31 Mrz

Epistemische Verletzlichkeit und gemachte Unwissenheit

von Christina Schües (Lübeck)


Verletzlichkeit

Das Gefühl, in die Unwissenheit verbannt zu werden und seinen Sinnen nicht mehr trauen zu können, macht Menschen verletzlich. Verletzlichkeit ist ein Begriff, der sich auf das Leben, den Körper, die Sprache, Gefühle, aber auch die Wissensordnung bezieht. Die Verletzung gehört in den Bereich einer negativen Sozialphilosophie, die davon ausgeht, was normativ nicht sein soll. Verletzlichkeit bedeutet, dass jemand noch nicht verletzt ist, dass aber durchaus eine Empfindlichkeit, eine Sensibilität, eine Beziehungskomponente, ein Verhältnis existieren, welche Verletzungen – die nicht sein sollen – möglich machen. Der Begriff der Verletzlichkeit richtet sich auf die existentielle körperliche, sprachliche, soziale oder rechtliche Unsicherheit oder Zerbrechlichkeit der einzelnen Person und deren Beziehungen. Menschen sind anderen ausgesetzt und mehr oder weniger verletzlich entsprechend innerer und äußerer Faktoren. Diese Faktoren richten sich nicht nur auf Bedingungen der körperlichen Konstitution oder der Umwelt, sie beziehen sich auch auf die Wissens- und Rechtsordnung einer Gesellschaft, nämlich dann, wenn gefragt wird, wer gehört wird und wer überhaupt ein Unrecht als Unrecht im politisch-ethischen Sinn formulieren kann.

Weiterlesen