06 Mai

Die Krise der Rechtswissenschaften vor dem Hintergrund von COVID-19, KI und Klimawandel

Von Christoph Winter (Mexiko-Stadt / Cambridge, MA)


Armin Steinbach fragte jüngst, wo der konstruktive und lösungsorientierte Beitrag des Rechts zur Krisenbewältigung bleibe? Den Grund für das Ausbleiben dessen und den derzeitigen Fokus auf den mahnenden Zeigefinger schiebt er gleich hinterher: Demut! Der ausbleibende Beitrag ließe sich demnach auf den „bescheidenen professionalen Habitus der Juristen“ zurückführen.

Ich habe diesbezüglich meine Zweifel. Vielmehr glaube ich, dass Juristinnen, jedenfalls wenn sie sich weiterhin auf den traditionellen rechtswissenschaftlichen Methodenkompass verlassen und dabei insbesondere jede bewusste Aufrechnung unterschiedlicher Interessen unterlassen, schlichtweg wenig beizutragen haben. Dies liegt zum einen an einer in Deutschland bekanntermaßen eindimensionalen Ausbildung. Zum anderen an den mitunter wenig aussagekräftigen zentralen Verfassungsprinzipien, die in Hinblick auf die innerhalb der Debatte zentralen trade-offs nur wenig (Menschenwürde) oder (fast) gar keine (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) Orientierung geben. Näher werde ich in diesem Beitrag nur auf die verfassungstheoretische Komponente eingehen. Dabei wird deutlich, dass die Rechtswissenschaften nicht nur im Kontext der aktuellen Pandemie der Bedeutungslosigkeit entgegensteuern. Sofern sie ihre ausgeprägte Aufrechnungsaversion nicht ablegen sollten, stehen sie vor einer schweren Krise.

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