05 Apr

Ideologisch sind immer die Anderen: Zu Uwe Steinhoffs Polemik gegen Koch und Mühlebach

von Daniel Lucas


Auf diesem Blog hatten sich Heiner Koch und Deborah Mühlebach um eine Versachlichung der Debatte um die Äußerung von Kathleen Stock bemüht. Uwe Steinhoff hat darauf mit einer Replik geantwortet. Warum die Philosophie häufiger der Demut bedarf und die Grenzen ihrer Selbst wahrnehmen sollte.

Wo die scharfe Auseinandersetzung endet und die plumpe Beleidigung beginnt, mag im Auge der Betrachter*innen liegen (ja, mit einem komischen Sonderzeichen mitten im Wort). Dass die Polemik ein Teil der philosophischen Tradition ist, scheint mir zuzutreffen. Ob Steinhoffs Intervention in der Causa Kathleen Stock sich in diese Tradition einordnen kann, ist jedoch fraglich. Denn es stellt sich die Frage, inwiefern Beiträge als relevanter Teil einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung auftreten, die etwa solche Absätze beinhalten:

„Wenn der GAP an offener Diskussion gelegen ist, sollte sie Begrifflichkeiten vermeiden, welche sich eher für das einstige Sowjetregime mit seiner ausgeprägten Neigung eignen, Dissidenten als Geistesgestörte in die Psychiatrie zu sperren. Umgekehrt freilich ist die Popularität solcher Begrifflichkeiten im „woken“ linksautoritären Milieu nur die Fortsetzung der eigenen Tradition.“

Es hilft wenig zur Versachlichung der Debatte, wenn man seine Gegner*innen in die Nachfolge stalinistischer Vernichtungspolitik setzt.

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28 Jan

Erwiderung auf die Stellungnahme von Heiner Koch und Deborah Mühlebach zur Stellungnahme der GAP zu Kathleen Stock

Hinweis der Redaktion: Wir möchten an dieser Stelle nochmals betonen, dass wir dazu einladen, Repliken auf Blogbeiträge zu schreiben und uns zu schicken. Wir teilen durchaus nicht alle auf diesem Blog veröffentlichten Meinungen, Argumente und Thesen, veröffentlichen Texte jedoch nur dann nicht, wenn sie klar gegen wissenschaftliche Regeln der Philosophie verstoßen oder jenseits dessen liegen, was uns als eine vertretbare Auffassung erscheint. Auch diese policy kann natürlich kritisiert werden.


von Uwe Steinhoff (Hongkong)


Heiner Koch und Deborah Mühlebach kritisieren auf praefaktisch die Stellungnahme der Gesellschaft für analytische Philosophie (GAP) zum Fall Kathleen Stock. Mir gefällt die Stellungnahme auch nicht – aber aus ganz anderen Gründen. Einige davon lege ich zunächst dar, bevor ich mich den Einlassungen Kochs und Mühlebachs zuwende.

So erklärt die GAP: „Analytische Philosophie hat sich den Idealen der Klarheit, der Genauigkeit und der offenen, kritischen Debatte verschrieben.” In der Tat. Aber zur Klarheit gehört, dass man hinreichend klar definierte Begriffe benutzt. Die GAP verkündet jedoch: “Transphobie ist wie Homophobie, Rassismus, Islamophobie und Antisemitismus eine Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die zu Recht moralisch geächtet ist.“ Ob das so ist, hängt aber eben davon ab, wie die Begriffe definiert werden. Den Vorwurf zum Beispiel, dass der Begriff „Rassismus“ völlig inflationär gebraucht werde, gibt es schon seit langem, und er wurde auch von analytischen Philosophen diskutiert. Derweil diese von interessierten Kreisen betriebene Inflation dazu dienen soll, ihnen missliebige aber akzeptable Praktiken oder Vorstellungen dadurch zu diskreditieren, dass man sie mit dem aufgeladenen Wort „Rassismus“ bezeichnet, ist philosophisch freilich der umgekehrte Schluss zu ziehen: Wenn diese akzeptablen Praktiken rassistisch sind, dann gibt es in diesem Sinne von Rassismus völlig akzeptablen Rassismus.

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18 Jan

Stellungnahme zur Stellungnahme der GAP «Für eine freie und kritische Auseinandersetzung in den Wissenschaften»

von Heiner Koch und Deborah Mühlebach


Die Stellungnahme der GAP zum Fall Kathleen Stock suggeriert, dass eine wissenschaftlich neutrale Auseinandersetzung mit politisch relevanten Fragen möglich ist. Weil wir anders als die GAP davon ausgehen, dass Wissenschaftsfreiheit nicht losgelöst von bestehenden Machtverhältnissen in- und außerhalb der Universität gedacht werden kann, halten wir dies für falsch.

Die GAP plädiert in ihrer Stellungnahme zum Fall Stock für eine freie und kritische Auseinandersetzung in den Wissenschaften – oder kurz Wissenschaftsfreiheit. Das klingt zunächst nach einer Forderung, der kaum widersprochen werden kann. Bei genauerer Betrachtung ist es angesichts der Komplexität des ganzen Falls Stock jedoch erstaunlich, welches konkrete Problem die GAP als das zentrale hervorhebt.

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29 Jul

Feministische Philosophie: Was, wie, weshalb?

von Christine Bratu (Göttingen) & Deborah Mühlebach (FU Berlin)


„Ach, du machst feministische Philosophie? Was genau ist das denn?“ Das sind in der Philosophie nach wie vor häufig gestellte Fragen. Ebenso sehen sich feministische Philosoph:innen zuweilen mit Nachfragen folgender Art konfrontiert: „Geschlechterunterdrückung ist zweifelsfrei ein wichtiges Thema, aber ist das denn auch philosophisch interessant?“ Solche Reaktionen auf feministische Forschungsinteressen erstaunen nicht, denn obwohl es im deutschsprachigen Raum schon seit Langem vereinzelte Philosoph:innen gibt, die feministisch arbeiten, fängt die deutschsprachige Fachgemeinschaft gerade erst an, feministische Philosophie im etwas größeren Stil für sich zu entdecken. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass manche große Fachtagungen erst neuerdings Sektionen zu feministischer Philosophie führen. Ebenso sind erst seit wenigen Jahren ein paar Stellenausschreibungen zu finden, die explizit nach dieser Spezialisierung fragen. Was also ist feministische Philosophie?

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