13 Jun

Turings Maschinen – Menschen, die rechnen

Von Christian Vater (Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz – Digitale Akademie)

„Digitalisierung“ ist ein großes Wort, das Alan M. Turing noch 1950 sehr klein gefasst hat. Es ist in der Gegenwart zweifellos zentral für Diskurs und Debatte, gleichzeitig ist seine Bedeutung noch nicht klar umrissen, was eine semantisch ‚schillernde‘, auch visionäre oder ‚verzaubernde‘ Verwendung erlaubt. Schon 2004 hat Jens Schröter in seinem sehr lesenswerten Einblick in die Geschichte der Unterscheidung ‚analog/digital‘ darauf hingewiesen, dass wir es hier durchaus mit einem buzzword und der „medienhistorische[n] und -theoretische[n] Leitdifferenz der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ zu tun haben. Ein Ausgangspunkt im Sinne einer Orientierungsfunktion der Philosophie könnte mit Jörg Noller eine enzyklopädische Begriffsgeschichte sein, auch in Auseinandersetzung mit Kant und dem erklärten Ziel einer „digitalen Aufklärung“. Ein weiterer Ansatz wäre mit Sybille Krämer eine (lange) „Kulturgeschichte der Digitalisierung“, deren wirksame Prinzipien sich bereits im Alphabet finden und die sich durch alle Medienwandel hindurch in den digitalen Kulturtechniken der Gegenwart entfalten. In diesem Blogbeitrag soll es um ein Fallbeispiel für eine (technik-)historische Wortverwendung gehen: Turings Maschinen – mit Seitenblicken auf unsere digitalen Menschenbilder, Turings Test und digitale Medien in der Turing-Galaxis. 

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08 Aug

Medienbildung und anthropomorphe Maschinen

von Tobias Hölterhof (Köln)


Vor wenigen Woche veröffentlichte ein Startup-Unternehmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz ein Video auf YouTube. Zu sehen sind zunächst zwei Menschen: Ein Mann und eine Frau stehen bewegungslos da. Sie blicken die Zuschauenden des Videos posend an und tragen lässige Kleidung. Der Mann ist mit einem dunkelgrauen Parka, einer sandfarbenen Hose und hohen Lederstiefeln bekleidet. Die Frau ist weniger warm angezogen. Sie trägt glänzende Stiefel, eine dreiviertel lange, schwarze Hose und einen olivgrünen Pullover. Nach wenigen Sekunden springt das Video zu einer Matrix von drei mal fünf ähnlichen Bildern. Zu sehen sind zunächst sich bewegende Männer. Alle sind lässig bekleidet und verändern ruhig ihre Gebärden. Sie machen einen kleinen Schritt zur Seite oder bewegen bedacht ihre Schultern. Der Blick ist stets nach vorne auf den Zuschauenden gerichtet. Dann metamorphosieren die Personen während ihrer Bewegung zu Frauen. Manche lehnen sich an eine Wand an. Plötzlich kehrt sich die Bewegung der Personen um, als würde der Film eine kurze Zeit rückwärts laufen. Dann sind alle 15 Personen in exakt der gleichen Körperhaltung und -bewegung zu sehen. Die Männer und Frauen sind völlig unterschiedlich gekleidet jedoch halten sie ihre Arme und Hände an der gleichen Stelle. Ihre Schultern haben den gleichen Winkel, der Kopf schaut mit dem gleichen Blick und alle Beine sind leicht angewinkelt. Für einen Augenblick sind alle Bewegungen völlig simultan, dann lösen sie sich wieder aus dem Gleichschritt. Das Video springt auf eine Matrix von sechs mal zehn Bildern. Einige der nun sechzig Personen bewegen sich gleich, andere Bewegungen wirken wie horizontale Spiegelungen. Die Dramaturgie ist ungewöhnlich präzise.

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