittels gleich zweier scharfsinniger, letztlich dann aber doch nicht vollständig überzeugender Gottesbeweise doch wieder Gott aus dem Hut gezaubert, so wäre er gewiss gefallen.
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