11 Apr

Geburtstagsgedanken – Teil 2

von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Vor einem Jahr haben wir praefaktisch ins Lebens gerufen. Die Geburt war relativ einfach, was danach kam mitunter mühsam aber lohnend. Es ist ein Jubiläum und das sollte man ja feiern aber dennoch kritisch zurück und mutig voraus blicken. (Falls sich ein paar Dinge hier wiederholen, die auch schon Norbert geschrieben hat, dann liegt das wohl daran, dass wir ähnliche Erfahrungen gemacht haben.)

Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden. Wir denken, dass praefaktisch inhaltlich ganz gut aufgestellt ist (bei natürlich unterschiedlicher Qualität der einzelnen Beiträge), eine schöne Palette an Themen bringt (vielleicht könnte es manchmal mehr Abwechslung sein) und der Blog mittlerweile ganz gut bekannt ist (obwohl das sehr schwierig zu messen ist). Es scheint also unsere anfängliche Vermutung zu zutreffen, dass es im deutschsprachigen Raum ein Interesse an einem solchen Philosophieblog gibt. Wir danken auch allen, die uns mündlich oder schriftlich mitgeteilt haben, dass sie praefaktisch gut finden und hin und wieder gerne lesen. Das bestärkt uns, weiterzumachen.

Ich denke noch immer, dass das Blogformat sehr gut geeignet ist, Philosophie öffentlich und relevant für die Öffentlichkeit zu machen. Philosophie hat ja den Vorteil, dass sie auch auf allerlei Themen reflektiert, die für die Öffentlichkeit oder zumindest viele Menschen außerhalb der Universitäten relevant sind. Wir haben einige dieser Themen schon aufgegriffen: Bildung, Sex, Postfaktizität. Und der gute alte Marx hat auch nicht für die universitären Schreibstuben gelebt und sein Werk sollte nicht bloß antiquarisch verwaltet werden. Ich bin zwar skeptisch gegenüber zu hohen Ansprüchen, was den Einfluss oder auch nur die Anschlussfähigkeit von Philosophie oder PhilosophInnen in der öffentlichen oder medialen Debatte betrifft und wir sollten nicht erwarten, dass durch mehr Philosophie in der Öffentlichkeit sehr viel besser werden würde. Dennoch wäre es schön, wenn die viele gute Reflexionsarbeit „sichtbarer“ werden würde. Der Blog zeigt nämlich, dass PhilosophInnen schlaue Gedanken zu allen möglichen Themen und Fragestellungen haben.

Es ist uns nicht alles gelungen. Manches ist unsere Schuld, anderes, glaube ich zumindest, nicht. Es ist schwer LeserInnen zu erreichen. Viel machen wir über Facebook, ein bisschen über die Mailingliste und Twitter und ein unbekannter Anteil googelt uns oder schaut aus eigenem Antrieb hin und wieder vorbei. Das ist nicht befriedigend, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie wir das anders machen könnten. Den Blog immer über andere Mailinglisten ausschicken? Die DGPhil-Liste macht das (zum Glück) nicht, philos-l ist halt doch vor allem ein englisches Organ. Wie erreicht man LeserInnen, also die Community und dann auch noch ein paar Leute außerhalb? Die Aufmerksamkeitsökonomie spielt uns hier nicht in die Hände, da ja jede/r von uns sehr viel zu tun hat und es im Fach Philosophie wahrlich keinen Mangel an Lesestoff gibt. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass wir halt doch nur zwei recht unbekannte Nobodies aus der österreichischen Provinz sind, die diesen Blog betreiben – ohne große persönliche oder institutionelle Netzwerke oder Ressourcen. Falls jemand einen guten Tipp hat, wie wir praefaktisch besser bekannt machen können und dessen Umsetzung idealerweise (fast) nichts kostet, möge er oder sie sich bitte melden. Wir werden lange und öffentlich dankbar sein.

Das Thema, dass wir zu wenig Frauen haben, die für uns schreiben, hatten wir schon mal angesprochen. Es ist jetzt etwas besser, aber 50/50 ist es noch lange nicht. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir von Frauen noch immer öfters Absagen kassieren als von Männern.

Nicht ganz zufrieden können wir auch mit unserer Interview-Sektion sein, die bis vor wenigen Wochen nach einem Interview mit Mari Mikkola gleich zum Start des Blogs, eingeschlafen ist. Das tut uns leid, da wir diese Sektion gut und wichtig finden und wir werden uns hier wieder zusammenreißen und mehr Interviews bringen.

Was manchmal echt nervt, ist, dass wir unglaublich viele E-Mails schreiben müssen. Klar, damit war zu rechnen und wir haben den Aufwand hier wohl unterschätzt. Ich vermute, dass wir so ca. 1000 E-Mails in diesem Jahr verschickt haben. Das liegt auch daran, dass wir eine relativ hohe Absagequote haben (verständlich, da ja alle viel zu tun haben und ein Blogbeitrag fast kein Prestige besitzt) und auch relativ vielen AutorInnen nachlaufen müssen… Das bringt uns, die wir praefaktisch quasi als Hobby neben unseren Jobs betreiben, manchmal an die Kapazitätsgrenze. Dazu kommt dann noch, dass wir natürlich alle Text lesen und diese auf den Blog und dann auch Facebook und Twitter stellen müssen. Besonders mühsam ist aber, dass es für manche Themen schwer ist, überhaupt Leute zu finden und dazu zu bringen, etwas zu schreiben. Zum Beispiel zum Thema des wissenschaftlichen Nachwuchses. Da könnte man ja vielleicht naiv denken, dass wir alle etwas sinnvolles zu schreiben hätten. Aber wir haben nur Absagen kassiert und dieser Themenblock ist leider, quantitativ an der Anzahl der Beiträge gemessen, nicht aufgegangen. Das ist auch deshalb schade, weil wie bekannt die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht gerade ideal ist – vielleicht hätte hier eine größere Resonanz an Beiträgen dazu geführt, dass das Thema stärker ins Bewusstsein rückt und sich Potentiale der Veränderung oder Solidarisierung aufgetan hätten (wahrscheinlich zu viel der Hoffnung). Liegt aber vielleicht auch an uns und wir haben die falschen Personen angeschrieben. 

Aber genug gesudert! Der Blog hat uns auch viel gebracht – neben dem schönen Produkt und Lob und der Anerkennung durch ein paar Leute, haben wir in den letzten zwölf Monaten viele gute Texte gelesen und kamen mit vielen neuen KollegInnen in Kontakt. Darauf können und wollen wir aufbauen. Auch wenn wir nicht sagen können, wie lange praefaktisch laufen kann oder soll, so werden wir sicher einmal weitermachen und versuchen, den Blog weiterzubringen und hin und wieder auch was Neues auszuprobieren. Auch hier gilt natürlich, dass wir uns über Ideen sehr freuen, die an uns herangetragen werden.

Eine Sache, die ich/wir vielleicht starten will/wollen, nenne ich in meinem Kopf „Beginner’s Guide für angehende PhilosophInnen“, der als Ratgeber für alle, die Philosophie als Beruf an der Universität machen wollen, nützliche Tipps und Hinweise in Form kurzer Beiträge versammelt. Etwa, was es heißen kann eine „Karriere zu planen“, welche Hürden in den ersten Jahren während und nach dem Doktorat auf einen zu kommen, welchen Stellenwert welche Art von Publikationen haben, wie man mit der Frustration von ablehnenden Gutachten umgeht und worauf es ankommt, wenn man einen Job finden will. Zu all diesen wichtigen Fragen gibt es kein öffentlich zugängliches Wissen, sondern nur dasjenige, was einem gerade von (älteren und jüngeren) KollegInnen oder am eigenen Institut erzählt wird. Falls ihr nie wieder etwas von dieser Sache hört, bin ich drauf gekommen, keine Zeit dafür zu haben oder es hat sich als schlechte Idee heraus gestellt. Mal schauen.

Zum Schluss wollen wir natürlich nochmals Danke sagen – insbesondere den fast 100 AutorInnen, die in den letzten Monaten, einen Beitrag auf praefaktisch veröffentlicht haben. Ohne sie gäbe es diesen Blog schlicht und einfach nicht.

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