21 Sep

Hegel und die Notwendigkeit des Zufalls

Würfel am Tisch

Von Achim Wamßler (Berlin)


Wer die gemeine Hegelianerin fragt, was das Erste ist, was ihr zum Zufall bei Hegel einfällt, wird wohl in den allermeisten Fällen hören: Hegels Rede von der Notwendigkeit des Zufalls. Doch abgesehen von der Griffigkeit dieser Wendung, mit der Hegel andeutet, dass er ein durchaus guter Twitternutzer gewesen wäre, ist es alles andere als klar, was er damit eigentlich meint. Das Ziel dieses Beitrags ist, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Dafür möchte ich zuerst drei Formen von Zufall definieren, um ein Vorverständnis für das Thema zu gewinnen. Zweitens möchte ich zeigen, dass sich Hegel mit der spezifischen Art des Zufalls, die bei dem Ausdruck »Notwendigkeit des Zufalls« zentral ist, Probleme hinsichtlich Letztbegründungsfragen der Welt einhandelt, die alles andere als einfach zu beantworten sind. Und schließlich werde ich erläutern, wie Hegel diese Probleme aus dem Weg zu schaffen glaubt, womit sich dann auch zeigt, was Hegel meint, wenn er von der Notwendigkeit des Zufalls spricht.

Weiterlesen
14 Mrz

Zufall bei Aristoteles

Schiefertafel mit der Aufschrift possibile

Von Ursula Wolf (Mannheim)


Aristoteles behandelt in seinen Schriften mehrere Begriffe und Problemkontexte, die im weiteren Sinn mit dem Zufall zu tun haben. Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Bereich des Zufälligen findet sich in der Physikabhandlung, er spielt aber ebenso eine Rolle in der Ethik.

1. Zufall in der Natur

Gegen diejenigen Theorien, welche das Seiende als Eines und Unbewegliches auffassen, beginnt Aristoteles seine philosophische Befassung mit der Natur im ersten Buch der Physik mit dem Hinweis, dass wir aufgrund von Erfahrung wissen, dass zur Natur Bewegung hinzugehört (185a13 f.). Dabei versteht Aristoteles Bewegung als eine Veränderung an Stoffen oder Dingen, welche in deren Vermögen (dynamis) verankert ist. Naturdinge wirken so aufeinander ein, dass sie aktive Vermögen haben, eine Veränderung zu bewirken, und passive Vermögen, eine Veränderung zu erleiden. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass das Zusammenwirken nicht „zufällig“ ist. Es kann nicht Beliebiges (tychon) zusammenwirken oder Beliebiges aus Beliebigem entstehen, sondern etwas kann nur aus dem konträren Gegenteil hervorgehen (188a31 ff.). Ein Ding kann nur schwarz werden, wenn es vorher weiß war (oder etwas zwischen beidem in demselben Spielraum des Farbigseins). In gewissem Sinn allerdings kann auch das Runde weiß werden, jedoch nicht einfachhin, sondern im akzidentellen Sinn (kata symbebekos), das heißt, sofern das Weiße (z. B. der weiße Tisch) „zufällig“ (außerdem, nebenher) rund ist.

Weiterlesen
21 Feb

Dreimal Zufall bei Kant

3 gestapelte Würfel vor rotem Hintergrund

Anne Tilkorn (Berlin)


Der folgende Beitrag ist auch als Podcast verfügbar.

Ich unterscheide drei Begriffe von Zufälligkeit: modale, teleologische und ästhetische. Der Schwerpunkt liegt auf der ästhetischen Zufälligkeit, denn weder im Bereich der theoretischen Philosophie, noch in dem der Teleologie, spielt die Zufälligkeit eine so bedeutende Rolle wie in der Ästhetik. Die unterschiedlichen Positionen will ich im Folgenden von einander abgrenzen. Ich beginne mit dem Zufall in der Welt der Erfahrung, komme zweitens zum Zusammenhang von Zufall und Zweckmäßigkeit in der Teleologie und drittens zu der Zufälligkeit, die den ästhetischen Kosmos konstituiert.

Weiterlesen
09 Feb

Selbstgestaltung und der Zufall, wer wir sind

Frau überkreuzt Finger

Jan-Hendrik Heinrichs (Jülich/Aachen)


Es herrschen widersprüchliche moralische Haltungen gegenüber dem vor, was wir nur mithilfe des Zufalls sind oder vollbringen. Der durch glücklichen Zufall gelungenen Lebensrettung spenden wir mehr Lob als dem gleichermaßen energisch betriebenen, aber erfolglosen Rettungsversuch, obwohl doch Verhalten und Absichten erfolgreicher und gescheiterter Retter die gleichen sind, und unsere moralische Intuition sagt, gleiches Verhalten und gleiche Absichten seien moralisch gleich zu behandeln. Dass nicht nur unsere Handlungen, sondern auch unser Charakter moralisch unterschiedlich beurteilt wird, je nachdem, unter welchen Einflüssen er sich entwickelt hat, scheint mindestens ebenso schwer zu erklären und zu rechtfertigen zu sein. Und doch sind solche Unterscheidungen weit verbreitet.

Weiterlesen
03 Jan

Welt und Welterklärung

Fragezeichen an Bäumen

Uwe Meixner (Universität Augsburg)


Die Welt ist in ganz bestimmter Weise; sie war es und wird es sein. In unendlich vielen anderen Weisen, in denen die Welt offenbar auch sein könnte, ist sie nicht. Warum also ist die Welt in dieser ganz bestimmten Weise und nicht in einer anderen? Diese Frage ist, wenn man sie ultimativ auffasst, also auf die Welt in ihrer zeitlichen Ganzheit – in der Gesamtheit ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – schaut und nach „letzten“ (oder „ersten“) Gründen für „all dies“ fragt, eine der zentralen Fragen der Philosophie.

Weiterlesen