26 Mrz

Die liberale Demokratie und ihre inneren und äußeren Feinde

Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig im Gespräch mit Dr. Sarah Rebecca Strömel

Was macht unsere Demokratie im rechtsstaatlichen, liberalen Sinne aus? Wie können und müssen wir mit den äußeren und inneren Feinden der Demokratie umgehen? Und was hat Identitätspolitik mit den inneren Gefährdungen der Demokratie zu tun? Diese und weitere Fragen stellt Dr. Sarah Rebecca Strömel im Interview mit Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig, die bis 2022 Inhaberin der Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Passau war. Sie ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande und Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Das Gespräch findet im Rahmen der Interviewreihe „Säulen der Demokratie“ statt, die vom Lehrstuhl für Politische Philosophie, Theorie und Ideengeschichte der Uni Regensburg in Kooperation mit „praefaktisch“ produziert und ausgestrahlt wird. Folgende Fragen kommen zur Sprache:

00:00 Herzlich willkommen, Frau Zehnpfennig

00:39 Definition „Liberale Demokratie“ Was macht die Demokratie im liberalen, rechtsstaatlichen Sinne aus?

02:26 Feinde der Demokratie Teilen Sie die weit verbreitete Diagnose, dass die liberale Demokratie von innen und von außen gefährdet ist? Und wenn ja: Wieso ist sie gerade jetzt besonders bedroht?

04:40 Populismus als Gefahr? Mit Blick auf die anstehenden Wahlen im In- und Ausland: Manche Demokratietheorien sehen populistische Tendenzen, z.B. mit radikalen Gegnerschaften, als etwas Produktives. Ist Populismus aus Ihrer Sicht ausschließlich destabilisierend?

08:04 Demokratie unter Druck – innere Bedrohungen Welche Phänomene gefährden die Demokratie von innen heraus?

10:15 Identitätspolitik Könnten die genannten Krisenphänomene ein Grund dafür sein, warum sich verschiedene Gruppen als Kollektive in Abgrenzung zu anderen definieren? Wieso ist Identitätspolitik omnipräsent?

14:18 Wie umgehen mit Gruppen-Egoismen? Wie könnte die Demokratie darauf reagieren, wenn bestimmte Gruppen besonders laut sind und die schweigende Mehrheit übertönen?

16:47 Die Rolle der Wissenschaft Sehen Sie die Politikwissenschaft angesichts der Bedrohungen der Demokratie in besonderer Verantwortung – und wie werden wir dieser Verantwortung gerecht?

21 Mrz

Elternschaft ohne Liebschaft: Co-Elternschaft und gesellschaftliche Normen

Von Johanna Rensing (Basel)


Seit einigen Jahren entstehen neue Formen von Elternschaft. Ein Beispiel dafür ist die Co-Elternschaft. Eine Co-Elternschaft unterscheidet sich von einer traditionellen Elternschaft dadurch, dass die Eltern keine romantische Paarbeziehung miteinander führen. Die Co-Elternschaft steht oft unter Generalverdacht weniger geeignet zu sein, als eine traditionelle Elternschaft, um Kinder zu erziehen. Ist die Abwesenheit einer romantischen Paarbeziehung ein Hindernis für gemeinsame Elternschaft?

Weiterlesen
19 Mrz

Epistemische Handlungsfähigkeit in Unterdrückungskontexten: Kann Schweigen (epistemischer) Widerstand sein?

Von Hilkje C. Hänel (Potsdam)

In diesem Beitrag soll ein Fokus auf der epistemischen Handlungsfähigkeit oder Agency marginalisierter Wissender liegen; also jenen Personen, die oftmals systematisch von ungerechten epistemischen Praktiken betroffen sind. Tatsächlich betrachtet der hier gewählte Fokus, ein philosophisches Feld, dass Philosoph*innen of Colorebenso wie indigene Philosoph*innen schon seit langem bespielen. Im Folgenden wird zunächst betrachtet, wie Theorien der Handlungsfähigkeit mit Unterdrückungskontexten umgehen – und leider teilweise an deren Komplexität scheitern –, um dann zu zeigen, dass epistemische Handlungsfähigkeit als widerständige Handlungsfähigkeit auch ganz anders gedacht werden kann. Dabei kann aber selbstverständlich nur ein kleiner Einblick gegeben werden, der den Theorien, die sich mit epistemischem Widerstand auseinandersetzen sicher nicht gerecht werden kann. Hier soll vielmehr angedeutet werden, dass die Debatte um epistemische Ungerechtigkeit viel komplexer und größer ist als oftmals angenommen.

Weiterlesen
14 Mrz

Zum Abschluss oder: das Ende der Auseinandersetzung ist erst ihr Anfang!

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg)


Wir haben in den letzten Monaten auf praefaktisch eine Reihe von Blogposts zum Thema Vereinbarkeit lesen dürfen. Einige beschrieben, wie groß das Problem ist, wenn man eine wissenschaftliche Karriere oder ein philosophisches Studium mit der Sorge für Kinder oder andere Personen vereinbaren möchte oder durch eine Behinderung oder Krankheit im ewigen Wettlauf gleich etwas weiter hinten startet oder einfach im Leben noch etwas anderes möchte als immer nur zu arbeiten. Einige reflektierten über die Frage, worum es eigentlich geht, wenn es um Vereinbarkeit geht. Es wurde dabei immer wieder deutlich, wie wenig vorhandene Maßnahmen die Schwierigkeiten wirklich abfedern können. So wurden auch ganz neue Lösungen vorgeschlagen, im SWIP-Guide zur Vereinbarkeit, in Überlegungen zum Angebot akademischer Doppelkarrieren oder die schlichte Idee, einfach viel weniger zu machen, auf allen Stellen. Alle diese Beiträge gemeinsam zeigten, dass Vereinbarkeit eine Herausforderung ist und bleibt. Wir danken den Herausgeber:innen von praefaktisch, dass sie dem, was für viele Alltag ist, der aber doch irgendwie verborgen bleibt, hier im Blog Raum und Sichtbarkeit gegeben haben und das auch weiter tun werden: Es werden in loser Folge noch weitere Beiträge zu dem Thema kommen, denn es erledigt sich nicht. Unter Umständen tut es das für Einzelne, deren Lebensumstände andere werden. Aber für uns alle als Gemeinschaft derjenigen, die in der akademischen Philosophie arbeiten, erledigt es sich nie, solange die Bedürfnisse des akademischen Arbeitens und von allem anderen, was zum Leben gehört, immer mal wieder in verschiedenen Richtungen ziehen. Das stellt uns wieder und wieder vor die Aufgabe, Vereinbarkeit möglich zu machen, damit es am Ende allen besser geht: den Philosoph:innen, denen, für die Philosoph:innen sorgen, und der Philosophie als Fach, das für Perspektiven von Menschen in allen möglichen Lebenslagen offen sein sollte.


Almut von WedelstaedtChristiana WernerChristine Bratu und Katharina Naumann sind als Philosophinnen an den Universitäten Bielefeld, Duisburg-Essen und Gießen, Göttingen und Magdeburg tätig und engagieren sich gemeinsam in der SWIP AG Vereinbarkeit.

12 Mrz

‹Führerschein› für Eltern?

Von Johannes Giesinger (Zürich)


«Wer ein Kind bekommen will, sollte erst einmal psychologisch abgeklärt werden» – so der Autor Michael Nast (Instagram-Post vom 13. Juni 2023). Er benutzt in diesem Kontext auch den Begriff des ‹Elternführerscheins›: Wer ein Kind aufziehen will, so vorher einen Eignungstest bestehen. Nast spricht von möglichen finanziellen Anreizen, die mit einem solchen Test verbunden wären: Wer ihn nicht absolvieren würde, hätte mit entsprechenden Nachteilen zu rechnen. In diese Richtung geht auch der Vorschlag Hugh LaFollettes (2023, S. 329), der allerdings in seinem ursprünglichen, vieldiskutierten Aufsatz «Licensing Parents» (1980) ein weiter gehendes Modell propagiert hatte: Nur wer über die Lizenz verfügt, soll Kinder aufziehen dürfen. Was ist von diesem radikalen Vorschlag zu halten?

Weiterlesen
07 Mrz

Solidarität als Laster. Zum Beispiel die Nahostdebatte

Bild des Eintrags Antisemitismus im Wörterbuch

Von Tim F. Huttel (Rostock)


Wenn die Moralistin sich solidarisch zeigt, offenbart sie darin ein Laster und keine Tugend. Es steckt wenig Nobles darin, vielmehr konstruiert sie die Objekte ihrer Solidarität, weil sie ihrer bedarf. Denn in der Solidarität begibt sich die Moralistin, die selbst nicht politisch urteilen kann, in die Rolle der Helferin, in der sie auch nicht politisch urteilen muss. Eben hierin steht die Solidarität als Laster der Solidarität als Tugend, die auf unabhängigem Urteil beruht, diametral gegenüber. Den Schaden dieses Lasters trägt eine Öffentlichkeit, die um Gelegenheiten zur vernünftigen Meinungsbildung gebracht wird. Dies wird gerade im Fall der Nahostdebatte deutlich, die von Beiträgen geflutet wird, denen es allein darum geht, „sich zu positionieren“, auf der „richtigen Seite“ „Haltung zu zeigen“, während das Abwägen der Gesichtspunkte, die für die jeweiligen Position sprechen könnten, durch eben diese Bekenntnispolitik versäumt wird.

Weiterlesen
05 Mrz

Erzwungenes Verstehbar-Machen

Von Flora Löffelmann (Wien)

„Bist du ein Mädchen oder ein Junge?“ Trans[1] oder genderqueere[2] Personen werden oft dazu aufgefordert, sich „verstehbar“ – also nachvollziehbar oder fassbar – zu machen. Dieser Beitrag beleuchtet diese erzwungene „Erklärarbeit“. Dabei steht der Machtmechanismus „rhetorisch-epistemische Unterdrückung“ (REU) im Fokus. Dieser bestimmt, dass Personen oft nur geglaubt wird, wenn sie über ihre Geschlechtsidentität auf eine ganz bestimmte Art und Weise sprechen – nämlich so, dass dies innerhalb des cisgeschlechtlichen[3] epistemischen Systems verständlich ist. Ich lege dar, wieso dies eine Form der Ungerechtigkeit ist, und welche Konsequenzen dies für das Leben von trans und genderqueeren Personen hat.  

Weiterlesen
27 Feb

Ziviler Ungehorsam – wo ist Dein Standort? Ein Kurztrip zwischen Mottenkiste, Moral und Verfassungsrecht

Von Eckardt Buchholz-Schuster (Coburg)


In regelmäßigen Intervallen wird ziviler Ungehorsam in Demokratien gesellschaftlich, politisch und rechtlich aktuell, so auch seit einiger Zeit wieder in Deutschland. Und jedes Mal hat es fast den Anschein, als ob diese rechtsphilosophisch seit langem differenziert und aus verschiedenen Perspektiven ausgeleuchtete Kategorie nicht nur auf praktischer, sondern auch auf theoretischer Ebene neu erfunden oder doch zumindest neu legitimiert werden müsste. Dabei könnte ein wenig Rückbesinnung auf klassische, rechtsphilosophisch fundierte Beschreibungen zivilen Ungehorsams viel zur Versachlichung mitunter aufgeregter Diskurse der Gegenwart beitragen. 

Weiterlesen
20 Feb

Robert Bernasconi on the relationship between phenomenology and critical philosophy of race

In Kooperation mit dem Journal für Phänomenologie veröffentlichen wir dieses Interview mit Robert Bernasconi, geführt von Marc Rölli, zum Verhältnis von Phänomenologie und critical philosophy of race und Postkolonialismus, u.a. mit Bezug auf bei Sartre, Levinas, Heidegger und Kant.


Marc Rölli: In German-language phenomenology, to this day your work not only on phenomenology but also your work on race and racism is known to many. This is at least partly due to the fact that you were present in the context of the DFG Research Training Group »Phenomenology and Hermeneutics« and the resulting working group »Phenomenology and Recent French Philosophy« at the Ruhr-Universität Bochum in the circle of Bernhard Waldenfels. Would you describe to our readers how you found access to the graduate school or the later working group – and how you perceived the cooperations with Waldenfels and his collaborators?

Robert Bernasconi: My first visit to Bochum to be a participant in some workshops of the research group gathered around Bernhard Waldenfels was so long ago that I no longer remember the precise details of how the initial invitation came about. All that I can say is that it was very important for me as a young philosopher to be exposed to the ideas not only of Waldenfels himself, who always asked such insightful questions, but also of the brilliant scholars who were part of that same group. You need to know that during the period of my philosophical formulation in England I was somewhat isolated. To be sure, my supervisor at the University of Sussex, Rickie Dammann, placed a great deal of trust in me, as did my colleagues at the University of Essex where I taught from 1976 to 1988. I owe them a great deal for that, but I was essentially self-taught. For example, I was among the very first to read Levinas in England. To be able to be part of the conversations in Bochum, to be able to engage with people who had read the texts with the same care, was more important to me than anybody there could have imagined. But it was also great fun. I remember a party after the work was done when with what in those days was called a boombox (Ghettoblaster) we danced on the grass surrounding the University. 

Weiterlesen
13 Feb

Drei Zeithorizonte des guten Lebens

Von Tobias Vogel (Witten/Herdecke)


In unserem Alltag haben wir von der Zeit zu viel oder zu wenig, sie rauscht an uns vorbei oder scheint stillzustehen, konfrontiert uns mit Langeweile oder Hast. Wir planen mit ihr, eignen sie uns aktiv an, und sind passiv von ihr betroffen. Ob wir uns um nachfolgende Generationen sorgen, die Verwirklichung unserer Lebensziele erstreben oder den Moment genießen: unser Bemühen um ein erfülltes Leben richtet sich zugleich auf verschiedene Zeithorizonte.

Weiterlesen