05 Feb

Sicherheit auf Kosten von Freiheit und Lebensqualität?

Warum richtiges Handeln in der Coronakrise nicht nur von Expertenwissen abhängt

Von Gerhard Schurz (Düsseldorf)


Selten hatten medizinische Experten soviel politische Macht und wurden andererseits so massiv angezweifelt. Dieser Essay möchte zur Klärung dieses Widerspruchs beitragen. Aber nicht, wie bei Gegnern von Corona-Schutzmaßnahmen üblich, indem medizinisches Faktenwissen mit fragwürdigen Argumenten bezweifelt wird. Stattdessen soll der Blick für den Unterschied zwischen den Fakten und Wertentscheidungen geschärft werden. Epidemologie-Experten können uns sagen, welche Verzichtsmaßnahmen die Infektionsraten so-und-so niedrig halten können. Aber ob diese Verzichtsmaßnahmen die damit erreichten Wirkungen wert sind, durch sie legitimiert werden, ist keine medizinische Frage, sondern eine Wertentscheidung. Ohne ethische Prämissen folgen aus Fakten keine Werte oder Normen; in der Philosophie spricht man hier auch von naturalistischen Fehlschluss oder Sein-Sollen Fehlschluss. Für die Wertentscheidungen in der Coronafrage sind Wissenschaften wie Psychologie, Ökonomie und Philosophie ebenso wichtig wie Medizin und Epidemologie. Letztlich aber ist diese Wert­entscheidung von allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes im Rahmen unserer parlamentarischen Demokratie vorzunehmen. Als ich unlängst in einer Tageszeitung las, „die Mediziner haben ein Urteil gefällt, das wir umsetzen müssen“,[1] schämte mich dafür, für wie unmündig die Medien die Bürger ihres Landes einstufen.

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