von Gottfried Schweiger (Salzburg)
Für viele, mich eingeschlossen, wirkt die Szenerie surreal.
Heute, Sonntag, der 15. März 2020, ist der letzte Tag einer Woche, die von
einer ständigen Eskalation der Ereignisse hier in Österreich, in ganz Europa
und manchen anderen Teilen der Welt, geprägt war. Ab morgen sind alle Schulen
und die meisten Geschäfte geschlossen und Restaurants und Cafés dürfen nur noch
bis 15.00 Uhr geöffnet haben. Die Universitäten laufen auf Notbetrieb, alles
online und die so beliebte Tätigkeit des Besuchs von Tagungen und Vorträgen ist
vollständig zum Erliegen gekommen. Gestern gab es, angetrieben durch fake news,
die über die Sozialen Medien und Whatsapp verbreitet wurden, in den
Supermärkten teils chaotische Zustände, Hamsterkäufe, leere Regale
(insbesondere Klopapier, Nudeln, passierte Tomaten und Damehygieneartikel waren
beliebt) und lange Schlangen vor den
Geschäften und Kassen. Aus Italien hört man immer wieder Schreckensmeldungen
über ein zusammenbrechendes Gesundheitssystem, über immer mehr Kranke und Tote
und die Notwendigkeit, darüber zu entscheiden, wer noch behandelt und wer
seinem Schicksal überlassen wird. Welchen Beitrag kann eine philosophische
Reflexion hier überhaupt leisten? Gibt es nicht wesentlich wichtigere Dinge
gerade als abstrakte Theorien und Argumente zu wälzen? PhilosophInnen sind
keine ÄrztInnen und keine sonstigen wichtigen Fachkräfte, die wir brauchen, um
so eine Krise zu überstehen und Menschenleben zu retten. Zumindest nicht
direkt. Ihre Tätigkeit des Abwägens und Ergründens liegt vor oder nach der
Krise, meist nicht mittendrin.
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