Die Finanzierung der Wissenschaft und ihr Einfluss auf die prekäre Situation unserer nicht dauerhaft beschäftigten jüngeren Kolleginnen und Kollegen
von Achim Stephan (Osnabrück)
Die modellhaften Überlegungen, die von Mitgliedern der DGPhil und der GAP gemeinsam angestellt wurden, um die Situation für unsere nicht dauerhaft beschäftigten jüngeren Kolleginnen und Kollegen etwas zu verbessern, können nur ein paar Tropfen auf einen überhitzten Stein sein. Sie orientieren sich daran, was Philosophie-Institute und Universitäten unter Umständen selbst in die Hand nehmen können. Nicht thematisiert wird das, was die eigene unmittelbare Einflussnahme übersteigt. Will man jedoch begreifen, was dazu geführt hat, die zu keiner Zeit einfache Situation der sogenannten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler extrem zu verschärfen, führt kein Weg daran vorbei, sich die forschungspolitischen Rahmenbedingungen vor Augen zu führen. Noch Ende der achtziger Jahre dürften viele Philosophie-Institute im Laufe von zehn bis zwanzig Jahren nicht wesentlich mehr Postdocs zur Habilitation geführt haben als sie selbst an Dauerstellen aufwiesen (auch da gab es sicher Ausnahmen und nicht alle Habilitierten konnten mit Professuren rechnen, aber immerhin gab es auch noch unbefristete akademische Ratsstellen, auf denen man in der Regel ebenfalls mit großen Freiheitsgraden eigene Projekte in der Lehre und etwas eingeschränkter in der Forschung verfolgen konnte).
Zwei fast gleichzeitig stattfindende Entwicklungen haben dieses System völlig aus der Balance geworfen. Die eine betrifft die etwa seit dieser Zeit – auch in den Geisteswissenschaften – stetig zunehmende Bedeutung von Drittmitteln für die Forschung. Drittmittel gehören nicht zur Grundausstattung der Universitäten und Institute. Sie können durch aufwändige Forschungsanträge höchst kompetitiv eingeworben werden und stellen in der Regel für einen Zeitraum von drei Jahren zusätzliche Mittel bereit, um Forschungsvorhaben durchzuführen. Unter dem Etikett der „Sachbeihilfe“ sind Gelder zu verstehen, mit denen Doktorandinnen und Doktoranden oder – deutlich seltener – Postdocs projektbezogen eingestellt werden können. Seit Beginn der Exzellenzinitiative hat sich diese Entwicklung noch beschleunigt, neben die Einzelprojekte sind nun vermehrt die sehr viel höher angesehenen Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereiche und Exzellencluster getreten. Diese haben alle zwei Dinge gemeinsam: Sie bieten erstens – wieder zumeist – Doktorandinnen und Doktoranden finanziell durchaus attraktive Promotionsmöglichkeiten in interessanten wissenschaftlichen Umfeldern und sie sind zweitens bei den Bundesländern, den Universitäten und den einzelnen Instituten hoch angesehen. Zumindest einige Länder koppeln sogar einen etwa zehnprozentigen Anteil der Vergabe der den Universitäten eigentlich zustehenden Grundausstattung an einen Vergabeschlüssel, der etwa zur Hälfte die Höhe der auf eine Universität entfallenen Drittmittel und die Anzahl der Promovierten jeweils fächerspezifisch berücksichtigt, was dazu führt, dass besonders erfolgreiche Hochschulen eine höhere Grundausstattung erhalten, weniger erfolgreiche Hochschulen eine geringere. Viele Universitäten haben in den letzten Jahren auf diese Lage dadurch reagiert, dass sie den externen Wettbewerb zu einem internen gemacht haben, indem einzelne Institute, die bei der Einwerbung von Drittmitteln und der Anzahl von Promotionen im Landesvergleich zu ähnlich aufgestellten Instituten besser abschneiden, finanziell besser stellen (und umgekehrt). Für die einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. für die einzelnen Institute bedeutet dies, dass sie besonders dann mit großer Anerkennung rechnen können, wenn sie in diesem Wettbewerb möglichst erfolgreich abschneiden. Nicht selten geht es bei Zielvereinbarungen, sei es auf individueller oder auf Institutsebene, nicht um innovative Inhalte wissenschaftlicher Forschung und bedeutende Publikationen, sondern um die Höhe einzuwerbender Drittmittel. Das heißt, diejenigen, die bereits auf Dauerstellen im System sind, erhalten einen hohen Anreiz, jüngere Kolleginnen und Kollegen für drei Jahre befristet ins System zu holen. Eventuell gibt es im Anschluss auch noch die Möglichkeit, diese als PostDoc erneut für drei Jahre befristet in einem Forschungsprojekt zu beschäftigen. Das wäre an sich noch kein Problem.
Die inzwischen nicht mehr zu übersehende prekäre Situation befristet beschäftigter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist zu einem Großteil darauf zurückzuführen, dass die den Universitäten durch die einzelnen Bundesländer zugewiesene Grundausstattung sich immer noch in der Größenordnung bewegt, die es schon vor der Explosion drittmittelfinanzierter Nachwuchsstellen gab. Das heißt, es bemühen sich nun erheblich mehr – noch dazu meist exzellent ausgebildete – Nachwuchskräfte als vor dreißig Jahren um etwa die gleiche Anzahl von Professuren. Für diejenigen unter den nunmehr zahlreich Promovierten, die sich auf den steinigen Weg begeben, „professorabel“ zu werden, stehen nach wie vor nur wenige aus der Grundausstattung finanzierte Mitarbeiterstellen zur Verfügung. Alternativ erlauben diverse Programme wie zum Beispiel die von der EU finanzierten Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen bestens qualifizierten PostDocs, sich auch international zu profilieren, um am Ende doch wieder in einer kafkaesken Situation vor weitgehend verschlossener Türen zu landen.
Zusätzlich verschärft, und dies ist die zweite der oben genannten Entwicklungen, wurde diese Lage durch die weitgehende Abschaffung von Dauerstellen im wissenschaftlichen Dienst, den akademischen Ratsstellen. Fast alle Mitarbeiterstellen, die den einzelnen Instituten derzeit noch zur Verfügung stehen, sind Qualifizierungsstellen, die nur für drei (im falle eines Promotionsvorhabens) oder maximal sechs Jahre (im Falle eines Habilitationsvorhabens) besetzt werden können. Damit entfällt ein akademischer Berufsweg unterhalb der Professur. Auch für den universitären Alltag mit zahlreichen anspruchsvollen Aufgaben, die nicht unbedingt von Professorinnen und Professoren wahrgenommen werden müssen, war dies keine hilfreiche Entwicklung.
Um ein vollständiges Bild der Gesamtsituation zu erhalten, sollte noch bedacht werden, dass das bis vor kurzem uneingeschränkt bestehende Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Hochschulbereich (Ausnahmen sind meines Wissens große Forschungsbauten) dazu führte, dass der Bund keine Professuren in den Hochschulen finanzieren durfte, die Jahr für Jahr erhöhten Bundesgelder für die Forschung daher in länderübergreifende Institutionen flossen: Max-Planck-Institute, Helmholtz-Institute, Fraunhofer, oder in die DFG, die Alexander von Humboldt-Stiftung oder als Projektmittel direkt vom BMBF ebenfalls hoch kompetitiv vergeben.
Wie lässt sich nun dieser Teufelskreis durchbrechen? Das 1000-Professuren-Programm ist dafür auch keine echte Lösung, schafft es doch nur Juniorprofessuren für eine Dauer von fünf Jahren, die danach im Falle der Entfristung als W2- oder W3-Stellen erneut von Ländern bzw. den Universitäten finanziert werden müssen, ohne dass mit einem echten Aufwuchs an Planstellen zu rechnen ist.
Hier ist radikal neu zu denken: Herausragende jüngere Kolleginnen und Kollegen sollten die Chance erhalten, sich aus einem sehr gut ausgestatteten Pool, dessen Finanzierung der Bund übernehmen würde, auf Juniorprofessuren (mit Tenure Track) oder auch auf unbefristete W2-Professuren zu bewerben, die ausschließlich ad personam vergeben werden. Ausgestattet mit einer solchen Professur steht es den derart Ausgezeichneten frei, sich ein Institut ihrer Wahl auszusuchen, an dem sie arbeiten möchten. Sollten sie später einen Ruf an eine andere Universität erhalten oder erfolgreich Bleibeverhandlungen führen, muss ihre künftige Finanzierung von der entsprechenden Universität übernommen werden, ihre Stelle geht zurück in den Pool und kann an die nächste Generation jüngerer Kolleginnen und Kollegen vergeben werden. Es sollte doch möglich sein, in diesem forschungsstarken Land, Bund und Länder an einen Tisch zu bringen, um dem Bund auf diese Weise zu erlauben, die Universitäten zu stärken, vor allem aber herausragenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern größere Perspektiven innerhalb des akademischen Systems zu bieten. Zugleich könnte eine solche Initiative dazu beitragen, die Säulen unserer akademischen Ausbildung, nämlich die Universitäten, im Vergleich zu den großen ausschließlich aus Bundesmitteln finanzierten Forschungsinstitutionen nicht weiter ins Hintertreffen geraten zu lassen.
Achim Stephan ist Professor für Philosophie der Kognition und Leiter der Arbeitsgruppe Philosophy of Mind and Cognition am Institut für Kognitionswissenschaft an der Universität Osnabrück. Zugleich ist er Ko-Sprecher des bi-lokalen Graduiertenkollegs Situated Cognition und Sprecher des Senats der Universität Osnabrück. Von 2012 bis 2015 war er Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie (GAP), seit 2017 ist er Präsident der European Philosophical Society for the Study of Emotions (EPSSE). Seine wissenschaftlichen Hauptinteressen gelten Fragen zur menschlichen Affektivität sowie Fragen zu reduktiven Erklärungen und Theorien der Emergenz.