Vernunft inmitten des Kampfplatzes der Welt – Zur unabgegoltenen Hoffnung der kantischen Idee von Emanzipation
Gregor Schäfer (Universität Basel/University of London)
Als das Ideal eines gegenüber allen unbegründeten Anmaßungen kritischen Denkens und einer praktisch in weltbürgerlicher Absicht wirksamen Selbstbestimmung mündiger Menschen hat die Aufklärung in Kants Werk ihren bedeutsamsten philosophischen Referenzpunkt. Blickt man indes den heutigen Weltzustand an, hat die Diagnose durchaus einige Plausibilität, dieses Ideal der Aufklärung sei gescheitert oder befinde sich zumindest in einer tiefen Krise. Die These, dass das menschliche Geschlecht „im Fortschreiten zum Besseren immer gewesen sei und so fernerhin fortgehen werde“i, mag spätestens nach dem 20. Jahrhundert als hoffnungslos naiv zurückgewiesen werden. Der Wahlspruch der Aufklärung, „habe den Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“,ii mag angesichts der objektiven Übermacht einer kulturindustriellen (Schein-)Öffentlichkeit, die, wie Horkheimer und Adorno es kritisierten, „Aufklärung als Massenbetrug“ betreibt, als ideologisch oder gar in eine eigentümliche „Dialektik der Aufklärung“ verstrickt erscheinen.iii In dieser letzteren Linie mögen, im Lichte neuerer Diskussionen, das Projekt der Aufklärung und der mit ihm verbundene Universalismus schließlich überhaupt als Ausfluss partikularer europäischer Herrschaftsverhältnisse verdächtigt werden.
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