Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 2: Doppelangebote

von David Löwenstein (Düsseldorf)


In einem ersten Beitrag habe ich die spezifischen Vereinbarkeitsprobleme akademischer Doppelkarrierepaaren skizziert. Wie lassen sie sich lösen? Auch hier ist zunächst auf den Good Practice Guide der Society for Women in Philosophy zu verweisen, der dazu viele gute Vorschläge enthält. Und wie bei den Problemen, gilt auch für die Lösungsideen: Akademische Doppelkarrierepaare sind doppelt betroffen.

In der Praxis besteht der häufigste Ausweg aus den geschilderten Vereinbarkeitsproblemen jedoch darin, dass mindestens ein Elternteil aussteigt und sich beruflich neu orientiert. Das ist aber natürlich weder im Sinne exzellenter Forschung und Lehre noch im Sinne von Vereinbarkeit und gleichberechtigten Beziehungsmodellen.

Wenn die Beziehung stabil genug bleibt und das Paar den akademischen Berufsweg noch nicht aufgegeben hat, verfolgen die Beteiligten oft den Traum vom gemeinsamen Ankommen. Denn damit wären zumindest zwei der Probleme aus meinem ersten Beitrag gelöst: berufliche Prekarität und der Zwang zu Flexibilität und Pendeln wären überwunden. Ein verbreiteter Plan dazu lautet: Wenn eine Person eine unbefristete Stelle kriegt – ein Lottogewinn! –, dann wird umgezogen. Hoffentlich findet die andere Person dort dann auch irgendetwas. Dass beide eine unbefristete Stelle kriegen, wäre ein doppelter Lottogewinn, und dann auch noch in räumlicher Nähe, wäre ein dreifacher.

Lässt sich ein solcher mehrfacher Lottogewinn wahrscheinlicher machen? Und wäre das überhaupt eine gute Idee? Darum geht es in diesem zweiten Beitrag zu akademischen Doppelkarrierepaaren.

Doppelangebote

In anderen Ländern ist an dieser Stelle die Option etablierter, dass Personen, denen ein Job angeboten wurde, mit der betreffenden Hochschule darüber verhandeln, ob auch die zweite Person ein Angebot erhalten kann. Man spricht hier auch im Deutschen von „Dual-Career-Verhandlungen“. Für Menschen, die auf diese Weise „mitkommen“, hat sich meines Wissens aber noch kein Pendant zur englischen Bezeichnung „spousal hire“ etabliert. Ein offensichtlicher Grund dafür ist, dass das in Deutschland und im deutschsprachigen Raum nur sehr, sehr selten vorkommt. Ich werde diese Option hier so fassen, dass ein einzelnes Jobangebot durch eine Perspektive für die zweite Person in ein Doppelangebot verwandelt wird.

Ein solches Doppelangebot wäre für das betroffene Paar nichts weniger der gerade beschriebene Dreifach-Lottogewinn – gesetzt, beim ersten Jobangebot handelt es sich bereits um ein unbefristetes, etwa einen Ruf auf eine Lebenszeitprofessur. Zumindest in Deutschland ist das aber im Grunde bereits die Voraussetzung dafür, dass überhaupt Verhandlungen geführt werden, in denen dieses Thema zur Sprache kommen kann. Während eine befristete Perspektive für die zweite Person hier allenfalls temporär Abhilfe schafft, würde ein Job mit Entfristungsperspektive oder gar eine direkt unbefristete Beschäftigung den dreifachen Lottogewinn perfekt machen. Andere Probleme unbenommen: Dies wäre ein riesiger Schritt hin zu einer besseren Vereinbarkeit für ein akademisches Doppelkarrierepaar.

Auch für Universitäten sind Doppelangebote im Grunde eine riesige Chance – gegeben natürlich, dass die zweite Person fachliche Schwerpunkte hat, die vor Ort gut angebunden werden können, und dass auch sie in ihrem Gebiet exzellente Arbeit in Forschung und Lehre leistet. Hochschulen können durch ein Doppelangebot gleich zwei Personen für sich gewinnen, die ab dann all ihre Energien voll und ganz an ein und demselben Ort einbringen, ohne ständiges Wegbewerben. Und vielleicht bringt die zweite Person sogar renommierte Kooperationen, Preise oder Drittmittel mit? Auch für die internationale Kompetitivität des Jobangebots kann diese Möglichkeit entscheidend sein: Sollte eine Universität im Ausland der berufenen Person ein konkurrierendes Doppelangebot vorlegen, kann das schnell die Ablehnung des Rufs bedeuten.

Aus ähnlichen Motivationen gibt es bereits verschiedene regionale und deutschlandweite Dual Career Netzwerke. Aus „ähnlichen“, denn es kommt praktisch nie vor, dass dort Jobs in Forschung und Lehre vermittelt werden können. Insofern wären wir wieder beim ersten, verbreitetsten Ausweg, dem Ausstieg einer Person aus Forschung und Lehre. Zwar können solche Netzwerke durchaus auch Jobs an den Universitäten selbst anbahnen, typischerweise aber allenfalls im Wissenschaftsmanagement oder ähnlichen Bereichen.

Der Grund dafür liegt vor allem im ersten von zwei zentralen Einwänden gegen den Einsatz von Doppelangeboten, die ich nun diskutieren möchte. Daneben möchte ich nur noch einen weiteren gelegentlich genannten Hinweis kommentieren, demzufolge Beziehungen natürlich auch wieder auseinander gehen können. Daraus scheint mir jedoch kein Einwand mit hinreichender Anfangsplausibilität zu erwachsen. Denn Paare, die diesen Weg gehen wollen und dieses Anliegen in entsprechende Gespräche einbringen, haben sich das sehr gut überlegt. Selbst wenn es tatsächlich zu einer Trennung kommen sollte, ist dementsprechend ganz genauso wie vorher davon auszugehen, dass sie der Universität mit vollem Engagement verpflichtet bleiben. Und dies um so mehr, da sie ja auch ohne Beziehung weiterhin Co-Eltern bleiben.

Stellenplan und Finanzierung

Jobs in Forschung und Lehre sind in Professuren und Mittelbaustellen eingeteilt, die sich aus je eigenen Gründen schlecht für Doppelangebote eignen: Für die Berufung auf Professuren gibt es aus guten Gründen sehr strikte Verfahrensvorgaben. Für Mittelbaustellen gibt es solche Vorgaben zwar nicht. Aber die sind typischerweise in fixen Stellenplänen jeweils einzelnen Professuren zugeordnet, selten auch Instituten, die diese Stellen im Grunde nach Gutdünken vergeben können und die auch erwarten, dass sich Hochschulleitungen hier nicht einmischen. Zudem ist, wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, die große Mehrheit dieser Stellen als immer nur befristet zu besetzende, so genannte Qualifikationsstellen eingeplant.

Der Einwand, der sich aus dieser Gemengelage ergibt, beginnt mit der offenen Frage, woher das Geld für die zusätzliche Stelle kommen soll. Die Budgets von Hochschulen sind notorisch zu knapp und die Stellenpläne intern mühsam und teils schmerzlich ausgehandelt. Dass zusätzliche finanzielle Mittel gewonnen werden und die entsprechenden Stellenpläne erweitert werden können, ist nicht zu erwarten. Ebensowenig kann man damit rechnen, dass irgendwo Stellen einfach unbesetzt und frei verfügbar sind. (Dem Hörensagen nach kommt das allenfalls in Fächern wie der Informatik oder den Ingenieurwissenschaften vor und auch dort nur sehr selten.) Auch wenn eine Mittelbaustelle, die der zu besetzenden Professur selbst zugeordnet ist, hierfür in Betracht gezogen wird, würden dadurch einige Umbauten erforderlich, je nach dem in welchem Fach und an welcher Fakultät die mitziehende Person tätig sein soll. Und selbst über die rein finanziellen Aspekte hinaus sind Hochschulen, Fakultäten und Institute oft prinzipiell schlicht nicht bereit, eine weitere unbefristete Stelle einzurichten – wobei die starken Gründe gegen diese umfassende Befristungspraxis spätestens mit #IchBinHanna hinlänglich bekannt sind.

Gerechtigkeit und Qualitätssicherung

Der zweite wichtige Einwand betrifft die Frage der Gerechtigkeit und Chancengleichheit: Inwiefern ist es Dritten gegenüber gerecht, dass hier eine Stelle vergeben wird – und zudem wohl ohne Ausschreibung oder Verfahren! –, auf die sich auch andere gern beworben und auf die sie eine faire Chance verdient hätten? Besteht dadurch nicht die Gefahr, dass eine mitziehende Person, die womöglich weniger gut qualifiziert ist als einschlägige Dritte, ungerechtfertigterweise vorgezogen wird?

Diese Frage hängt auch mit dem ersten Einwand zusammen. Wird für das Doppelangebot eine gänzlich neue Stelle geschaffen, mit zusätzlicher Finanzierung etwa aus strategischen Mitteln der Hochschulleitung, dann verkleinert sich dieses Problem. Eine Stelle, auf die sich auch andere hätten bewerben können, gäbe es dann ja gar nicht. Als ungerecht dürfte aber natürlich trotzdem verbleiben, dass die betreffenden Mittel hier und nicht anderswo – und für eine andere Person – eingesetzt wurden.

Unabhängig von Finanzierung und Stellenplan ist an dieser Stelle aber auch zu erwägen, wie stark eine solche Ungerechtigkeit wirklich ins Gewicht fällt. Vergleichen wir Doppelangebote mit anderen strategisch eingesetzten Berufungszusagen von Hochschulleitungen. Und vergleichen wir sie mit der großen Freiheit, die der eigenen Professur zugeordneten Stellen nach Belieben zu besetzen, ganz ohne Einfluß anderer. Insgesamt sind Doppelangebote also sicherlich nicht das einzige und wahrscheinlich auch nicht das größte Gerechtigkeitsproblem in der aktuellen Praxis der akademischen Stellenvergabe.

In einer anderen Hinsicht sind Doppelangebote jedoch auch als eine Maßnahme für Chancengerechtigkeit zu verstehen. Für akademische Doppelkarrierepaare ohne Kinder oder andere Sorgearbeitsverpflichtungen ist Pendeln zwar auch problematisch, aber im Durchschnitt deutlich weniger gravierend. Und vor allem kann es für Paare, in denen nur eine Person in Forschung und Lehre arbeitet, viel einfacher sein, dass auch die zweite Person den Wohnort wechselt. Wer etwa ohnehin beruflich programmiert und von überall aus arbeiten kann oder wer auch anderswo leicht einen Job findet, kann sich leichter an die Mobilitätserfordernisse der anderen Person anpassen.

Natürlich gibt es auch andere Berufsfelder, in denen es in dieser Hinsicht ähnlich zugeht wie im akademischen Betrieb. Da feste Jobs in Forschung und Lehre in der Regel nur in einem sehr engen Arbeitsfeld vergeben werden, finden sich die besten Vergleichswerte wohl in Theatern, Philharmonien, Profisportteams und ähnlichen Bereichen: „Hier ist (die Dramaturgie / die erste Geige / die Position im Tor / die Philosophiegeschichte / …) leider schon besetzt. Der nächste passende Standort, wo vielleicht in einigen Jahren etwas frei wird, liegt dann leider ein paar hundert Kilometer weiter.“ Trotz dieser Vergleichsfällle bleibt es aber dabei, dass die überwältigende Mehrzahl der Branchen und Jobs in dieser Hinsicht weitaus flexibler sind.

Für Menschen, die in Forschung und Lehre arbeiten möchten, ist es insofern ein Nachteil, wenn sie zufällig mit einer Person zusammen sind und Kinder haben, die das ebenfalls möchte. Doppelangebote könnten ein Mittel sein, diesen Nachteil auszugleichen. Offen ist hier aber natürlich noch die Frage, ob und wie sich ein solches Mittel als verhältnismäßig und anderen gegenüber fair ausgestalten lässt.

Drei Schritte

Wie Doppelangebote zu bewerten sind, ist eine komplexe Abwägungsfrage, die sehr von den konkreten Umsetzungskonzepten abhängt. Daher würde ich die Frage am Ende gerne umkehren: Wie müsste dieses Mittel konzipiert sein, damit die geschilderten Probleme soweit irgend möglich vermieden oder zumindest minimiert werden? Dazu möchte ich drei Schritte vorschlagen, die aus meiner Sicht jeweils einen wichtigen Beitrag leisten würden.

Ein erster Schritt besteht darin, dass die Entscheidung über eine dauerhafte Perspektive in Forschung und Lehre deutlich früher fällt und gleichzeitig die Vergabe von Mittelbau-Jobs für Promovierte deutlich verbessert wird. Einerseits sollten diese häufiger unbefristet sein oder zumindest mit einer klaren Entfristungsperspektive etwa in Form einer Anschlusszusage verbunden werden. Und andererseits sollten sie seltener einzelnen Professuren zugeordnet werden, die sie nach Gutdünken besetzen können, sondern in geregelten Verfahren durch Kommissionen mehrerer Personen am Institut vergeben werden. All das ist auch aus vielen unabhängigen Gründen sehr wichtig; #IchBinHanna lässt erneut herzlich grüßen. Zudem dürfte ein höherer Anteil von gemeinsam vergebenen Dauerstellen im Mittelbau dazu beitragen, dass Doppelangebote institutionell einfacher (oder überhaupt erst) möglich werden.

Ein zweiter Schritt wäre, Best Practices und Verfahren zu etablieren, die eine potenziell mitziehende zweite Person fachlich evaluieren. Der Gerechtigkeitseinwand lässt sich mindestens deutlich abschwächen, wenn das Doppelangebot auf einer unabhängigen, transparenten, fairen und qualitätssichernden Expertise beruht, derzufolge die betreffende Person in der Tat exzellente Arbeit in Forschung und Lehre leistet. Vielleicht könnte dazu eine Ad-Hoc-Kommission gebildet werden, in der Institut und Fakultät eingebunden sind. Es könnte ein Ein-Personen-Vorsingen angesetzt werden. Auch externe Gutachten wären eine gute Sache.

Die Gestaltung solcher Verfahren wäre alles andere als Neuland. Einerseits ließe sich prüfen, wie Doppelangebote in anderen Ländern gestaltet und fachlich geprüft werden. Besonders im englischsprachigen Raum gibt es hier bereits jahrzehntelange Erfahrung. Und andererseits könnten hier auch verwandte Verfahren übernommen und angepasst werden, die auch in deutschen Hochschulen bereits etabliert sind. Wenn eine Person über Formate wie etwa das Heisenberg-Programm der DFG gefördert wird, können schließlich selbst Professuren bereits vorzeitig und ohne offene Ausschreibung neu besetzt werden. Mit solchen Anliegen und der entsprechenden Entscheidungsfindung haben Institute, Fakultäten und Hochschulleitungen bereits einige Erfahrung. Daran könnte man anknüpfen.

Ein dritter Schritt sollte noch stärker auf den Finanzierungseinwand eingehen. Selbst wenn der Mittelbau umgestaltet und qualitätssichernde Verfahren eingesetzt sind, dürfte nicht immer zum richtigen Zeitpunkt die richtige Stelle frei sein. Es fehlt also weiterhin mindestens an einer Übergangsfinanzierung, bis eine Planstelle frei wird. Noch besser für die notorisch klammen Budgets der Fakultäten wären natürlich zusätzliche Stellen. Doch woher sollen die kommen? Hochschulleitungen haben in der Regel strategische Mittel, die sie prinzipiell auch hier einsetzen können. Aber damit verfolgen sie natürlich zunächst einmal ganz unabhängige Ziele.

An dieser Stelle habe ich einen verrückten Traum: einen eigenen Stellenpool, der Doppelangebote für akademische Doppelkarrierepaare unterstützt, und der fakultätsweit, idealerweise sogar hochschulweit, landesweit oder gar bundesweit eingerichtet und finanziert ist. Doppelkarrierepaare könnten sich darauf gemeinsam mit dem ganzen Institut, idealerweise sogar gemeinsam mit Fakultät und Hochschulleitung bewerben. Im Erfolgsfall würde zumindest eine Übergangsfinanzierung gesichert, idealerweise sogar eine zusätzliche Stelle eingerichtet. Die Vergabekriterien des Stellenpools könnten einheitlich, transparent und fair gestaltet werden. Es gäbe fixe Stichtage, externe Gutachten und klare Budgets. Damit wäre das Finanzierungsproblem von einem Verteilungskampf vor Ort in eine gemeinsame Anstrengung transformiert, von der alle profitieren können, akademisch und sogar finanziell.

All dies hätte natürlich auch Nachteile. Beispielsweise würden die im zweiten und dritten Schritt genannten Verfahren viel Zeit und Energie kosten und die ohnehin langen Besetzungs- und Berufungsverfahren nochmals deutlich verlängern. Vielleicht wäre es das aber wert.

Schlussbemerkung

Selbst mit diesen drei Schritten ist sicher noch nicht abschließend geklärt, ob überhaupt, wo und wie akademischen Doppelkarrierepaaren tatsächlich Doppelangebote unterbreitet werden sollten. Aber sie weisen in eine Richtung, die die Situation in jedem Fall deutlich verbessern würde. Wenn die Hochschulsysteme in anderen Ländern solche Perspektiven bieten können, dann sollten auch wir zumindest stärker darüber nachdenken.


David Löwenstein lehrt Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Interessen liegen vor allem in verschiedenen Bereichen der theoretischen Philosophie und der Didaktik der Philosophie. Er leitet das Wissenschaftliche Netzwerk „Argumentieren in der Schule“ und ist Teil des interaktiven Public-Philosophy-Projekts „denXte“, vor allem als Initiator, Koordinator und Co-Host des Podcasts „mitgedacht“.