01 Apr

Seuchen, Ängste und die Ordnung der Gesellschaft – Was die Corona-Pandemie mit Zombies und Vampiren zu tun hat

Von Andrea Klonschinski (Kiel)

1. Einleitung

Durch die ersten Berichte über die Corona-Epidemie in Wuhan sowie die zunächst nur drohende, dann aber schnell tatsächlich stattfindende globale Ausbreitung des Virus („Das Virus ist jetzt in Europa!“ – „Erster Infizierter in Italien!“ – „Erster Fall in Deutschland!“), fühlte ich mich anfangs schmunzelnd, dann zunehmend beunruhigt an jüngere Horrorfilme, wie 28 Days Later (Danny Boyle, 2002) und I am Legend (Francis Laurence, 2007) oder die Serie The Walking Dead (AMC, seit 2010) erinnert. Bilder von menschenleeren Straßen oder Plätzen, auf denen sich sonst dicht gedrängt Einheimische und Touristen tummeln, haben diese Assoziation und das Gefühl, sich einer unheimlichen und surrealen Lage zu befinden, noch verstärkt. Genau wie in unserer aktuellen Situation ist auch in den genannten Filmen eine Virus-Pandemie Schuld an solchen Bildern und Berichten – anders als bei uns hat dieses Virus dabei bereits den Großteil der Menschheit dahingerafft und in blutrünstige Zombies verwandelt. Diese gedankliche Verbindung von Corona-Pandemie und Zombie-Apokalypse mag auf den ersten Blick makaber und unangemessen wirken. Ich meine aber, dass eine Weiterverfolgung dieser Assoziation uns helfen kann, die aktuelle Situation und unsere damit verbundenen Ängste reflektieren und damit die Bedrohlichkeit der Corona-Pandemie für uns als Individuen, aber auch als Gesellschaft besser einordnen zu können.

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11 Feb

Vom Horror der Philosophie. Ein Essay zu Friedrich Nietzsches 175. Geburtstag

von Eike Brock (Bochum)


„Mein heutiges Leben ist alles andere als glücklich, aber durch die Antidepressiva habe ich einen Boden unter den Füßen.“

(Jamie Morton in Stephen Kings Revival)

I. Trudeln mit Descartes

In René Descartes’ Meditationes de prima philosophia (1641) ist es besonders augenfällig: Die Philosophie – ich schere hier Vielgestaltiges großzügig über einen Kamm – verfügt über ein ausgezeichnetes Talent: Sie ist in der Lage, dem Menschen sogar dann den Boden unter den Füßen wegzuziehen, wenn sie eigentlich angetreten ist, um ein stabiles Fundament zu errichten, auf dem sich bauen lässt. Genau genommen handelt es sich natürlich nicht um ein Talent, sondern eher um eine unheilvolle Konsequenz, die sich daraus ergibt, dass die Philosophie als begründende Wissenschaft den Dingen auf den Grund geht. Spätestens seitdem Gott verstorben ist,[1] stoßen Philosophinnen und Philosophen bei ihren Ergründungen regelmäßig auf Abgründe, in die sie manchmal auch hinabstürzen. Ebenso wäre es auch Descartes ergangen, der freilich noch ein Zeitgenosse Gottes war, den er aber während seiner Überlegungen zunächst ausklammerte. Hätte Descartes an einem bestimmten Punkt seines Nachdenkens unter Aufbietung aller Magie seines beeindruckenden Verstandes nicht vermittels gleich zweier scharfsinniger, letztlich dann aber doch nicht vollständig überzeugender Gottesbeweise doch wieder Gott aus dem Hut gezaubert, so wäre er gewiss gefallen.

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