Die Feminist Killjoy und die Realität der Feministischen Philosophie

Von Lena Eckert und Steffi Hobuß (Lüneburg)


Als Feminist Killjoy hat man es nicht leicht, denn die feministische Praxis des Spaßverderbens macht keinen Spaß. Das betrifft auch universitäre Strukturen: Dort ist feministische Philosophie zwar theoretisch einigermaßen anerkannt, darauf basierender feministischer Praxis wird jedoch häufig mit Genervtheit und Ablehnung begegnet. Was macht das mit dem:der feministischen Philosoph:in und der feministischen Philosophie, wenn man wieder und wieder das Gefühl hat, gegen dieselben Widerstände anzuarbeiten?

„Feeling worn down: I think feminist killjoys are familiar with this feeling, that sense of coming up against the same thing, whatever you say or do.“ (Ahmed 2017: 164)

So heißt es in Sara Ahmeds „Living a Feminist Life“. Ahmed entwickelt darin die Figur der Feminist Killjoy, die eine „positive Umdeutung dessen [ist], was Gegner:innen als Sprachpolizei bezeichnen“ (Fischer/Hobuß 2021: 47). In ihrem Auftreten als Spaßverderberin eignet sich die Feminist Killjoy „die negativ konnotierte Rolle der kontrollierenden Feministin an, um sich aktiv gegen Sexismus und Diskriminierung zu positionieren“ (ebd.). Ahmed führt aus:

„A retooling might take this form: if naming sexism is understood as policing behavior, then we will be feminist police. Note that retooling antifeminist figures does not agree with the judgment (that to question sexism is to police) but rather disagrees with the premise by converting it into a promise (if you think questioning sexism is policing, we are feminist police).” (2017: 2)

Eine Feminist Killjoy weiß also, dass sie als Spaßverderberin aufgefasst werden wird. Und noch bevor das passiert, eignet sie sich die Bezeichnung an und macht sie zu ihrer Rüstung. Wenn man sexistische und diskriminierende Strukturen stört, braucht man nämlich eine Rüstung. Das liegt vor allem daran, dass es eine körperliche Praxis ist, als Feminist Killjoy aufzutreten und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen:

„The killjoy appears again here: the one who gets in the way of the happiness of others by the way she appears. […] bodies need to get in the way to open up a world to others.“ (2017: 184)

Also: Die Feminist Killjoy stellt sich Sexismus und Diskriminierung aktiv entgegen und stört dabei eingeschliffene Abläufe. Das bedeutet, dass sie anderen den Spaß verdirbt – sie setzt sich gezielt den wahrscheinlich nicht wohlwollenden Reaktionen aus. Das ist nötig, um die kritisierten Strukturen zu stören: Die rollenden Augen, die taxierenden Blicke, das Verschränken der Arme – all das sind Zeichen, dass die Feminist Killjoy ihre Sache gut macht.

So weit, so gut. Theoretisch. Aber was ist mit der Praxis? Im besten Fall bringt man es über sich, ins allgemeine Grinsen oder Nicken ein „Aber“ einzuwerfen. Ein „Aber“, das laut genug ist, um gehört zu werden, und selbstbewusst genug, um einigermaßen ernst genommen zu werden. Aber nicht zu laut, damit sich niemand zu einem Dagegen-Anbrüllen provoziert fühlt. Und nicht zu selbstbewusst, damit sich niemand bedroht fühlt und dann der Diskussion verschließt.

Ob dieses sorgfältig ausbalancierte und verpackte „Aber“ dann empathisch aufgenommen wird, ist trotzdem ungewiss. Oder naja, so ungewiss eben, wie es ist, dass eine Störung empathisch aufgenommen wird. Die Befürchtung, dass es unangenehme Reaktionen gibt, ­– die ist es, die die Praxis erschwert. Dann geht es nämlich nicht mehr um Argumente und den feministischen Kampf für Gerechtigkeit. Dann geht es darum, dass eine Person stört. Es geht nicht um Inhalte, es geht um eine Person. Nicht um die Anliegen dieser Person, sondern um die Person selber, um ihre Legitimität und ihr Verhältnis zu den anderen Personen. Kurz: Es geht um Macht und Machtstrukturen.

Das Spaßverderben ist das größte Problem an der feministischen Praxis – und nicht etwa das Suchen und Formulieren feministischer Argumente. Es macht ja – obwohl das Killjoys oft unterstellt wird – keinen Spaß, anderen den Spaß zu verderben, eben weil man mit unangenehmen Reaktionen rechnen muss. Man mag seine Argumente noch so oft durchdacht haben und sie noch so sorgfältig formulieren können – ab dem Moment, in dem man sie ausspricht, setzt man nicht nur sie, sondern auch und vielmehr sich als Person der Aufmerksamkeit und der potentiellen Kritik der anderen aus. Mit dem mindestens impliziten Vorwurf, man solle sich mal nicht so anstellen. Als ginge es ums Spaßverderben um des Spaßverderbens Willen.

Diese Mechanismen sind auch an Universitäten wirksam, und zwar auf allen hierarchischen und Karriere-Ebenen, bei Student*innen, Wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, Professor:innen, Mitarbeiter:innen in Technik und Verwaltung. An dem Ort, wo, so könnte man meinen, Rationalität und Reflektiertheit über allem stehen sollten. Nein, auch an diesem Ort geht es um Macht und Machtstrukturen. Und auch an diesem Ort haben es Feminist Killjoys schwer. Das beschreibt Reyhan Şahin: In ihrem Kapitel zur „Fuckademia“ (2021: 243-291) geht es darum, wie ihre Erwartung, dass Bildung und Wissen an der Universität die Wirksamkeit machistischer und sexistischer Strukturen einschränkten, enttäuscht wurde.

Sie verweist zusätzlich auf die Mehrfachbenachteiligung, die daraus resultiert, dass es selbst im feministischen Diskurs wenig Beachtung gebe „für Untersuchungen, die sich mit der Rolle von Frauen und LGBTQI*s mit Migrationsbackground im deutschen Wissenschaftsbetrieb befassen“ (247). Auch Professorinnen würden hier allzu oft „nach unten treten“ (248). Wie lässt sich das Nach-unten-Treten in feministischer Theorie und Praxis beenden? Hier geht es um die Praxis eines intersektionalen Feminismus. Und zwar nicht um einen, dem es darum geht, „alles wieder in Ordnung zu bringen“. Diesen bezeichnet Soumeya Mestiri als „hyperkolonial“ (2019: 25), weil er einhergeht mit der Haltung, inkommensurable Differenzen unter Feministinnen zu negieren.

Sara Ahmed sieht hier die Notwendigkeit einer anderen Feminist Killjoy, die eben nicht den Anspruch hat, „alles wieder in Ordnung zu bringen“:

„a feminist killjoy who kills feminist joy. To talk about racism within feminism is to get in the way of feminist happiness. If talking about racism within feminism gets in the way of feminist happiness, we need to get in the way of feminist happiness.“ (177)

Ist hier eine „feminist happiness“ gemeint, die durch koloniales Gleichmachen und Farbenblindheit entsteht, dann hat sie es verdient, gestört zu werden. Eva von Redecker spricht in ihren Analysen zur Revolution von einem „störrische[n] Beharren auf etwas, das sich dem hegemonialen Blick gar nicht richtig verständlich machen lässt“ (2020). Solch ein störrisches Beharren treibt auch die Feminist Killjoy an, die ja nicht das Spaßverderben um seiner selbst willen zum Ziel hat, sondern die Revolution.

Feministische Philosophie hat nicht zuletzt Empowerment zum Ziel – aber beide stoßen bei der Praxis teilweise an ihre Grenzen: Spaßverderben wird nicht immer leichter dadurch, dass man dessen feministisch-philosophisches Konzept kennt. Im Gegenteil: Dadurch weiß man in den betreffenden Situationen oder spätestens im Nachhinein noch genauer, was man hätte tun müssen, aber nicht getan hat. Man weiß zwar auch, warum man also das Spaßverderben lieber gelassen hat, aber dennoch: Es bleibt der Eindruck, dass man mehr hätte machen müssen.

Das fühlt sich an wie ein Bruch zwischen Feministischer Philosophie und ihrer Umsetzung in die Praxis. Und der ist besonders für feministische Philosoph:innen schwer auszuhalten, denn er verläuft quasi durch sie hindurch. Ihr gefühltes Scheitern am eigenen Anspruch ist ein doppeltes: Erstens daran, die eigene Philosophie in die Praxis umzusetzen, und zweitens daran, eine Philosophie zu entwickeln, die in die Praxis umsetzbar ist und also wirklich einen Beitrag zur Verbesserung der Umstände leistet, die sie kritisiert.

Als feministische:r Philosoph:in ist man ständig damit konfrontiert, dass man dafür bezahlt wird, feministische Philosophie zu betreiben. Betreibt man sie aber und versucht man sie womöglich noch in der eigenen Institution in die Praxis umzusetzen, so ist es eben diese Institution mit ihren Strukturen, die einem entgegensteht. Die Institution fördert und ermöglicht feministische Philosophie also einerseits, andererseits ist sie sehr bedacht darauf, sich nicht den Spaß verderben zu lassen – und sitzt letzten Endes immer am längeren Hebel.

Sara Ahmed trat 2016 aus Protest gegen den Umgang mit Vorwürfen sexueller Belästigungen von Studierenden durch Lehrende von ihrer Stelle an der Universität London zurück und arbeitet seither als freie Wissenschaftlerin und Autorin. Aber sie besteht darauf, auch und gerade aus all den erschwerenden Bedingungen und den Gefühlen des Scheiterns etwas Empowerndes zu ziehen:

„But the experiences we have are not just of being worn down; these experiences also give us resources. What we learn from these experiences might be how we survive these experiences.“ (2017: 235)


Dr. Steffi Hobuß und Lena Eckert (M.A.) sind Sprachphilosophinnen und arbeiten zusammen im Lehrentwicklungsprojekt „Debattenkulturen: Rhetorik – Performanz – Medialität“ am College der Leuphana Universität Lüneburg. Dr. Steffi Hobuß ist seit 2017 Akademische Leiterin des Leuphana College. Lena Eckert studierte an der Leuphana Universität sowohl im Bachelor als auch im Master Kulturwissenschaften. Sie schloss ihr Studium 2020 mit einer Arbeit zum „Charakter des Sprechens im Deutschen Bundestag“ ab.


Literatur

Ahmed, Sara (2017): Living a Feminist Life. Duke University Press.

Fischer, Caja und Hobuß, Steffi (2021): Geschlechtergerechte Sprache als ‚Sprachpolizei‘ oder ‚Politicall Correctness‘?, in: Sigl, Johanna et al. (Hg.): Facetten des Antifeminismus. Angriffe und Eingriffe in Wissenschaft und Gesellschaft. Alma Marta.

Mestiri, Soumaya im Gespräch über ihr Buch „Décoloniser le féminisme“ (2019). In: Hobuß, Steffi et.al. (Hg.): Tunesische Transformationen.- Bielefeld (transcript), S. 21-38.

Redecker, Eva von, im Interview mit Christian Tschirner und Lynn Takeo Musiol (2020): ¡Revolución, sí! Verfügbar unter: https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=17999:inside-endzeit-texte-zur-klimakrise-5-interview-mit-der-philosophin-eva-von-redecker-ueber-die-moeglichkeiten-einer-revolutionaeren-umgestaltung-unserer-wirtschafts-und-lebensverhaeltnisse&catid=101&Itemid=84 (Letzter Abruf 31.1.22)

Reyhan Şahin aka Dr. Bitch Ray (42021): Yalla, Feminismus! – Tropen, S. 243-291.