26 Apr

Von Fledermäusen und Elefanten

Von Birgit Beck (Berlin)

Niemand (außer Harald Lesch) spricht über den Elefanten im Zimmer. Elefanten im Zimmer haben es an sich, ignoriert zu werden. Der Elefant, von dem hier die Rede ist, heißt „Zoonose“ und ist schon häufiger im Zusammenhang mit Nahrungsmittelskandalen, Epidemien und Pandemien aufgetreten. Der Elefant taucht etwa in Gestalt von Schweine- oder Vogelgrippen auf, einst hieß er – ursprungsgeografisch inkorrekt – „Spanische Grippe“, danach Ebola oder SARS, heute heißt er COVID-19 (ein Nachfahre eines prominenten Opfers des vermeintlich spanischen bezeichnet den aktuellen Elefanten – politisch inkorrekt – als „Chinese virus“, zit. in dem Beitrag von Andrea Klonschinski). Der Elefant ist jedenfalls ein alter Bekannter. Aber Elefanten im Zimmer werden übersehen, selbst, wenn das Zimmer sich im Porzellanladen befindet. Wie kommt der Elefant in unser Zimmer? Der Elefant reist im Gepäck von Viren, die in Symbiose mit Wildtieren leben, zum Beispiel Fledermäusen, Schleichkatzen und (möglicherweise) Schuppentieren. Kontakt mit solchen Tieren oder gar die Aufnahme derselben in den Speiseplan kann zu einer Übertragung des Virus auf Menschen führen. Das Virus kann mutieren, seinen Wirt wechseln, wie es heißt, und fortan auch von Mensch zu Mensch weiterverbreitet werden. Das ist bei der aktuellen, ebenso wie bei der letzten Corona-Epidemie der Fall, nur findet die Verbreitung diesmal exponentiell statt, weswegen SARS-CoV-2 als ungleich gefährlicher eingestuft wird als sein Vorläufer vor einigen Jahren. Darüber kann man sich informieren (etwa auf den Seiten des Robert Koch-Instituts oder ganz schnell und oberflächlich mit ein paar Klicks bei Wikipedia) und man könnte nun darüber nachdenken, wie sich solche Pandemien in Zukunft vermeiden lassen. Nachdem die Zoonose (auch in weniger gravierenden, jedoch häufiger auftretenden Formen, etwa als Salmonellose) aber nur ein Elefant im Zimmer ist, wird lieber über andere Themen diskutiert.

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24 Jul

Populäre Moralphilosophie und moralische Expertise

von Frauke Albersmeier (Düsseldorf) und  Alexander Christian (Düsseldorf)


Öffentliches Interesse an Philosophie richtet sich häufiger als auf die Probleme der theoretischen auf jene der praktischen Philosophie. Fragen nach den Grenzen des Wissens oder dem Wesen von Emotionen werden eher an Psychologen und Kognitionswissenschaftler, solche nach der Beschaffenheit der Welt an Physiker oder Biologen gerichtet, während Philosophinnen und Philosophen für Fragen der individuellen Lebensführung, nach kollektiven Pflichten, Gerechtigkeit und Freiheitsansprüchen weiterhin zu den naheliegenden Ansprechpartnern gezählt werden. Manche Philosophen sprechen durchaus bereitwillig z.B. über die sog. Flüchtlingskrise, Sterbehilfe oder die moralischen Rechte von Tieren. Zu lesen ist dann beispielsweise, dass die deutsche Regierung sich in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung durch Flüchtlinge preisgegeben hätte, obwohl es keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung gebe (Peter Sloterdijk in einem Interview mit der Zeitschrift Cicero). Sterbehilfe sei moralisch inakzeptabel, da der Mensch um den Akt des Sterbens betrogen werde und es keine gute Art des Tötens gebe (Robert Spaemann: Euthanasie in der Zeit). Tiere dürfe man essen, weil die meisten Nutztiere eben Augenblicksgeschöpfe seien, denen man nicht viel nehme, wenn man sie nach einem guten Leben rasch und schmerzlos tötet und durch andere Tiere der gleichen Art ersetzt (Konrad Ott in einem Interview in der taz).

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