Pornographie und befreite Sexualität

von Anne Weber (Lübeck)


Pornographie, d.h. die graphische und literarische Darstellung menschlicher Sexualität im Dienste sexueller Erregung, ist so alt, wie die Menschheit selbst. Ob an Höhlenwänden, auf Bildern, VHS-Kassetten, im Internet oder mit virtual-reality-Brille, pornographische Artefakte sind zeiten-, länder- und kulturübergreifend präsent. Es ist zunächst auch jenseits ethischer oder pädagogischer bzw. rechtlicher Beurteilung des Phänomens deshalb nicht von der Hand zu weisen, dass Pornographie einen wichtigen Beitrag zur (Selbst-)Beschreibung menschlicher Sexualität leistet (Sven Lewandoswki).

Folgt man den Zahlen und Statistiken zu Konsum-, und Nutzungsverhalten, aber auch der Finanzkraft, wie sie z.B. von Seiten wie pornhub regelmäßig veröffentlicht werden, lässt sich festhalten, dass alleine auf dieser Seite im Schnitt 75 Millionen BesucherInnen pro Tag neun Minuten lang porn-short-Clips und Videos mit einschlägigen Inhalten anschauen. Neben der reinen Quantität hat das Internet ein Universum an unterschiedlichen Inhalten zugänglich gemacht, die zu- oder abzüglich spezifischer Vorlieben und Fetische zudem ohne große Schwierigkeiten abgerufen und eingesehen werden können. Nicht nur die Diversität des Angebots, die einfache Zugänglichkeit des Materials und die Interdependenz von technologischer Entwicklung und Pornographie, sondern auch der definitorische shift von der Form pornographischen Materials (explizite Nacktheit) zu dessen Funktion (Erregung beim Konsumierenden) erweisen sich dabei als charakteristische Merkmale der Pornographie 2.0. Im Blick auf die Qualität und Quantität lässt sich sogar von einer new pornography (Fiona Atwood) sprechen, d.h. einem Modus der Pornographieaufbereitung, der sich nicht nur durch die schnelllebigen, anonym abrufbaren und stark diversifizierten Inhalte auszeichnet, sondern auch auf den Umstand verweist, dass die pornographischen Materialien sich in Produktion und Konsum zwischen Realität und Repräsentation bewegen und es sich im Großteil des Mainstream-Materials um auf orale, vaginale oder anale Penetration reduzierte Short-Clips handelt. Charakteristisch für die new pornography ist zudem, dass in Film, Medien und Musik die zunächst avantgardistische, aber zunehmend massentaugliche Adaption eines porn chic nachgezeichnet werden kann, der mittlerweile zum festen Bestandteil popkultureller Narrative und Inszenierung geworden ist (Richard Poulin).

Am Grunde dieser skizzenhaften soziologischen und sexualwissenschaftlichen Beschreibung des Phänomens liegt dabei nicht zuletzt auch die Frage nach der ethischen Bewertung pornographischer Artefakte. Die Faktizität ihrer Existenz gibt mit anderen Worten also keinen Aufschluss über ihren sozialen Sinn, ihre emanzipatorische Qualität oder moralische Legitimität.

1. Pornographie als Unterdrückungsinstrument oder als sexuelle Befreiung?

Stellt man diese Fragen in den Horizont philosophischer Reflexion, führt die Suche nach Antworten zunächst in die Frauen- und Bürgerrechtsbewegungen der 60iger und 70iger Jahre und damit auf argumentativ vermintes Gelände:

So hatte einerseits die Neue Frauenbewegung in den USA, aber auch Kanada, England und dem deutschsprachigen Raum, Pornographie als Prototypen der mikrosozialen Gewalt an Frauen identifiziert und im Kampf um eine egalitäre Gesellschaft damit sowohl deren Produktion, als auch Verbreitung und Konsum, gesetzlich verbieten wollen. Anders als religiöse oder konservative Stimmen, wurden pornographische Inhalte von vielen FeministInnen der frühen 70iger Jahre dabei nicht aufgrund sittlicher Fragwürdigkeit kritisiert, sondern wegen der in diesen Inhalten präsentierten Objektivierung und Instrumentalisierung des weiblichen Körpers. Analog zur Diskussion um Prostitution wurde die Herstellung und Produktion pornographischer Inhalte als Ort direkter Vermachtung und – durch vermeintlich freiwillige Verträge als Recht deklarierte – Gewalt an Frauen kritisiert. Die Vorbehalte der radikalen anti-porn-Feministinnen richteten sich jedoch zunehmend auf die gezeigten Inhalte, d.h. die Darstellung von weiblichen Körpern als verfügbare Werkzeuge männlicher Lusterzeugung und -Befriedigung. Die Erotisierung dieser Instrumentalisierung war in ihren Augen nicht nur Zeugnis der anhaltenden Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, sondern ein Mittel der Unterdrückung und Subordination (Catherine MacKinnon/Andrea Dworkin). Auch gemäßigte anti-porn-Feministinnen haben zu bedenken gegeben, dass durch eine solche Erotisierung die sexuelle Verfügbarkeit und Nutzung von Frauen bzw. Frauenkörpern zur Befriedigung der männlichen Interessen im zwischenmenschlichen Nah-Bereich als angemessener Umgang vorschlagen und damit im worst case-Szenario selbst Vergewaltigung trivialisiert werde.

Weil der damit unterstellte Zusammenhang von Pornographiekonsum und einer Veränderung im Umgang mit Frauen oder der Verlust sozialer Inhibitoren für sexuelle Gewalt jedoch empirisch nicht unbezweifelbar nachgewiesen werden konnte, aber auch aufgrund der sich radikalisierenden Forderungen und der Kompromisslosigkeit bzw. Emotionalität der Debatte, haben diese Positionen eine starke Gegenreaktion, die sog. american sex wars, ausgelöst. So haben liberale FeministInnen bzw. AktivistInnen schon früh die sexuelle Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit ermahnt und auf die befreienden Potentiale pornographischen Materials aufmerksam gemacht. Sie argumentieren, dass mit den expliziten und anregenden Darstellungen auch Frauen ihre Körper, ihre Sexualität und Lust (neu) entdecken können. Damit lasse sich Pornographie nicht kategorisch als Unterdrückungsinstrument verstehen. Insofern ihre Sexualität enttabuisiert wird, profitierten außerdem auch andere sexuelle Minderheiten von und durch die vielen unterschiedlichen pornographischen Subgenres. Auch in Deutschland ist es im Rahmen der sog. sexuellen Revolution zu einer zunehmend positiven Deutung sexuell expliziten Materials gekommen. Im Rekurs auf die antifaschistischen Argumentationslinien der Frankfurter Schule wurde betont, dass soziale Freiheit nicht ohne sexuelle Freiheit gedacht werden könne und damit jede Unterdrückung von Lust und Tabuisierung sexueller Vorlieben das Risiko faschistischer Vereinnahmung trage (Wilhelm Reich).

2. Offene Fragen und Klärungsversuche der gegenwärtigen Diskussion

Die Frage allerdings, ob diese Freiheit bzw. deren Sicherung dabei durch pornographische Inhalte lanciert oder kompromittiert wird, ist bis heute nicht eindeutig beantwortet worden; sie hat wohl aber eine zunehmend polarisierende Diskussion ausgelöst und dabei auch für gegenwärtige philosophische Klärungsversuche die Weichen gestellt: Im Anschluss an die Diskussionen der Neuen Frauenbewegung lässt sich einerseits nicht mehr plausibel machen, dass pornographisches Material ein apriorisches harm-Potential enthält. Andererseits kann auch nicht pauschal von einer befreienden oder empowernden Wirkung gesprochen werden. Die Frage, ob der Konsum oder die Verbreitung pornographischer Inhalte Auswirkungen auf Vergesellschaftungsprozesse im sozialen Raum hat, bleibt weiter unbeantwortet. Auch bedarf es einer Klärung, wie die unterstellten harms (Gefahren, Nachteile) oder benefits (positiven Aspekte, Chancen) genauer hin beschrieben und auch, wie sie sinnvoll, d.h. verantwortungsvoll begleitet werden können.

Im Rahmen der Philosophisierung der Debatte haben sich besonders AutorInnen im US-amerikanischen Raum, aber zunehmend auch in Europa, darum bemüht mit Hilfe philosophischer Theorien herauszuarbeiten, unter welchen Umständen die gezeigte Objektivierung als ein Teil der lustvollen sexuellen Selbstverwirklichung gedeutet werden kann (Martha Nussbaum), oder aber, ab wann die besonders im pornographischen Mainstream anzutreffenden Rollenklischees, Geschlechternarrative und Sexualitätsskripte ein harm-Potential entfalten (können). Unter sprechaktphilosophischen Vorzeichen haben Autorinnen, wie Rae Langton oder Jennifer Hornsby, dafür argumentiert, dass pornographische Artefakte in ihren Frauen verobjektivierenden und subordiniernden Aussagen die Sprechakte von Frauen – zumindest in der Sexualitäts-Domain – silencen (stillstellen), d.h. deren erfolgreichen illokutionären Uptake verhindern. Mit anderen Worten entfaltet das auf eine Nutzung von Frauen bzw. Frauenkörpern als Masturbationsobjekte reduzierte pornographische Material auf der Kommunikations-Ebene sein harm-Potential, insofern es die Bedeutung weiblicher Sprechakte – z.B. solche des Protests oder der Ablehnung – verzerrt oder sogar stumm stellt und unhörbar werden lässt. KritikerInnen dieses Ansatzes, wie Judith Butler, Daniel Jacobson oder Laurie Shrage, haben wiederum angemerkt, dass die unterstellten Silencing-Effekte zwar möglich, aber nicht zwingend sind. Butler verweist in Rekurs auf Jaques Derridas These der Iterabilität von Zeichen auf die Kontextabhängigkeit der Deutung. Demnach sind auch pornographische Darstellungen nicht grundsätzlich subordinierend, sondern können je nach Kontext als befreiend, anregend, verletzend, avantgarde oder langweilig wahrgenommen werden. Auch Nadine Strossen oder Nancy Bauer bezweifeln, dass pornographische Narrative die Kraft haben, weibliche Sprechakte über alle Kontexte hinaus stumm zu stellen und unterstreichen in diesem Zusammenhang außerdem die Fähigkeit der Konsumierenden Fiktion und Realität unterscheiden zu können. Damit besteht in ihren Augen immer die Möglichkeit pornographische Darstellungen zu dekonstruieren und dementsprechend unterschiedliche Formen von Counter Speech (Gegenrede) einzusetzen, um die potentiellen harm-Effekte selbst inegalitärer Pornographie (Ann. W. Eaton) zu neutralisieren. Alle geforderten rechtlichen Sanktionen müssen vor diesem Hintergrund als Einschränkung menschlicher Rede- und Meinungsfreiheit bzw. als Kompromittierung sexueller Selbstbestimmung erscheinen, d.h. sind keine angemessene Reaktion auf potentielle negative Effekte.

3. Die Autorität von Klischees und Stereotypen und das Risiko dauerhafter Anerkennungsvergessenheit

Im Zentrum der philosophischen Auseinandersetzung lässt sich in unterschiedlichen Variationen immer wieder die Frage nach der Autorität von Pornographie als Dreh- und Angelpunkt identifizieren. Stellt man an dieser Stelle den Fokus scharf, geht es also darum zu klären, ob die im pornographischen Mainstream erkennbaren Rollenbilder und Geschlechterklischees, die auf Penetration reduzierten Darstellungen menschlicher Intimität und die dem Genre eigene solipsistische, also einseitige, Sexualität, auch außerhalb des konkreten Kontextes eine Autorität entwickeln, d.h. den Umgang mit anderen Menschen, mit uns selbst und unser Verständnis von menschlicher Sexualität beeinflussen. Mit Blick auf die strukturäquivalente Diskussion um die Wirkung von Gewaltvideospielen lässt sich dafür argumentieren, dass weder die Annahme einer unmittelbaren kausalen Verbindung von Exposition und Reaktion überzeugend begründet, noch die Annahme es existieren keinerlei Wechselwirkungen zwischen dem, was Menschen sich regelmäßig ansehen und der Haltung mit der sie der Welt begegnen, plausibel gemacht werden kann. Vielmehr erweist sich auch für die Frage nach dem harm-Potential von Gewaltspielen oder Hate Speech der Deutungskontext als entscheidend:

Je diversifizierter und heterogener der Kontext, je stärker die Konsumierenden zur Deutung der Inhalte auf alternative Wertesysteme und Narrative zurückgreifen bzw. herausgefordert werden, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die gezeigten Inhalte bzw. deren implizite Stereotype und Handlungsskripte auch außerhalb der Fiktion Autorität für das einzelnen Individuum und deren Weltdeutungen entwickeln können. Erinnert man unter wahrnehmungs- und sozialpsychologischen Vorzeichen nun daran, dass Informationssynthese und Urteilsfindung durch eine Vielzahl von expliziten und impliziten Stereotypen angeleitet sind, werden umgekehrt solche Inhalte umso schneller zu den Koordinatenachsen der Welterschließung, desto stärker die in ihnen gelösten Vorurteile, Klischees und Narrative mit denen anderer lebensweltlicher Institutionen oder Sozialisationsinstanzen übereinstimmen.

Gerade wenn es sich um Stereotype oder Klischees handelt, die im kulturellen Substrat gespeichert waren oder sind, d.h. einem sozial internalisierten Habitus entsprechen, entziehen sie sich zudem leicht der reflexiven Verflüssigung und können so unbemerkt – trotz des Bemühens um „political correct speech“ – die Beurteilung von Menschen und Situationen anleiten. Die Folgen einer mit Stereotypen und Klischees reduzierend-fixierenden Bezugnahme auf andere Menschen (aber auch sich selbst!) bzw. die damit einhergehende Anerkennungsvergessenheit hat Axel Honneth im Kontext seiner Verdinglichungsanalyse als potentiell pathologisch herausgearbeitet. Dort nämlich, wo zwischenmenschliche Anerkennung dauerhaft kompromittiert, d.h. die Vorrangigkeit der Anerkennung als soziale Integrationsachse untergeordnet wird, verstärkt sich die an Nutzen und dem persönlichen Vorteil orientierte Handlungskoordination und zersetzt zunehmend die Ermöglichungsbedingungen emanzipatorisch-egalitärer Vergesellschaftung (Anne Weber).

Auch im pornographischen Mainstream lassen sich binäre, stereotype Geschlechterklischees und Sexualitätsnarrative identifizieren (Christina Holzt-Bacha u.a.), die zudem mit anderen medialen Deutungsangeboten und (pop-)kulturellen Narrativen korrespondieren, aufgenommen oder gespiegelt und schließlich perpetuiert werden. Damit tragen pornographische Artefakte nicht nur zu der Verstetigung sexistischer Stereotype bei, sondern können im Sinne dieser Akkumulationsdynamik durchaus Autorität entfalten. Dann nämlich, wenn das lebensweltliche Deutungsnetz auch in anderen Kontexten durch ähnliche oder identische Stereotype geprägt ist, treten alternative Deutungen in den Hintergrund. Unter diesen Umständen wiederum kann auch die Erotisierung der mit solchen Stereotypen verbundenen instrumentalisierenden Beschreibung zwischenmenschlicher Intimität bzw. Sexualität als normal oder angemessen verinnerlicht werden. Diese vereinseitigende Dynamik wird schließlich auch dadurch beschläunigt, dass der Nutzen des Anderen (als Lustobjekt) für das Genre selbst charakteristisch ist und der Erhalt bzw. die Verstetigung der gezeigten Stereotype zudem auch außerhalb des Genres einen ökonomischen Vorteil bedeutet.

Es lässt sich im Horizont der skizzierten Argumentation zusammenfassend also festhalten, dass Pornographie als Teil zwischenmenschlicher Sexualität ein ambivalentes Phänomen ist und eine ethische Beurteilung bzw. philosophische Begleitung entsprechend differenziert vorgehen, d.h. auf den Kontext des Konsums, der Verbreitung und idealer Weise auch der Herstellung achten muss.

4. Philosophie als Frage – A Never Ending Story

Um einen verantwortungsvollen und auf der inhaltlichen Ebene mögliche harm-Potentiale antizipierenden Umgang vorzubereiten ist es also einerseits wichtig die enthaltenen Stereotype und Klischees stetig zu dekonstruieren. Andererseits verweist diese Dekonstruktion über pornographische Inhalte hinaus und muss auch ein in anderen Intimitätsskripten verstetigtes instrumentalisierendes, an Nutzenlogik orientiertes Verständnis von zwischenmenschlicher Sexualität herausfordern. Dazu gehört mittelfristig ebenso die Analyse der Ermöglichungsbedingungen einer befreienden und befreiten Sexualität, ein wacher Blick auf Veränderungen sowie die Befragung gegenwärtig gelebter Formen menschlicher Sexualität nach ihrem Beitrag zum Empowerment von Einzelpersonen und Gruppen. Im Sinne post- bzw. spätmoderner Philosophie geht es dabei umgekehrt nicht zwangsläufig darum Antworten zu diktieren oder sexuelle Praktiken pauschal zu normieren. Wichtiger ist es vielmehr den Fragen Raum zu geben, sie unter den Vorzeichen emanzipierter, egalitärer Vergesellschaftung als Anfragen an bestehende Praktiken und Umgangsformen zu adressieren und immer wieder daran zu erinnern, dass existentielle Themen – anders als es viele PolitikerInnen dieser Zeit glaubend machen wollen – selten ohne Spannungen und noch seltener ohne Differenzierungen bearbeitet werden können.

Auch die Bewertung pornographischer Artefakte sollte diese angedeuteten Spannungen nicht vorschnell auflösen. So sind Lust, Erregung und sexuelle Befriedigung einerseits persönliche, intime Themen und dürfen deshalb im Sinne der sexuellen Selbstbestimmung weitestgehend von moralischen und öffentlichen Debatten unberührt bleiben. Auch wenn man die feministische Kampfansage „the personal is political“  nicht noch einmal in Stellung bringen wollte, greift andererseits die Annahme einer völlig privatisierten Sexualität zu kurz. Die eigene Sexualität zu leben erweist sich durch die notwendigen zwischenmenschlichen Bezüge nicht als reine Geschmackssache, sondern hat sozialethische Dimensionen und Sinnspitzen. Zumindest erfordert ein kritisch-verantwortungsvoller Umgang die Ermöglichungsbedingungen dieser persönlichen Selbstbestimmung gerade im Kontext heterogener Gesellschaften zu antizipieren und zu erkennen, dass diese Freiheit dann gefährdet ist, wenn Praktiken oder Gewohnheiten dazu beitragen Deutungskontexte auf ein bestimmtes Menschen- und Frauenbild zu verjüngen. Eine Lesart von Sexualität also die sich unter dem Deckmantel des Konsens an eine hedonistische anything-goes-Mentalität anschmiegt, Sexualität auf Funktion und Nutzen reduziert und über die Erotisierung spezifischer Narrative zudem ökonomisch dressiert, lässt sich kaum als befreit, befreiend oder empowerned verstehen. Vielmehr müssen solche Praktiken sich dem Verdacht stellen die systemische Logik bis in die mikrosozialen Räume hinein zu verlängern und damit einer zunehmenden Kommodifizierung der menschlichen Intimssphäre Vorschub zu leisten.


Anne Weber studierte Philosophie, Theologie, Japanologie, Geschichte und Ethik der Medizin in Köln, Münster und Kyôto. 2018 promovierte sie in praktischer Philosophie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf und arbeitet zur Zeit im Rahmen eines DFG-Projekts am Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung zu der Frage nach „Meanings and Practices of Prenatal Genetics in Israel and Germany“. Sie ist Stipendiatin des Graduiertenkollegs „Kirche in Zeiten der Veränderung“ des Erzbistums Paderborn und forscht dort zu ethischen Chancen und Herausforderungen von Digitalisierungs-Prozessen.


Lesetipps:

Cornell, Drucilla, (Hg.), Feminism and Pornography, Oxford 2000.

Langton, Rae (Hg.), Sexual Solipsism. Philosophical Essays on Pornography and Objectification, New York 2009.

Marino, Patricia, The Ethics of Sexual Objectification. Autonomy and Consent, Inquiry 51 (2008), 345-364.

Nussbaum, Martha, Objectification, in: Philosophy and Public Affairs (24/1995), 249-291.

Shrage, Laurie, Exposing the fallacies of anti-porn Feminism, in: Feminist Theory Vol 6:1 (2005), 45-65.

Sigusch, Volker, Neosexualitäten. Über den kulturellen Wandel von Liebe und Perversion, Frankfurt a.M. 2005.

Soble, Alan (Hg.), The Philosophy of Sex. Contemporary Readings, Lanham/Maryland 2002.

Weber, Anne, Zwischen Wunsch und Wirklichkeit einer egalitären Gesellschaft. Die kritische Rekonstruktion der anti-porn-Debatte im Horizont einer anerkennungstheoretisch profilierten Diskurstheorie, Berlin/New York 2018.