Was hält uns als demokratische Gesellschaft zusammen?

Prof. Dr. Dr. hc. mult. Otfried Höffe im Gespräch mit Dr. Sarah Rebecca Strömel

Ist die demokratische Gesellschaft stabiler, als viele konstatieren? Dem Abgesang auf die demokratische Gesellschaft hält Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otfried Höffe (Universität Tübingen) eine optimistische Perspektive entgegen: Zahlreiche Faktoren hielten uns auch in Krisenzeiten zusammen. Und WissenschaftlerInnen dürften nicht der Versuchung verfallen, sich des Renommees wegen als „kritische Stimmen“ zu profilieren, die ungerechtfertigt schwarzmalen. Im Gespräch mit Dr. Sarah Rebecca Strömel (Universität Regensburg) beantwortet Höffe folgende Fragen:

00:00 Herzlich Willkommen, Herr Prof. Höffe!

01:00 In der Politikwissenschaft, in der Politischen Philosophie und Theorie, aber auch in breiteren gesellschaftlichen Diskursen haben derzeit Krisendiagnosen, Thesen rund um die Spaltung, den Zerfall und den Zusammenbruch der Demokratie oder der Gesellschaft, teilweise auch der Weltordnung Konjunktur. Sie hingegen fokussieren sich in einer Ihrer Publikationen auf die Frage „Was hält unsere Gesellschaft noch zusammen?“ Wie kommt es Ihrer Einschätzung nach zu den vielen pessimistischen und eher destruktiven Diagnosen – warum finden Diskussionen über die Frage danach, was uns zusammenhält, nicht so viel Anklang, wie Sie ja selbst ausdrücklich schreiben?

02:53 Was sind die Faktoren, die historisch für die Stabilität unseres Zusammenlebens gesorgt haben?

04:04 Welche Faktoren halten Sie mit Blick auf den gegenwärtigen Zusammenhalt in unserer Demokratie für entscheidend und inwiefern unterscheiden sie sich gegebenenfalls von den historischen Komponenten?

05:27 Auch eine gemeinsame, geteilte Sprache, durch die wir uns über unsere Wertvorstellungen, Ansichten, Einstellungen und politischen Bedürfnisse austauschen können, halten Sie für essenziell, um langfristig Zusammenhalt zu gewährleisten. Wenn man bedenkt, dass verschiedene Milieus und soziale Schichten, teilweise auch Altersgruppen oder regionale Gruppen unterschiedliche Sprache sprechen, nämlich verschiedene Dialekte oder Wörter nutzen, teils auch andere Ansprüche an Sprache haben oder sich in Form von digitalen Communities abschotten – wie kann eine gelungene, verbindende öffentliche Kommunikation dann gelingen?

07:25 Der Religion sprechen Sie ja einerseits durchaus eine verbindende, gemeinschaftsstiftende Rolle zu, andererseits aber eben nur unter einer Bedingung, nämlich der interreligiösen Toleranz. Ist diese interreligiöse Toleranz Ihrer Einschätzung nach in unserer Demokratie momentan gegeben und was können wir tun, um die interreligiöse Toleranz zu stärken?

10:27 Ein Aspekt, der bei der Diskussion um gesellschaftliche Spaltung oder umgekehrt gesellschaftlichen Zusammenhalt häufig vergessen wird, den Sie in einer Ihrer Publikationen aber erwähnen, ist der demografische Wandel. Wie können wir das intergenerationelle Band zwischen Jung und Alt weiter stärken und wie wichtig ist diese Dimension für die Stabilität der Demokratie?

11:57 Eine Gefahr, die hingegen immer genannt wird, wenn es um die Spaltung der Gesellschaft geht, ist der Populismus. Nicht nur in Deutschland, sondern im Grunde weltweit haben populistische, vor allem rechtspopulistische Parteien und Bewegungen derzeit Konjunktur. Für wie gefährlich halten Sie diese Tendenzen und wie sollten wir im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts mit ihnen umgehen?

14:11 Zum Abschluss: Glauben Sie daran, dass unser gesellschaftlicher Zusammenhalt derzeit stark genug ist, um auch künftigen Bedrohungen gewachsen zu sein?