Das Sokratische Gespräch als eine Methode der praktischen Philosophie
Von Kay Herrmann (Chemnitz)
Hat recht, wer am lautesten und am medienwirksamsten seine Meinung kundtut? Kann sich nur durchsetzen, wer die größte Lobby hat? In einer Zeit erstarkender autokratischer Staatsoberhäupter verliert das Argument an Gewicht. An dessen Stelle treten Selbstinszenierungen. Faktisches wird durch Blendwerk ersetzt. Es lassen sich Parallelen zur Sophistik ziehen: „durch falsche Dialektik das Wahre mit dem Falschen zu verwirren und durch Disputieren, Widerspruch und Schönschwatzen Beifall und Reichtum zu erwerben“ (vgl. Kirchner/Michaëlis, 1907, S. 585). Was liegt näher, als sich auf Sokrates zu besinnen: Postfaktizität (Täuschung und ideologische Verzerrungen) enttarnen, die Tragfähigkeit eines gemeinsamen Fundaments ausloten, nach dem suchen, das dem Faktischen als Bedingung seiner Möglichkeit vorhergeht, dem ‚Präfaktischen‘ (als Apriori von Kant als eigentlicher Inhalt der Philosophie gedacht). Sokrates’ Methode ist die Mäeutik, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat.
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