Zum Abschluss oder: das Ende der Auseinandersetzung ist erst ihr Anfang!

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg) Wir haben in den letzten Monaten auf praefaktisch eine Reihe von Blogposts zum Thema Vereinbarkeit lesen dürfen. Einige beschrieben, wie groß das Problem ist, wenn man eine wissenschaftliche Karriere oder ein philosophisches Studium mit der Sorge…

‹Führerschein› für Eltern?

Von Johannes Giesinger (Zürich) «Wer ein Kind bekommen will, sollte erst einmal psychologisch abgeklärt werden» – so der Autor Michael Nast (Instagram-Post vom 13. Juni 2023). Er benutzt in diesem Kontext auch den Begriff des ‹Elternführerscheins›: Wer ein Kind aufziehen will, so vorher einen Eignungstest bestehen. Nast spricht von möglichen…

Erzwungenes Verstehbar-Machen

Von Flora Löffelmann (Wien) „Bist du ein Mädchen oder ein Junge?“ Trans[1] oder genderqueere[2] Personen werden oft dazu aufgefordert, sich „verstehbar“ – also nachvollziehbar oder fassbar – zu machen. Dieser Beitrag beleuchtet diese erzwungene „Erklärarbeit“. Dabei steht der Machtmechanismus „rhetorisch-epistemische Unterdrückung“ (REU) im Fokus. Dieser bestimmt, dass Personen oft nur…

Ziviler Ungehorsam – wo ist Dein Standort? Ein Kurztrip zwischen Mottenkiste, Moral und Verfassungsrecht

Von Eckardt Buchholz-Schuster (Coburg) In regelmäßigen Intervallen wird ziviler Ungehorsam in Demokratien gesellschaftlich, politisch und rechtlich aktuell, so auch seit einiger Zeit wieder in Deutschland. Und jedes Mal hat es fast den Anschein, als ob diese rechtsphilosophisch seit langem differenziert und aus verschiedenen Perspektiven ausgeleuchtete Kategorie nicht nur auf praktischer,…

Robert Bernasconi on the relationship between phenomenology and critical philosophy of race

In Kooperation mit dem Journal für Phänomenologie veröffentlichen wir dieses Interview mit Robert Bernasconi, geführt von Marc Rölli, zum Verhältnis von Phänomenologie und critical philosophy of race und Postkolonialismus, u.a. mit Bezug auf bei Sartre, Levinas, Heidegger und Kant. Marc Rölli: In German-language phenomenology, to this day your work not only on…

Weniger ist mehr (und vor allem fair)!  Wie eine Obergrenze bei Bewerbungen mehr Vereinbarkeit herstellen könnte

Von Christine Bratu (Göttingen) In dieser Reihe konnte man bereits einiges dazu nachlesen, wie es wirklich um die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und wissenschaftlicher Arbeit in Deutschland bestellt ist. Als wichtiges Problem für Vereinbarkeit haben sich dabei die Anforderungen herauskristallisiert, die Wissenschaftler:innen erfüllen müssen, um aktuell zu reüssieren – wobei dies…

Der moderne „Kampf“ um die Menschenwürde

Von Holger Gutschmidt (Göttingen) Daß der Mensch „Würde“, „Menschenwürde“, genieße, ist weder eine besonders alte, noch eine besonders selbstverständliche Meinung. Wenn wir nicht von der Wortgeschichte ausgehen (die freilich bis zu Cicero reicht), sondern von dem Begriff der jedem einzelnen Menschen intrinsisch – nur als Menschen betrachtet – zukommenden Rechte,…

Phänomenologie und Perspektiven post- und dekolonialer Kritik

von Marc Rölli (HGB Leipzig) Die Phänomenologie mit ihrer post- und dekolonialen Kritik zu konfrontieren, kann als ein aktuelles, modisches oder brennendes Anliegen betrachtet werden. Es mehren sich die Stimmen, die der Philosophie in ihren verschiedenen Spielarten nicht nur eurozentrische, sondern ›koloniale‹ Züge attestieren. Womöglich also ist es ›an der…

Wie Erzählungen Wissenssubjekte dehumanisieren

Von Natalie Giuseppina Duţescu (Oldenburg) Fassungslos stehen wir vor den Ereignissen, die den Nahost-Konflikt in bisher unbekannten Dimensionen neu entfacht haben und ihn seitdem weiter befeuern. Die Philosophie als Wissenschaft kann als Beitrag einen gemeinsamen Boden zur Rückgewinnung dieser Fassung leisten. Sie kann Rahmenbedingungen entwickeln, diese Ereignisse zu deuten und…

Erinnerungspolitik und Demokratie

Prof. Dr. Peter Niesen im Gespräch mit Dr. Sarah Rebecca Strömel Welche Bedeutung haben Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik für unsere heutige Demokratie? Welche Lehren können wir für unsere Demokratie aus der Vergangenheit ziehen? Wie können wir mit den gerade wieder besonders sichtbar werdenden antisemitischen Tendenzen umgehen und kommt uns als PolitikwissenschaftlerInnen…

Für eine Neuregelung der pandemiebedingten Triage

Von Norbert Paulo (Berlin und München) Der Marburger Bund unterstützt eine Verfassungsbeschwerde gegen die Regelung der Triage im Infektionsschutzgesetz. Eine gute Gelegenheit, das Gesetz vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen: Das Verbot der Ex-post-Triage macht alle anderen Triage-Regelungen praktisch irrelevant.

Anti-antisemitische »Staatsraison«?

Eine Antwort auf Igor Levits Beschwerde über fatales Schweigen angesichts der jüngsten islamistischen Demonstrationen in Deutschland von Burkhard Liebsch (Universität Bochum) In einem langen Interview beklagte kürzlich der bekannte Pianist Igor Levit in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT ein fatales Schweigen über die jüngsten antisemitischen Proteste auf deutschen Straßen, in denen…

Über die epistemische Ungerechtigkeit alltäglicher Kommunikation

Von Jonathan Assmus (Universität Bremen) Epistemische Ungerechtigkeit ist ein allzu alltägliches Phänomen. Wer erst anfängt ihre Zeichen zu erkennen, wird nicht umhinkommen, sie wiederzufinden, wohin der Blick auch fällt. So werden Phänomene sichtbar, die in der Dunkelheit sozialer Missstände verbleiben würden, gäbe es nicht die Möglichkeit sie als epistemische Ungerechtigkeit…

Umkämpfte Deutungen von Adam Smith

Von Dirk Schuck (Erfurt) Was sich zum 300. Geburtstag von Adam Smith sicher konstatieren lässt, ist, dass sein Werk eine bewegte Deutungsgeschichte hinter sich hat. Nicht zuletzt in der jüngeren Vergangenheit sind diese Deutungskontroversen zumindest im akademischen Diskurs wieder verstärkt sichtbar geworden.

Der Tod als etwas Unbekanntes

Sokrates mit erhobenem Zeigefinder greift zum Schierlingsbecher

Von Susanne Burri (Konstanz) Fürchten Sie sich vor Ihrem eigenen Tod? Den meisten von uns wird es mulmig zumute, wenn wir uns die Endlichkeit unserer irdischen Existenz klar vor Augen halten. Philosophen haben aber immer wieder argumentiert, dass diese Furcht – egal wie weit verbreitet sie auch sein mag –…

Müssen in einer Demokratie immer alle mit allen reden? Über die Herausforderungen des Populismus an Universitäten


von André Brodocz (Universität Erfurt) Dies ist der dritte und damit letzte Beitrag unserer kleinen Reihe rund um das große Thema „Herausforderungen der Demokratie(theorie)“, die wir in Kooperation mit dem Theorieblog veröffentlichen. Den Auftakt machte ein Beitrag von Tine Stein über “Resiliente Demokratie und die Polykrise der Gegenwart”, es folgte ein Beitrag…

Ein neues Unbehagen in der Demokratietheorie?

von Oliver Hidalgo (Universität Passau) Dies ist der zweite Beitrag unserer kleinen Reihe rund um das große Thema „Herausforderungen der Demokratie(theorie)“, die wir in Kooperation mit dem Theorieblog veröffentlichen. Den Auftakt machte ein Beitrag von Tine Stein über “Resiliente Demokratie und die Polykrise der Gegenwart”, nächsten Donnerstag (14.12.) gibt André Brodocz Antworten…

Judenhass im Namen von Freiheit und Würde

Bild des Eintrags Antisemitismus im Wörterbuch

Joël Ben-Yehoshua (Jena) „Nicht den Juden, unsern Brüdern, sondern der Judenschaft dem Judenstaat erklären wir den Krieg“ In Anbetracht des antisemitischen Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 und der teils verstörenden globalen Reaktionen darauf hat Philip Hogh darauf aufmerksam gemacht, dass es eine „genuine Aufgabe kritischer Theorien“ ist, das…

Resiliente Demokratie und die Polykrise der Gegenwart

von Tine Stein (Georg-August-Universität Göttingen) Dies ist der Auftakt zu einer Reihe von insgesamt drei Beiträgen rund um das große Thema „Herausforderungen der Demokratie(theorie)“, die wir in Kooperation mit dem theorieblog in den nächsten Wochen immer donnerstags veröffentlichen. Am 7.12. folgt ein Beitrag von Oliver Hidalgo zum Thema „Ein neues Unbehagen…

Zwei Begriffe der Wissenschaftsfreiheit? Eine Replik auf Karsten Schubert

Von Dieter Schönecker (Siegen) Der Berliner Philosoph Karsten Schubert kritisiert in seinem Aufsatz über „Zwei Begriffe der Wissenschaftsfreiheit“ den (angeblichen) Begriff, den das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit (NW) verwende. Dieser sei unpolitisch, man bedürfe aber eines kritisch-politischen Begriffs. Schubert irrt. Weder operiert das NW mit einem unpolitischen Begriff von Wissenschaftsfreiheit noch lässt…

Unsicherheit in der IT-Sicherheit

Von Kaya Cassing (Bochum) und Sebastian Weydner-Volkmann (Bochum) Die Sicherheit unserer IT-Infrastruktur ist von äußerster Relevanz für unsere digitalisierte Gesellschaft [[1]]. Die Forschung zur IT-Sicherheit übernimmt hier eine zentrale Rolle, wirft aber zugleich ethische Probleme auf, deren Bewältigung derzeit noch kaum Aufmerksamkeit erfährt. In diesem Beitrag soll ein wesentlicher Aspekt…

Meditation über den Begriff der „Vereinbarkeit“

von Coretta Ehrenfeld Einatmen. Der Begriff der Vereinbarkeit weist auf zwei Voraussetzungen seiner selbst: Erstens müssen mindestens zwei Elemente gegeben sein, die getrennt voneinander existieren, um gegebenenfalls „vereinbart“ werden zu können. Zweitens verweist der Begriff mit der Silbe „bar“ auf die Frage hin, ob etwas vereint werden kann oder nicht.…

Das Alter bekämpfen oder akzeptieren? Eine philosophische Perspektive auf das gute Leben im Alter

Von Nadine Mooren (Münster) Der Schriftsteller Jean Améry hat den Umgang mit dem Alter einmal auf die folgende Alternative gebracht: Wir könnten dagegen revoltieren oder resignieren. Für Améry ist die Revolte gegen das Alter der einzig sinnvolle Weg. Im Fundus der Philosophiegeschichte lassen sich jedoch auch Philosoph*innen entdecken, die dafür…

Splitter zur Philosophie des Flirtens

Von Gottfried Schweiger (Salzburg) [1] Liebe ist ein klassisches Thema der Philosophie. Der Prozess des Verliebens schon weniger und wenn es ums Flirten geht, hat die Philosophie – bislang – fast nichts zu sagen. Dabei ist Flirten nicht nur eine häufig anzutreffende und bei vielen Menschen beliebte Interaktion, sie wirft…

Der Universalismus der Aufklärung trotz postkolonialer Abgesänge

von Arnd Pollmann (Berlin) Nur wenige Tage nach den grauenvollen Gewaltverbrechen der Hamas formuliert Philipp Sarasin auf dem Blog Geschichte der Gegenwart eine dezidiert postkoloniale Kritik an Omri Boehms (2022) Plädoyer für einen „radikalen Universalismus“.[*] Das Timing dieser Auseinandersetzung wirkt zunächst ungünstig: Auf Seiten vieler politisch „links“ stehender Menschen herrscht…