15 Jun

Der neue SWIP Good Practice Guide „Vereinbarkeit“ – Teil 2

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg)


Bekannterweise sollte es uns als Philosoph:innen nicht nur darum gehen, die Welt besser zu verstehen, sondern wir sollten auch einen Beitrag dazu leisten, sie zum Besseren zu verändern. Dies gilt insbesondere für unsere eigene wissenschaftliche Community, also denjenigen Ausschnitt der Welt, in dem wir uns als Philosoph:innen berufsbedingt herumtreiben. Die vorliegende Reihe zum Thema „Vereinbarkeit“ soll beides leisten: Zum einen soll sie Personen, die (noch) ohne Sorgeverantwortung im Wissenschaftsbetrieb unterwegs sind, verdeutlichen, was Personen, die (bereits) Sorgeverantwortung für andere übernehmen, schmerzlich bewusst ist – nämlich dass es mit der Vereinbarkeit wissenschaftlichen Arbeitens und der Sorge um andere Menschen meist nicht weit her ist. Zum anderen sollen aber auch konkrete Vorschläge zur Diskussion gestellt werden, wie wir diese Situation als Community verbessern können. Im neuen SWIP Good Practice Guide zum Thema „Vereinbarkeit“ haben wir einige dieser Vorschläge gesammelt, die wir hier nun kurz vorstellen wollen (den vollständigen Guide gibt es hier, Teil 1 der Vorstellung des Guides auf praefaktisch hier).

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23 Mai

It’s the structure, stupid! – Ein persönlicher Erfahrungsbericht zur Vereinbarkeit von Academia, anderen Arbeitsbereichen und Care-Aufgaben

Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden:


Von Bettina Bohle


Ich hänge nur noch am Zipfel des Wissenschaftssystems. Eine Vereinbarkeitsfrage stellt sich mir – als Mutter und mit mehreren Leuten in meinem engen Umfeld, die mit psychischen Krankheiten kämpfen – von einer äußeren Warte, die teils so weit weg vom sog. Wissenschaftsbetrieb entfernt ist, dass ich gar nicht mehr recht weiß, ob es überhaupt noch als Perspektive auf Academia zählt. Aber ich habe knapp 20 Jahre dort verbracht, erst 6 als Studentin, dann 6 als Doktorandin und schließlich rund 7 als PostDoc oder „Nachwuchs“-Wissenschaftlerin. Nun bin ich Lehrbeauftragte an zwei verschiedenen Unis, bewerbe mich sporadisch auf Stellen, habe einen festen Job im Kulturmanagement außerhalb der Uni. Und weiß nicht, ob ich noch mal einen Anlauf nehmen soll, mehr in dieses System Uni hineinzukommen. Ob es sich lohnt. Ob es nicht besser so ist.

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11 Mai

Von Pilzen und Wissenschaftler*innen. Gedanken zur „Vereinbarkeit“ von Wissenschaft und Leben

Von Tina Jung (Magdeburg)

In seinem 1642 erschienen Werk „De Cive. Über den Bürger“ schreibt Thomas Hobbes über den Naturzustand: „Wir wollen (…) annehmen, daß die Menschen gleichsam wie Schwämme plötzlich aus der Erde hervorgewachsen und erwachsen wären, ohne daß einer dem andern verpflichtet wäre.“ (Hobbes, 2014 [1642], S. 166) Seyla Benhabib hat diese in der westlichen politischen Ideengeschichte einflussreiche Hobbes’sche Vision von Menschen, die wie Pilze aus der Erde ploppen, bereits in den 1980er Jahren als ultimative männliche (und narzisstische) Fiktion von Autonomie entlarvt, die den basalen Umstand menschlicher Abhängigkeit und Angewiesenheit verleugnet. Kritische Auseinandersetzung mit diesem Menschenbild bleibt gleichwohl nötig, und zwar auch mit Blick auf den Wissenschaftsbetrieb. Das vorherrschende Idealbild der wissenschaftlichen Persönlichkeit ist den Hobbes’schen Pilzen nicht unähnlich. Dabei ist der Anspruch auf ein gutes Leben in- und außerhalb der Wissenschaft mehr ist als „nur“ eine Frage der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie.

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25 Apr

(M)Einen Vater pflegen

von Almut Kristine v. Wedelstaedt (Universität Bielefeld)


Mein Vater ist spät Vater geworden. Als ich promoviert hatte, war er schon alt. Ich entschied damals, das Kinderkriegen nicht länger aufzuschieben. Das Kinderkriegen, wie das manchmal so ist, dauerte aber. Und so war mein Vater, als ich mein Kind bekam, nicht nur alt, sondern auch krank. Die Diagnose Demenz stand zu dem Zeitpunkt noch nicht fest, aber es war offensichtlich, dass er vieles allein nicht mehr konnte. Er, der die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens jeden Tag 10 km gelaufen war, konnte nicht mehr laufen, stürzte immer wieder, verletzte sich dabei, manchmal schwer. Haushalt war ohnehin nie seine Stärke, auch das verschlimmerte sich. Alleinstehend wie er war, brauchte er eigentlich bei allem Unterstützung: Einkaufen, Putzen, Kochen, Körperpflege, Postbearbeitung, Arztbesuche, Medikamenteneinnahme, Tagesplanung. Es kam nach und nach, aber es kam alles.

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13 Apr

Der neue SWIP Good Practice Guide „Vereinbarkeit“ – Teil 1

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg)


Die Herstellung von Vereinbarkeit wird heute als fester Bestandteil moderner Familienpolitik verstan­den und auch in den Hochschulen ist das Thema längst angekommen. Es findet sich in den meisten Leitbildern deutscher Hochschulen, die überdies mittlerweile reihenweise als familienfreundlich zertifiziert sind. Diese Selbstverpflichtungen betreffen zwar nicht allein Vereinbarkeitsprobleme der an Hochschulen akademisch tätigen Personen, aber gerade hier scheinen die Probleme nach wie vor gravierend zu sein und sich allzu leichten Lösungen zu entziehen. Vor allem lassen sich diese Probleme sicherlich nicht allein auf Leitungsebene lösen, sondern müssen in der Breite angegangen werden – das heißt auch innerhalb Philosophischer Institute. Wie kann man dort also für Verbesserungen sorgen und warum muss man das überhaupt noch? Einige Ideen und Vorschläge dazu liefert der neue Best Practice Guide „Vereinbarkeit“ der Society for Women in Philosophy Germany e.V. Ehe wir diese im zweiten Teil vorstellen, wird es hier aber zunächst um ganz grundlegende Fragen danach gehen, was wir unter Vereinbarkeit verstehen und wo wir momentan Probleme sehen.

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08 Feb

Call for Blogposts: Vereinbarkeit von akademischem Arbeiten und anderen wertvollen persönlichen Projekten

Hochschulen sind inzwischen reihenweise als familienfreundlich zertifiziert, aber das heißt nicht, dass sich die Arbeit in der akademischen Philosophie mit der Sorge um Kinder, pflegebedürftige Eltern oder andere nahestehende Personen leicht vereinbaren lässt. Vielmehr erscheint beides oft nahezu unvereinbar: Der üblichen Kitaschließzeit am Nachmittag stehen gängige Vortragstermine am Abend gegenüber; der geforderten vollen Konzentration auf den zu schreibenden Artikel die Sorge darum, dass der nächste befristete Arbeitsvertrag zur Pendelei weg von den dementen Großeltern zwingt; und der Muße, die es für kreative gute Ideen braucht, das ewige Zerren der vielen beruflichen und privaten Verpflichtungen, die einen mitunter zweifeln lassen können, ob man ohne dauernde Überstunden überhaupt konkurrenzfähig ist. Diskussionen aus dem vorigen Jahrhundert, könnte man meinen, aber für viele immer noch Realität. Zudem keine leicht zu bearbeitende, denn die Probleme sind vielfältig und entziehen sich daher oftmals einer einfachen Lösung. Beispielsweise passt der oft gemachte Vorschlag, alle Termine in die Kernarbeitszeiten zu legen, in der Regel nicht zum Wunsch pendelnder Care-Arbeitender, die ein großes Interesse daran haben, nicht unbegrenzt Zeit an ihrem Arbeitsort zu verbringen, Pendelei aber ist für viele aufgrund der langen Befristungszeiten unumgänglich.

In einer neuen Reihe auf prae|faktisch möchten wir Beiträge zu diesem Thema versammeln: Welche konkreten Probleme gibt es? Wie wirken strukturelle und individuelle Ebene hier zusammen? Welche Lösungen sind für welche Situationen erprobt? Welche Lösungen könnte man sich vorstellen, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Und was gibt es bei dem Ganzen noch zu bedenken? 

Wir freuen uns über Einreichungen zu diesen und anderen Fragen, wobei Personen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlichster Rollen im akademischen System und unterschiedlicher Statusgruppen zu Wort kommen sollen. Erwünscht sind drei Arten von Beiträgen: Antworten auf die Frage, was schief läuft (testimonials), Antworten auf die Frage, wie es besser gehen könnte (best practise), sowie Antworten auf die Frage, wie es in einer idealen Welt besser gehen könnte (Utopie). Ggf. werden wir anonyme Beiträge möglich machen.

Die formalen Vorgaben für Blogbeiträge auf praefaktisch sind hier.

Dieser Themenblock wird von der AG Vereinbarkeit der SWIP (Society for Women* in Philosophy Germany) betreut und herausgegeben. Vorschläge für Texte bitte an Prof.in Christine Bratu schicken: christine.bratu@uni-goettingen.de.