15 Nov

Sehnsucht nach Wissenschaft. Die romantische Universität

Von Markus Steinmayr (Duisburg-Essen)


Die Idee der romantischen Universität wird in unterschiedlichen Formen und Textsorten entwickelt. Es gibt Verwaltungsschriften wie Humboldts berühmte „Denkschrift über die äußere und innere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“ aus dem Jahre 1809. Anders blickt zum Beispiel Joseph von Eichendorff auf Sache und Funktion der Universität. In „Halle und Heidelberg“ wird die Universität zu einer romantischen Figur, die eine Bastion gegen die Zeitläufte darstellt. Andererseits, darauf hat Theodor: Ziolkowski in „Das Amt der Poeten. Die deutsche Romantik und ihre Institutionen“bereits 1994 aufmerksam gemacht, gibt es wohl in keiner literarischen Epoche so viele studentische Helden und Passagen, die die Universität und ihre Probleme in den Mittelpunkt rücken. Schließlich ist Achim von Arnims Hollin ein Studienabbrecher, Ernst Theodor Hoffmanns Nathanael aus „Der Sandmann“ ein dem Wahnsinn verfallender Student der Physik, Anselmus aus Hoffmanns Kunstmärchen „Der goldene Topf“ ein Student der Theologie. Viele firmieren als Figuren des Anti-Akademischen, in der die Frage nach der wahren Bildung verborgen liegt.

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02 Aug

Symphilosophie und Provokation. Zu Friedrich Schlegels 250. Geburtstag

Von Johannes Korngiebel (Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar)


Friedrich Schlegel, dessen Geburtstag sich am 10. März 2022 zum 250. Mal jährt, war ein Denker der Moderne. Weitsichtig hat er deren Probleme, aber auch Potentiale erkannt. Sein Gesamtwerk lässt sich als Auseinandersetzung mit der um 1800 erstmals umfassend spürbaren Moderneerfahrung interpretieren. Dabei geht es Schlegel nicht nur um eine Analyse des Phänomens. Er entwickelt auch Lösungsansätze, um mit den Herausforderungen der Moderne produktiv umzugehen.

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07 Jun

Romantische Inszenierungen. Oder: Von Projekten und Beleuchtungszauber

Von Christian Jany (ETH Zürich)


Ist von „Romantik“ die Rede, stellt sich leicht Verwirrung ein. Die Bedeutung des Wortes ist unklar, der Gebrauch ambivalent, schillernd, schwer fassbar. Das zugrunde liegende Adjektiv „romantisch“ kann laut Lexikon soviel wie schön, empfindsam, stimmungsvoll, tiefsinnig, geheimnisvoll, malerisch, aber auch schräg, rührselig, abenteuerlich, weltfremd, unrealistisch, schmalzig bedeuten. Gegensätzliches prallt in dem Wort aufeinander, ja es versetzt regelrechte Antithesen – Fantasie und Verstand, Sentimentalität und Ironie, Kontrolle und Ekstase, Kunst und Kitsch – in eine paradoxe Einheit. Paradoxe Analogiebildungen und Wechselbestimmungen stehen darum nicht selten im Zentrum dieses nicht nur deutschen, sondern europäischen „Faszinationsbegriffs“ (Karlheinz Stierle).

Die Unsicherheit darüber, was das Romantische sei, steht tatsächlich am Anfang der literaturhistorischen Epoche der Romantik. Im November 1797 schreibt Friedrich Schlegel, einer der Cheftheoretiker der frühen Romantik, seinem Bruder: „Meine Erklärung des Worts romantisch kann ich Dir nicht gut schicken, weil sie – 125 Bogen lang ist!“ Er vertröstet den Bruder auf die Zukunft: „Lass mir das immer.“ Dass diese ausufernde Definition jemals vorlag, ist unwahrscheinlich. Eher handelte es sich um ein Projekt, das der Tausendsassa und Vielschreiber Friedrich Schlegel nebst so vielen anderen Projekten auch einmal in Angriff nehmen wollte.

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17 Mai

Romantischer Republikanismus

Von Philipp Hölzing (Berlin)


»Gut für die Poesie, schlecht für die Politik.«[1] So lautet ein geläufiges Urteil über die Romantik, die als Entstehungsherd des modernen Irrationalismus gilt und vom Nationalsozialismus bis zu den heutigen Querdenkern für Allerlei verantwortlich sein soll. Dagegen wird hier die These verfochten, dass wir am Beispiel Friedrich Schlegels in der Frühromantik eine progressive politische Philosophie antreffen, die eine Radikalisierung des politischen Denkens der Aufklärung betreibt. In Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution, mit dem philosophischen Denken seiner Zeit und insbesondere mit Immanuel Kant radikalisiert Schlegel dessen kosmopolitischen Republikanismus.

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26 Apr

Zum 250. Geburtstag: über Schlegels „wirklich schlechtes Buch“ und warum es gelesen werden sollte

Von Max Brinnich (Wien)


Friedrich Schlegel wurde sicher für vieles hochgerühmt, für manches aber gleichermaßen tief verdammt: sein Konzept der Universalpoesie etwa, das keine Grenzen mehr kennt, zwischen Literatur und Philosophie einerseits und zwischen Kunst und Natur und Leben und Poesie andererseits, oder auch sein frühes Verständnis der Grundzüge der hermeneutischen Methode und des Perspektivenwechsels, den diese erforderlich macht – dass einen Text zu verstehen eben weit weniger bedeutet, den ursprünglichen Intentionen seines Autors nachzuspüren, sondern vielmehr selbst Hand anzulegen, selbst Kritik zu üben –, aber auch seine tragende Rolle innerhalb der Romantik und noch vieles mehr haben ihn zeitlebens als feingeistigen Denker bekannt und später dann zu einer zentralen Figur der deutschsprachigen Ideengeschichte gemacht. Weniger bekannt sind seine literarischen Bemühungen. Diese haben seinen Ruhm nicht gerade vermehrt.

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15 Mrz

Mensch-Natur-Verhältnis revisited. Eine Replik auf Giulia Valpione

Von Kira Meyer (Kiel)


Giulia Valpione plädiert für die Wiederaufnahme romantischer Motive, um die Mensch-Natur-Beziehung neu zu konzeptualisieren. In ihrer Forderung nach einer notwendigen Überarbeitung dieses Verhältnisses möchte ich Valpione beipflichten, jedoch auf einen weiteren wichtigen Diskussionsstrang verweisen, der mir dafür unerlässlich erscheint: Die Berücksichtigung der Leiblichkeit des Menschen, wie sie in der (Neuen) Phänomenologie entwickelt wurde, und die darin begründete Zugehörigkeit zur Natur. Somit könnte dargelegt werden, was bei Valpione beziehungsweise den RomantikerInnen im Vagen verbleibt: Die behauptete Nähe des Menschen zur Natur ist in seiner Leiblichkeit begründet, den Leib als Natur zu verstehen würde zudem wichtige normative Implikationen sowie ein modifiziertes Freiheits-Verständnis mit sich bringen.

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15 Feb

Mensch und Natur in der Romantik – Eine romantische Ökologie

von Giulia Valpione (Padua)


Die Romantik reflektiert über die Stellung des Menschen innerhalb der Natur aus wissenschaftlich-naturwissenschaftlicher, metaphysischer und politischer Perspektive. In einer Zeit wie der heutigen, in der die Folgen der ökologischen Krise nicht mehr zu leugnen sind – Anstieg des Meeresspiegels, Verschlechterung der Luftqualität, zunehmende Dürre in ehemals fruchtbaren Gebieten, immer häufiger auftretende Wetterphänomene, die früher als „außergewöhnlich“ galten, und natürlich die aktuelle Pandemie – halte ich es für unerlässlich, zu den Werken der deutschen Romantiker (einschließlich F. Schlegel und Novalis) zurückzukehren, um nach konzeptionellen Werkzeugen zu suchen, mit denen wir unsere Beziehung zur Natur neu überdenken können.

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03 Feb

»Denken dichten. Philosophische Poetologien jüngerer und ältester Gegenwart« – Ein Vorwort

Von Florian Arnold (Stuttgart und Offenbach)


Lyrik genießt derzeit freudigen Zuspruch. Eine rege Szene, insbesondere im deutschsprachigen Raum, ist in den letzten zehn-fünfzehn Jahren durch weithin beachtete Veröffentlichungen, gutbesuchte Lesungen, aber auch poetologische-programmatische Reflexionen einem größeren Publikum bekannt geworden. Darunter finden sich Bestseller von einem späteren Büchner-Preisträger (Jan Wagners Regentonnenvariationen von 2014), experimentierfreudige Produktions- und Lebensgemeinschaften (kookbooks), aber auch parauniversitäre Forschungsprojekte (Spekulative Poetik) auf der Grenze zwischen Wissenschaft und Kunst. So fehlt es weder an euphorischen Suggestionen in einer neuen „Blütezeit der Lyrik“[1] zu leben noch an halbironischen Hassliebe-Bekundungen, von den Prätentionen dieser Gattung nicht lassen zu wollen, auch wenn ein beständiges Scheitern der Sache nach unvermeidlich, ja geradezu gefordert scheint.[2]

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25 Jan

Residuale ›Romantik‹ – im Vermissen des Fehlenden selbst

von Burkhard Liebsch (Bochum)


Der »Verfall« der Romantik, so wie er von Hegel über R. Huch, R. Welleck, O. Pöggeler und K. H. Bohrer bis hin zu R. Safranski beschrieben worden ist, war ihr vielleicht von Anfang an vorgezeichnet und bereits nach wenigen Jahren besiegelt. Ungeachtet dessen (oder vielmehr gerade deshalb) scheint es, als wolle die vorherrschende Trivialisierung des Romantischen nicht zum Ende kommen. Ein schöner Sonnenuntergang genügt, um in der Werbung genauso leicht den Anschein des Romantischen zu erwecken wie durch das notorisch Pittoreske und Idyllische, diese gnadenlosen Klischees, die man um jegliche Ferne gebracht hat. Ironischerweise könnte gerade darin ein tieferer Grund für Renaissancen der Romantik in der Suche nach dem liegen, was fern bleibt und bis auf kümmerliche Reste getilgt erscheint, wo das Romantische gängige Münze geworden ist.

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