10 Okt

Brauchen wir Solidarität in der medizinischen Forschung?

Von Svenja Wiertz (Freiburg)

Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in der Zeitschrift Public Health Ethics erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der Zeitschrift kostenlos heruntergeladen werden.

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Solidarität ist in aller Munde. Wir solidarisieren uns mit der Ukraine, Fußballvereine bedanken sich für die Solidarität ihrer Fans, Solidarität ist Grundprinzip von Gewerkschaften im Streik. Im Kontext der Medizin sprechen wir im Zusammenhang mit Solidarität über  Krankenversicherungssystemen, über globale Ungerechtigkeit im Zugang zu Gesundheitsversorgung, oder auch Impfstoffverteilung. Nicht immer ist leicht zu erkennen, ob hier auf ein klar umrissenes Konzept der Solidarität bezuggenommen wird, oder ob diese als modisches Schlagwort fungiert, um die Bedeutung des Anliegens zu unterstreichen. Der folgende Beitrag befasst sich mit der Frage, ob es hilfreich ist, auf Solidarität zu verweisen, um zu begründen, warum Patient:innnen ihre Daten für medizinische Forschungszwecke teilen sollten. Dabei ist vor allem zu klären, wie der Begriff der Solidarität sinnvoll gefasst werden kann, um gehaltvoll zur Diskussion beizutragen.

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01 Okt

Die Rolle Angehöriger bei Morbus Parkinson

Von Julius F. W. Schulten (Düsseldorf)


Wie viel Mitspracherecht sollten Angehörige bei medizinischen Entscheidungen haben? Wie beeinflussen ihre Sorgen und Ängste den Entscheidungsprozess? Wie können Ärztinnen und Ärzte, Patientinnen, Patienten und ihre Familien gemeinsam zu einer informierten und ausgewogenen Entscheidung finden? Medizinethikerinnen und Medizinethiker behandeln diese und weitere Fragen durch strukturierte Modelle der Ethikberatung. Sie schrecken dabei nicht davor zurück, ihren Elfenbeinturm zu verlassen, um vor Ort nach Lösungen zu suchen.

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19 Sep

Prinzipien der Medizinethik – Ein Überblick

Von Julia Bastian (Linz)

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Gesellschaftlich gewinnt der Bereich Ethik immer mehr an Bedeutung. Medizinethik ist dabei ein Gebiet, das tief in das Leben eines jeden einzelnen Menschen eingreifen kann. Medizinethik untersucht das Denken und Verhalten bezüglich der Behandlung menschlicher Krankheit und der Förderung menschlicher Gesundheit und fragt nach dem Gewünschten und Gesollten im Umgang mit menschlicher Krankheit und Gesundheit (Schöne-Seifert, 1996).

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31 Jan

Für Forschendes Lernen braucht man keinen Seminarraum

von Joschka Haltaufderheide (Potsdam) & Katja Kühlmeyer (München)


Eine typische Stellenanzeige, die über den Verteiler der medizinethischen Fachgesellschaften verschickt wird, sucht einen Postdoc für ein neues Drittmittelprojekt. Es soll um die ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen einer neuen digitalen Gesundheitsanwendung gehen. Es stellen sich sozial-empirische und ethisch-normative Forschungsfragen. Das Anforderungsprofil umfasst neben Kenntnissen der sozial-empirischer Forschung und philosophischer Theorie auch Erfahrung im interdisziplinären Arbeiten. Moment einmal – wie werden Forschende am Anfang ihrer Forschungskarriere eigentlich zu solchen komplexen Leistungen befähigt?

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18 Okt

Organisationsethisch basiertes Krankenhaus-Management – am Beispiel des Controlling

von Heinz Naegler (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin)


Die Ergebnisse der auf der Makro- und auf der Meso-Ebene des Gesundheitssystems gefällten Entscheidungen ragen weit in den klinischen Bereich des Krankenhauses hinein[1]. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass angesichts des finanziellen Drucks die Bestandssicherungsinteressen des Krankenhauses patientenbezogene Entscheidungen der Ärzte[1] beeinflussen. Die Verantwortlichen in den Krankenhäusern müssen sich mithin fragen, wie sie mit diesem Druck angemessen umgehen und den Handlungsspielraum der Ärzte so arrangieren wollen, dass diese den Bedarf an medizinischen Leistungen ethisch und rechtlich vertretbar und betriebswirtschaftlich sinnvoll decken können. Beispielhaft anhand der Gestaltung des Controllings wird gezeigt, wie das Management dabei unterstützt werden kann. Es gilt, eine Organisation zu entwickeln, für die nicht nur die Arzt-Patienten-Beziehung, sondern auch die Krankenhaus-Patienten-Beziehung eine auf gegenseitigem Vertrauen gegründete Sorgebeziehung ist.

Die Entscheider auf der Makro-Ebene und jene auf der Meso-Ebene berücksichtigen vielfach nicht, welche Folgen die Ergebnisse der von ihnen gefällten Entscheidungen und deren Umsetzung für die Bedingungen ärztlichen Handelns haben. So ist Politikern, die den jährlichen Haushaltsplan eines Bundeslandes verantworten, offensichtlich nicht immer der Zusammenhang bewusst zwischen

Der Diskurs über diesen Zusammenhang und über die daraus resultierenden Folgen für die Qualität der Patientenbehandlung, aber auch für die Befindlichkeit der behandelnden Ärzte, muss auf der Makro-Ebene begonnen werden. Dabei geht es nicht nur um die Überlebensfähigkeit des Krankenhauses, sondern auch und vor allem um das Vertrauen der Patienten in die sie behandelnden Ärzte, in die Medizin und in die Institution Krankenhaus[2].

Aber auch die Verantwortlichen in den Krankenhäusern müssen sich überlegen, wie sie die auf der Meso-Ebene fraglos vorhandenen Handlungsspielräume nutzen wollen, um die skizzierten Probleme lösen zu können. Die Einführung unter anderem eines Klinik-Kodex und die an die behandelnden Ärzte unter Hinweis auf die darin ausgewiesenen medizinethischen Prinzipien[3] gerichtete Aufforderung, nur medizinethisch vertretbare Leistungen zu erbringen, ist einerseits hilfreich; die damit praktizierte Verlagerung der Lösung des Problems auf die Ebene der Einzelfallentscheidungen und auf die behandelnden Ärzte, greift allerdings zu kurz. Sie berücksichtigt nicht die Wirkungen eines Klimas, in dem die Notwendigkeit der Gewinnerzielung zum Zweck der Investitionsfinanzierung eine zentrale Rolle spielt; in vorauseilendem Gehorsam fällt mancher Arzt eine patientenbezogene Entscheidung, die der Gewinnerzielung dient, die medizinethisch indessen nicht vertretbar ist[4].

Wegen des erheblichen Druckes durch die externen Rahmenbedingungen, müssen die Ärzte durch ein organisationsethisch ausgerichtetes Krankenhaus-Leitungssystem unterstützt werden[5]. Es bedarf einer Institution, die hilft, Mechanismen zu entwickeln und deren Anwendung zu sichern, mit deren Einsatz gewährleistet werden kann, dass bei den Entscheidungen auf der Meso-Ebene bedacht wird, welche Folgen diese auf den Handlungsspielraum der Ärzte und damit auf die Qualität der Patientenbehandlung[6] sowie darauf haben, wie die knappen Ressourcen genutzt werden. Die Organisationsethik regt an zu prüfen, ob die Bedingungen für das Handeln der Ärzte, ob die Strukturen und Prozesse des Krankenhauses, so konfiguriert sind, wie diese sie angesichts der zu verfolgenden Krankenhaus-Ziele und der in diesem gelebten Werte benötigen.

Von zentraler Bedeutung für die Bedingungen ärztlichen und pflegerischen Handelns ist die Art der Gestaltung der verschiedenen Planungsprozesse (= erste Phase des Controllings) zum Beispiel die der Leistungs-, der Investitions- und der Personalplanung). Mit dem Ergebnis der Gestaltungs-Entscheidung „Prozess der Planung“ wird festgelegt, wie der Prozess der Planung organisiert wird – und damit vor allem, wer an diesem Prozess mit welchen Befugnissen beteiligt ist. Wenn mit Hilfe der Planung sichergestellt werden soll, dass die für das Krankenhaus relevanten Werte umgesetzt werden, und wenn bei der zu fällenden Gestaltungs-Entscheidung die Grundpostulate der Planung (dazu zählen unter anderem die Patienten- und die Mitarbeiterorientierung sowie die Begründungspflicht) konsequent berücksichtigt werden, kommt als Ergebnis der Gestaltungs-Entscheidung nur das Gegenstromverfahren in Betracht. Dieses liegt der weiteren Erörterung zugrunde.

Das Gegenstromverfahren verbindet das Top-Down- mit dem Bottom-Up-Verfahren durch einen ständigen Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Leitungsebenen. Es beginnt im Regelfall mit einer groben Top-Down-Planung: Der Geschäftsführer legt die für das nächste Wirtschaftsjahr erwarteten Größen – wie Rendite, Leistungen, Umsatz, Ressourceneinsatz, Behandlungsqualität und Mitarbeiterzufriedenheit – als Entwurf fest. Der Planungs-Entwurf wird – meist von den Mitarbeitern der Controlling-Abteilung – in Entwürfe für die Budgets der klinischen Abteilungen überführt. Diese werden den dafür verantwortlichen Leitenden Ärzten zugeleitet mit dem Auftrag, sie zu kommentieren, gegebenenfalls zu korrigieren und an die Controlling-Abteilung zurückzugeben. Dort werden die betriebswirtschaftlichen Größen der Abteilungsbudget-Entwürfe in den durch die Leitenden Ärzte freigegebenen Fassungen aufeinander abgestimmt und danach zu dem Entwurf des Krankenhaus-Wirtschaftsplanes zusammengefasst. Der Geschäftsführer ordnet – nach der Feststellung des Wirtschaftsplans durch den Aufsichtsrat – die Realisierung der Abteilungsbudgets durch die Leitenden Ärzte an.

Wenn die endgültige, zum Bestandteil des Wirtschaftsplan-Entwurfs gewordene Fassung eines Abteilungsbudgets von der durch den Leitenden Arzt freigegebenen abweicht, bedarf dieses einer ausführlichen und für den Leitenden Arzt akzeptablen Begründung. Erst wenn der davon betroffene Leitende Arzt sich zu der für ihn neuen Fassung des Abteilungsbudgets geäußert hat und wenn möglicherweise das Abteilungsbudget und der Wirtschaftsplan-Entwurf angepasst worden sind, leitet der Geschäftsführer den Wirtschaftsplan-Entwurf an den Aufsichtsrat zur Beschlussfassung weiter. Wenn der Aufsichtsrat mit seinem Beschluss von der zuletzt genannten Fassung des Wirtschaftsplans abweicht mit Konsequenzen für einige oder alle Abteilungsbudgets, bedarf auch dieses einer ausführlichen, für den Geschäftsführer und die Leitenden Ärzte akzeptablen Begründung. 

Am Ende des jeweiligen Planungszeitraums wird kontrolliert, ob die als Ergebnis der Planungen festgelegten Größen erreicht worden sind (= zweite Phase des Controllings). Weil aber die Ergebnisse der den Ärzten zugewiesenen Aufgaben nicht nur von dem Vollzug der einzelnen Arbeitsschritte durch die Ärzte selbst und damit von deren Fähigkeiten, sondern auch von den jeweils gegebenen Bedingungen ärztlichen Handelns abhängen, sind für den Fall von Fehlentwicklungen, die möglicherweise auf Störungen im Leben der Organisation zurückzuführen sind und die das Wahrnehmen der Verantwortung der Ärzte für das Wohlergehen der Patienten beeinträchtigen[7], weitere Kontrollmaßnahmen notwendig – sie dienen im Sinne der Organisationsethik der Diagnose, der Erklärung und der Korrektur der festgestellten Fehlentwicklungen: Es ist zu prüfen, ob

Fazit

Angesichts der Spannungen zwischen einer dem Patientenwohl verpflichteten, evidenzbasierten stationären Gesundheitsversorgung und einem durch andere Interessen, dazu zählen zum Beispiel die Sicherung des Krankenhausbestandes und die Rendite-Erwartung der Krankenhaus-Eigentümer, beeinflussten Handeln  kann das Aufkommen ethisch relevanter Probleme nicht ausgeschlossen werden. Der Handlungsspielraum der stationär behandelnden Ärzte wird durch Entscheidungen auf der Makro- und auf der Meso-Ebene zunehmend eingeschränkt; die berufsethischen Anforderungen an eine an den Bedürfnissen der Patienten orientierten Behandlung werden bei diesen Entscheidungen nicht ausreichend berücksichtigt[8]. Die Organisationsethik stellt einen strukturierten Ansatz dar für das Identifizieren, Analysieren und für die Lösung derartiger Probleme[9].

Ein in diesem Sinne gestaltetes Controlling-Konzept nimmt nicht nur das Handeln der Ärzte und die von diesen erarbeiteten Ergebnisse in den Blick – wie das Controlling, das überwiegend im Krankenhaus-Alltag praktiziert wird. Seine Aufgabe ist es, das Krankenhaus-Management dabei zu unterstützen, die Werte, denen sich das Krankenhaus verpflichtet hat, umzusetzen; es wird angeregt, eine Organisation zu konfigurieren, die Ärzten den Freiraum sichert, den diese für medizinethisch vertretbares und betriebswirtschaftlich zweckmäßiges Handeln benötigen.

Von zentraler Bedeutung für das Erreichen dieses Zieles ist es, dass die Gestaltungs-Entscheidungen die Ergebnisse einer argumentativen, dialogischen Verständigung sind, einer Verständigung, an der neben dem Geschäftsführer Vertreter aller Hierarchieebenen, Berufsgruppen und Organisationseinheiten beteiligt sind.


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in Ethik in der Medizin erschienen ist.


Prof. Dr. Heinz Naegler leitete bis 1997 Krankenhäuser in Berlin und in Wien. In Wien war er verantwortlich für den Wiener Krankenanstaltenverbund (jetzt: Wiener Gesundheitsverbund), den größten kommunalen Krankenhausträger im deutschsprachigen Raum. Danach entwickelte er für die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin den postgradualen Studiengang „Health Care Management“, der nicht nur in Berlin, sondern mit seiner Unterstützung später auch durch die Medizinische Universität Wien und die Peoples Friendship University of Russia in Moskau angeboten wurde. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte beinhalten Ökonomisierung der Medizin (siehe Fußnote 4) und Organisationsethik in Krankenhäusern.


[1] Der Arzt wir stellvertretend für Pflegefachkräfte, Therapeuten und die Vertreter anderer patientennahen Berufsgruppen genannt.

[1] Kettner M (2005) Wozu Organisationsethik im Krankenhaus? In: Krukemeyer M G et al. (Hrsg) Krankenhaus und soziale Gerechtigkeit. Schattauer, Stuttgart, S. 30

[2] Heller A, Krobath Th (2003) OrganisationsEthik – Worum geht es? In: A. Heller & Th. Krobath (Hrsg.), OrganisationsEthik – Organisationsentwicklung in Kirchen, Caritas und Diakonie, Lambertus, Freiburg im Breisgau, S. 10

[3] Beauchamp T L, Childress J F (2019) Principles of Biomedical Ethics, 8th Edition, Oxford University Press. New York, S. 99 ff.; Naegler H (2021) Medizin auf der Grundlage einer treuhänderischen Sorgebeziehung. In: Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement, Heft 2, S. 97 ff.

[4] Naegler H, Wehkamp K-H (2018) Medizin zwischen Patientenwohl und Ökonomisierung – Krankenhausärzte und Geschäftsführer im Interview. Mit einem Geleitwort von Georg Marckmann, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 54

[5] Marckmann G (2021) Ökonomisierung im Gesundheitswesen als organisationsethische Herausforderung. In: Ethik in der Medizin, Band 33, Heft 2, S. 194

[6] Woellert K (2021) Praxisfeld Klinische Ethik – Theorie, Konzepte, Umsetzung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 33

[7] Kettner M (2021) Miseren des Krankenhauses, institutionelle Pathologien und klinische Organisationsethik. In: Ethik in der Medizin, Band 33, Heft 2, S. 168

[8] Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (2013) Ärztliches Handeln zwischen Berufsethos und Ökonomisierung. Das Beispiel der Verträge mit leitenden Klinikärztinnen und -ärzten. In: Dtsch Arztebl 110 (38), S. A 1752

[9] Marckmann G (2021) a.a.O., 193 ff.

24 Aug

Was können wir von der Philosophie lernen, um Diskriminierung im Gesundheitswesen entgegenzuwirken?

Maximiliane Hädicke auf Basis des gemeinsamen Aufsatzes mit Claudia Wiesemann, der in der Ethik in der Medizin (EiM) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Seite der EiM kostenlos heruntergeladen werden und entstand im Rahmen des BMG-geförderten Forschungsprojekts Trans*Kids.

Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden:


Wird von Diskriminierung gesprochen, geht es um eine spezifische Form der Ungleichbehandlung. Doch worin genau liegt die Spezifik? Darüber wird in der Philosophie anhaltend diskutiert (vgl. Klonschinski 2020). Obwohl die Debatte um den Begriff kontrovers ist und mitunter sehr abstrakt geführt wird, lassen sich auch für die Praxis wichtige Überlegungen extrahieren. Ein Ziel unseres Aufsatzes war es, diese für das Handlungsfeld der Medizin und die anwendungsorientierte Debatte der Medizinethik aufzubereiten. So ist es, etwa für im Gesundheitswesen tätige Personen wichtig, identifizieren zu können, wer von Diskriminierung betroffen sein kann. Im Folgenden werden drei Argumentationsstränge zu dieser Frage skizziert und ein kurzer Ausblick auf ethische Schlussfolgerungen für die Praxis gegeben.

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10 Jun

Alles noch normal? Im Graubereich zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Erkrankung

Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in Ethik in der Medizin erschienen ist.


Von Tobias Skuban-Eiseler (München)


„Neulich habe ich kurz vor dem Einschlafen den Eindruck gehabt, komische Dinge zu sehen. Es war, als ob ich wirklich mitten in einem Film wäre. Bin ich noch normal oder schon psychisch krank?“ Diese Frage wurde mir neulich durch einen Patienten gestellt. Ich konnte ihn schnell beruhigen und darauf hinweisen, dass dieses bekannte Phänomen als „hypnagoge Halluzinationen“ bezeichnet wird und er nicht an einer psychischen Erkrankung leidet. Beim Nachdenken über dieses Gespräch hatte ich allerdings das Gefühl, dass da irgendetwas in der Kommunikation nicht ganz stimmig war. Völlig intuitiv hatte ich beigepflichtet, dass es sich bei den Begriffen „Normalität“ und „psychische Erkrankung“ um ein Gegensatzpaar handelt. Zumindest hatte ich an der Formulierung des Patienten keinen Anstoß in Bezug auf die Begriffslogik genommen. Dass ich damit nicht alleine stehe, zeigt sowohl der alltagssprachliche Gebrauch wie auch die wissenschaftliche Literatur. Auch hier wird „Normalität“ und „psychische Erkrankung“ durchaus als Gegensatzpaar verwendet. Ist dem aber wirklich so und wenn nicht – birgt eine solch möglicherweise ungerechtfertigte Verwendung der Begriffe auch Gefahren?

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