12 Mai

Deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine. Ein Offener Brief mit guten, aber nicht universell verpflichtenden moralischen Gründen

von Stephan Wagner (Münster)


In den vergangenen Tagen sorgte ein Offener Brief für einigen medialen Aufruhr, in dem eine Gruppe erstunterzeichnender Prominenter, unter ihnen einige prominente Jurist*innen und Philosoph*innen, den Bundeskanzler zu Besonnenheit in der Ukrainekrise mahnt und ihn ausdrücklich dazu auffordert, „weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine [zu] liefern“. Inhaltliche Hauptargumente des Briefes, bezüglich derer „Grenzlinien […] jetzt erreicht“ seien, sind die kategorisch abzuwendende Gefahr eines Atomkriegs sowie das Leiden der ukrainischen Zivilbevölkerung.

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10 Mrz

Wir alle sind Teilnehmende des medialen Krieges

von Johannes Müller-Salo (Hannover)


Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden:


Der Angriff Wladimir Putins auf die Ukraine zerstörte über Nacht Gewissheiten, die vermutlich die meisten Menschen in Europa und in der westlichen Welt für unerschütterlich gehalten hatten. Für die Philosophie des Krieges und der Gewalt stellen sich nun sehr alte Fragen neu. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Rolle der sozialen Medien – und damit die Rolle von uns allen, die wir täglich mit, über und in diesen Medien kommunizieren. Es braucht die Entwicklung einer Ethik der medialen Kriegsteilnahme.

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08 Mrz

Nachdenken über den Frieden in Zeiten des Krieges

Von Philipp Gisbertz-Astolfi (Göttingen)


Es tobt ein Krieg in Europa. Was vor Kurzem noch undenkbar schien, ist heute traurige und schockierende Realität. Die philosophische Ethik des Krieges bietet vieles, was sie uns Bereicherndes über diesen Krieg lehren kann. Am Ende bringt sie uns dorthin, woran ohnehin kein Zweifel bestehen darf und kann: Dieser Krieg ist ungerecht und verwerflich. Ich will hier einen anderen Fokus wählen, einen Ansatz der Hoffnung, einen Blick auf das gerade beinahe Undenkbare: den Frieden.

Keine Frage: Als Ethiker:in sollte man sich nicht vor dem Ungerechten verstecken, sollte es aushalten, dass einen diese Ungerechtigkeit zur Verzweiflung bringt, und dennoch weiter darüber nachdenken, Gedanken und Argumente sortieren und die Vernunft und Moral vor jenen zynischen Stimmen verteidigen, die sie entweder mit Lügen verdrehen oder mit einem vorgeschobenen und nur scheinbaren Realismus bestreiten. In der Ethik des Krieges finden wir zahlreiche kluge und leider aktuell allzu notwendige Argumente gegen einen solchen Realismus und gegen einen solchen Krieg. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis: Selbst, wenn man die von der russischen Regierung vorgeschobenen Kriegsgründe für bare Münze nehmen würde, selbst, wenn man annähme, dass die zum Teil absurden Behauptungen stimmten, würde das nicht genügen, um diesen Krieg ethisch zu rechtfertigen.

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04 Mrz

Friedens- und Sicherheitslogik zusammen denken

von Michael Haspel (Erfurt)


Im Bereich der politischen Philosophie der internationalen Beziehungen ist schon länger zu beobachten, dass angesichts der weltpolitischen Verschiebungen, die insbesondere mit dem Aufstieg Chinas verbunden sind, (neo-)realistische Ansätze, die vor allem wirtschaftliche und geostrategischen Interessen fokussieren, Konjunktur haben. Sogenannte „liberale“ Ansätze, die auf die Verrechtlichung und Institutionalisierung von Konflikten setzen, sind entsprechend zunehmend in der Defensive. Der Angriff Russlands auf die Ukraine scheint dieser Entwicklung nun Recht zu geben.

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28 Feb

Krieg und Frieden

von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wird einhellig als historische Zäsur verstanden. Dieser Krieg erzeugt durch die geographische, kulturelle und politische Nähe eine Betroffenheit, die ungleich größer ist als bei Kriegen in der Distanz. Ja, auch bei vielen anderen Kriegen (zum Beispiel dem Irakkrieg 2003) gab es Proteste und eine öffentliche Diskussion, wie Frieden erreicht werden könnte. Die Sorgen sind nun, da der Krieg von einem autoritär regierten Russland gegen ein europäisches Land geführt wird, jedoch ungleich größere. Es mehreren sich die Stimmen, dass Frieden vor allem durch Aufrüstung und gegenseitige Abschreckung aufrechterhalten werden kann und dass es ein militärisch starkes Europa braucht. Die wirtschaftlichen Folgen dieses Kriegs und der verhängten Sanktionen werden ebenso spürbar sein – die Abhängigkeit vom russischen Gas ist groß –, wobei zu erwarten ist, dass die Lasten einer Teuerung vor allem die einkommensschwache Bevölkerung treffen werden (sowohl in Europa als auch in Russland). Ob und wann und durch welche Maßnahmen Russland zum Frieden gezwungen werden kann und welche mittel- und langfristigen Folgen dieser Krieg haben wird, ist noch nicht abzusehen. Die Hoffnung ist, dass es schnell zu Frieden kommt und sich die Ukraine nicht in ein zweites Afghanistan, Irak oder Syrien verwandelt. Der Weg der Ukraine – und auch der Russland – muss rasch in Demokratie und Frieden führen.

Dennoch sind auch in diesem Konflikt nicht alle Fragen einfach zu beantworten – weder die militärischen, politischen, ökonomischen noch die ethischen und philosophischen. Es stellen sich Fragen der Legitimität einer militärischen Unterstützung und Intervention, der moralischen Pflichten der europäischen Staaten gegenüber der Ukraine, der Bevölkerung, die vor Ort ist und jenen Menschen, die in sichere Häfen fliehen (wollen). Müssen Frieden und soziale Gerechtigkeit (in der Ukraine, in Russland, in Europa) Hand in Hand gehen? Wie Frieden unter nicht-idealen Bedingungen einer multipolaren Welt, in der auf allen Seiten konkurrierende geostrategische und ökonomische Interessen herrschen, geschaffen werden kann, ist die zentrale Frage, aber auch worin eigentlich der moralische relevante Unterschied zwischen diesem Krieg und anderen besteht, die differenzierte Reaktionen der europäischen Staaten legitimieren. Wer trägt die (moralische) Verantwortung für diesen Krieg und was bedeutet es überhaupt diese Frage zu stellen – Putin alleine, seine Unterstützer, all jene, die lange Jahre gute Geschäfte mit ihm gemacht haben? Dieser Krieg wird nicht nur in der Ukraine geführt, sondern auch in den (sozialen) Medien, in denen fake news einfach und massenhaft verbreitet werden können. Ist es die richtige Reaktion hierauf mit Verboten zu antworten, wie es die EU nun tut, indem sie die von der russischen Regierung kontrollierten Medien Russia Today und Sputnik sperrt? Welche Verantwortung haben die Medien, damit die Wahrheit nicht das erste Opfer wird? Schließlich geht es auch um uns selbst: Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?

Während Krieg herrscht scheint es nicht dringlich, ja vielleicht sogar pietätlos, Philosophie zu betreiben. Vor allem Philosophie, die sich mit Krieg und Frieden auseinandersetzt und die auch dabei notwendigerweise abstrakt, distanziert und kühl erscheinen muss. Es schreibt sich vielleicht zu einfach aus der Distanz über Tod und Leid, wenn man in der gemütlichen Stube einer westeuropäischen Universität sitzt, während anderswo die Bomben fallen. Natürlich lässt sich hier einwenden, dass leider immer irgendwo auf der Welt Krieg herrscht und ebenso, dass alle globalen Ungerechtigkeiten und die vielen Leiden auf die die Philosophie reflektiert, grausame Wirklichkeit für viele Millionen Menschen sind (zum Beispiel globale Armut, Ausbeutung, Flucht oder Menschenrechtsverletzungen). Darf, ja soll, die Philosophie sich nun in die öffentliche, mediale, politische und wissenschaftliche Debatte einbringen? Was hat sie dafür überhaupt anzubieten aus dem großen Fundus ihrer älteren und jüngeren Geschichte in der Krieg und Frieden durchaus intensiv analysiert wurden? Vielleicht ist nun die Zeit für die akademische Philosophie zu schweigen. Aber was würde das über die Philosophie aussagen, würde das nicht bedeuten, dass ihre Reflexionen nur als Feierabendvergnügen taugen, die angesichts der bitteren Realität wenig bis nichts wert sind?