25 Jun

Kants problematische Rechtsauffassung

Von Hans-Ulrich Baumgarten (Düsseldorf)

Kants Rechtfertigung und Legitimierung einer Rechtsordnung als Staat liegt im äußeren Zwang. Auf die Frage: „Warum soll ich den Gesetzen gehorchen?“ antwortet Kant: Damit du nicht bestraft wirst! Eine innere Motivation und Überzeugung wie beim Moralgesetz ist für Kant keine Voraussetzung von rechtlichen Normen. Wenn die einzige Antriebskraft für die Befolgung von staatlichen Gesetzen in der Vermeidung von Strafe liegt, dann steht die Begründung und damit der Sinn einer Staatsordnung auf tönernen Füßen. Denn der Staat und seine Bürger:innen stehen sich als etwas zueinander Äußeres und Fremdes gegenüber. Damit ist dann aber die Ablehnung der Staatsordnung einschließlich der Politik, die sie stützen soll, ein Leichtes. Denn: was habe ich damit zu tun? Die Folgen dieser Rechts- und Staatsauffassung können wir heute beobachten. Gilt aber nicht für uns als Demokrat:innen, dass wir uns mit dem Staat, unserer Rechtsordnung, identifizieren sollten?

03 Aug

Intersektionalität und Rassismus. Eine staatstheoretische Sicht

von Birgit Sauer (Universität Wien)

Die Krisen der vergangenen Jahre – die Finanzkrise 2008, die Covid 19-Pandemie, Inflation und Klimakatastrophe – lassen die Ungleichheiten innerhalb westlicher Gesellschaften, aber auch zwischen den unterschiedlichen Regionen der Welt, dem Globalen Süden und dem Globalen Norden, wie in einem Brennglas sichtbar werden. Die ungleiche globale Verteilung von Impfstoff gegen Covid, die Dürren, die Kleinbäuerinnen in Afrika oder Asien ihre Lebensgrundlage entziehen, die migrantische 24h-Pflegerin in Westeuropa, deren prekäres Einkommen durch Inflation dezimiert wird – all dies sind Beispiele dafür, dass rassistische Strukturen bzw. (post-)koloniale Konstellationen bis heute existieren und dass diese Strukturen mit weiteren Herrschaftsformen verknüpft sind: mit Geschlecht, Klasse, Sexualität oder Nationalität.

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16 Jul

Huxleys Albtraum. Über verwerfliche Diskriminierung und die Rolle des Staates

von Michael Oliva Córdoba (Hamburg)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist.


Was ist Diskriminierung? Wann ist sie verwerflich? Dies sind philosophisch heikle Fragen. Mein Beitrag stellt sie in den Zusammenhang der Arbeiten Larry Alexanders und Kaspar Lippert-Rasmussens. Anders als diese Denker nehme ich jedoch primär die Perspektive der Politischen Philosophie ein. Wer einerseits schon mal von einer Meute rechtsradikaler Fußballfans mit „Ausländer raus!“-Rufen durch die Straßen gescheucht wurde, und andererseits auf dem zuständigen Amt um seine Einbürgerung bangen musste, weil er als Jugendlicher demonstrieren gegangen war, der weiß, dass sich beides sehr unterschiedlich anfühlt. Es macht eben einen großen Unterschied, ob mich meine Mitbürger beim Bäcker oder an der Ampel scheel ansehen, oder ob mir dies auf der Wache, auf dem Amt oder vor Gericht widerfährt. Etwas Größeres ist hier im Spiel. Der Blick ‚allein‘ auf das verabscheuungswürdige Verhalten fragwürdiger Individuen fängt dies nicht ein. Im Gegenteil, ein so verengter Blick kann diesen Unterschied sogar verschütten.

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