Alles reiner Zufall? Freiheit und Indeterminismus

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Von Verena Wagner (Universität Konstanz) Stellen Sie sich vor, Sie bekommen vor Gericht eine Frage gestellt und stehen vor der Entscheidung zu lügen oder die Wahrheit zu sagen. Um Sie später für Ihre Entscheidung zu belangen, ist es wichtig, dass wir Ihnen diese auch zuschreiben können. In der Freiheitsdebatte wird…

Gerotechnologie – wo endet die Selbstbestimmung?

Von Franziska Sonnauer (Universitätsklinik Erlangen) Zunehmende Digitalisierung, höheres Lebensalter und „Pflegemangel“ sind Treiber für eine stärkere Anwendung intelligenter Technologien im eigenen Wohnzimmer. Wie wollen wir altern und mit unserem eigenen Unterstützungsbedarf umgehen? Bedeutet Technologieeinsatz ein Mehr an Selbstbestimmung oder besteht die Gefahr von Fremdbestimmung? Die Antwort auf diese Fragen sollte…

Adam Smith als Philosoph

Von Norbert Paulo (Berlin und München) Adam Smith wurde am 16. Juni 1723 in Kirkcaldy, einer kleinen schottischen Hafenstadt in der Nähe von Edinburgh getauft und vermutlich auch geboren. Als er 1790 im Alter von 67 Jahren starb, war er ein gefeierter Intellektueller, der nicht nur beste Kontakte zu David…

Der neue SWIP Good Practice Guide „Vereinbarkeit“ – Teil 2

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg) Bekannterweise sollte es uns als Philosoph:innen nicht nur darum gehen, die Welt besser zu verstehen, sondern wir sollten auch einen Beitrag dazu leisten, sie zum Besseren zu verändern. Dies gilt insbesondere für unsere eigene wissenschaftliche Community,…

Turings Maschinen – Menschen, die rechnen

Von Christian Vater (Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz – Digitale Akademie) „Digitalisierung“ ist ein großes Wort, das Alan M. Turing noch 1950 sehr klein gefasst hat. Es ist in der Gegenwart zweifellos zentral für Diskurs und Debatte, gleichzeitig ist seine Bedeutung noch nicht klar umrissen, was eine…

Zufall und System bei Schelling

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Von Daniel Unger (München / Freiburg) Schelling (1775-1854) definiert den Begriff des Zufalls nicht neu; er folgt stets einer bis auf Aristoteles zurückreichenden Tradition. In seiner eigentümlichen Mehrdeutigkeit erkennt Schelling aber ein tieferes Problem, dessen logische und ethische Folgen stets zu früh abgetan wurden: namentlich für die Möglichkeit geschlossener Systeme…

David Hume und Adam Smith. Zur seltenen Freundschaft zweier genial begabter Menschen

Von Gerhard Streminger (Graz) Die Freundschaft mit Hume sucht ihresgleichen in der Geschichte der Wissenschaft, der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wie auch der Geschichte der Philosophie. Kaum jemals begegneten sich zwei Denker allerersten Ranges derart freundschaftlich auf Augenhöhe, bei aller Konkurrenz und Differenz der theoretischen Ansätze und Anschauungen. Heinz D. Kurz…

Warum man sich mit Max Weber beschäftigen sollte!

Von Hans-Martin Schönherr-Mann (München) Nicht dass Max Webers Texte so schwierig zu verstehen wären wie diejenigen Hegels. Aber sie zeichnet ein schwerfälliger Stil aus, der die Lektüre mühsam macht, auch wenn diesen Stil gelegentlich ein gewisses Pathos unterbricht. Immerhin sind manche Ausdrücke berühmt geworden wie das ‚stahlharte Gehäuse‘ oder das…

Self-Tracking for Solidarity? – Neue Solidaritäts-Technologien im digitalen Gesundheitswesen

Von Niklas Ellerich-Groppe (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) Die Digitalisierung aller Lebensbereiche betrifft auch Medizin und Gesundheitsversorgung. Dabei steht mit Solidarität zugleich die wesentliche normative Grundlage des deutschen Gesundheitswesens auf dem Prüfstand. Anhand der Debatte um die Nutzung von Self-Tracking-Technologien diskutiere ich die Bedeutung der Digitalisierung für die Solidarität im…

Demokratie ohne Geländer: Zum 50. Todestag von Hans Kelsen

von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) Vor fünfzig Jahren in den Vereinigten Staaten gestorben, gilt der 1881 in Prag (Österreich-Ungarn) geborene Hans Kelsen als herausragend(st)er Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts. Rechtsphilosophie, Öffentliches Recht und Verfassungstheorie, Demokratietheorie, Völkerrechtstheorie – in all diesen Bereichen hat Kelsen tiefe Spuren gezogen, die nicht nur für die…

It’s the structure, stupid! – Ein persönlicher Erfahrungsbericht zur Vereinbarkeit von Academia, anderen Arbeitsbereichen und Care-Aufgaben

Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden: Von Bettina Bohle Ich hänge nur noch am Zipfel des Wissenschaftssystems. Eine Vereinbarkeitsfrage stellt sich mir – als Mutter und mit mehreren Leuten in meinem engen Umfeld, die mit psychischen Krankheiten kämpfen – von einer äußeren Warte, die teils so…

Chat GPTs als eine Kulturtechnik betrachtet – eine philosophische Reflexion

Von Sybille Krämer (Leuphana Universität Lüneburg) Meine Überlegungen wollen beschreiben und ein Stück weit verstehen, was geschieht und was möglich sein wird angesichts von Chatbots (beispielsweise Chat GPTs), die  gegenwärtig Furore machen. Mein Blick ist kulturtechnisch präformiert und philosophisch grundiert.  Es geht mir in diesem Blog nicht darum, diese Version…

Demokratie und Zukunft

von Manfred Brocker (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) I. Die Herausforderungen der Zukunft: Existenzrisiken für die Menschheit Die Gefahren für das Überleben der Menschheit sind zahlreicher geworden in den letzten Jahrzehnten. Die Fortexistenz der Gattung steht auf dem Spiel. Die gegenwärtige Zivilisation des Anthropozäns (Crutzen 2011) bedroht (a) massiv die Natur und…

Alles kann, nix muss – aber manches sollte doch!

Von Patrick Maisenhölder (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg und Universität Stuttgart) Wenn man über Digitalisierung und Hochschullehre schreibt, ist eines am Anfang direkt vorwegzunehmen: Weder glaube ich, dass damit das Ende der herkömmlichen Lehre eingeläutet ist, noch fordere ich, dass diese, unter den Bedingungen der Digitalisierung, aufzugeben ist. Die Präsenzlehre mit Diskussionen…

Unkontrollierbare künstliche Intelligenz?

von Reinhard Heil und Leonie Seng (ITAS/KIT Karlsruhe) Am Anfang stand ein einfaches Computerprogramm, das zur Sprachoptimierung von E-Mails entwickelt worden war. Durch eine kleine, nicht konsequent zu Ende gedachte, Änderung verwandelt sich das Programm in eine Selbstoptimierungsmaschine, die die Inhalte von durch Menschen verfasste E-Mails zu ihren eigenen Gunsten…

Das weiße (Nicht-)Wissen der Philosophie

von Marina Martinez Mateo (Akademie der Bildenden Künste München) Die Philosophie ist in ihrem institutionellen Funktionieren als Disziplin ein Ort weißen (Nicht-)Wissens. Das heißt nicht – so viel vorweg –, dass sie nur das ist: Kontinuierlich werden dem Weißsein der Philosophie andere Formen des Wissens und Denkens entgegengesetzt, ganze Traditionen…

(M)Einen Vater pflegen

von Almut Kristine v. Wedelstaedt (Universität Bielefeld) Mein Vater ist spät Vater geworden. Als ich promoviert hatte, war er schon alt. Ich entschied damals, das Kinderkriegen nicht länger aufzuschieben. Das Kinderkriegen, wie das manchmal so ist, dauerte aber. Und so war mein Vater, als ich mein Kind bekam, nicht nur…

Macht der Glaube an ein Schicksal faul?

Foto von Artem Maltsev auf Unsplash

Von Ronja Hildebrandt (Humboldt-Universität Berlin) Ist es Zufall oder Schicksal, wenn man seine zukünftige Partner*in trifft oder den Traumjob bekommt, weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war? War es Zufall oder Schicksal, dass man Covid-19 bekommen hat oder davon verschont geblieben ist? Der Glaube, dass alle Ereignisse vorherbestimmt…

Heidegger und das Wesen der Dichtung

Von Gerhard Poppenberg (Heidelberg) Der Beitrag zeigt, dass Heideggers Engagement für den NS und seine Abwendung davon philosophisch parallel zu seiner „Kehre“ stattfindet: seiner Wendung zur Dichtung als einer Neukonzeption der Ontologie. Deren Implikationen werden im Folgenden angedeutet. Das Problem eines nicht metaphysischen „Wesens der Dichtung“ steht mit Hölderlin im…

Der neue SWIP Good Practice Guide „Vereinbarkeit“ – Teil 1

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg) Die Herstellung von Vereinbarkeit wird heute als fester Bestandteil moderner Familienpolitik verstan­den und auch in den Hochschulen ist das Thema längst angekommen. Es findet sich in den meisten Leitbildern deutscher Hochschulen, die überdies mittlerweile reihenweise…

Siegen – verlieren – verhandeln? Kritische Anmerkungen zu Habermas‘ vermeintlich friedensethischen Denkanstößen

Von Johannes Frühbauer (KSH München) Ob das Ende eines Krieges bereits wirklich einen Weg zum Frieden darstellt, dürfte umstritten sein und bleiben. Eine notwendige Voraussetzung für Frieden stellt das Beenden von Kriegs- und militärischen Gewalthandlungen allemal dar. Kein Wunder also, dass mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine…

Horizontale und vertikale Demokratie. Zum Verhältnis von Volkssouveränität und Staat

von Oliver Eberl (Leibniz Universität Hannover/Goethe-Universität Frankfurt) Die Versprechen der Demokratie Die moderne Demokratie ist von zwei zentralen Versprechen geprägt: der Freiheit und der Gleichheit. Diese beiden Prinzipien sind es, auf die die Versuche, die Versprechen der Demokratie zu benennen, immer wieder hinauslaufen. Zum Beispiel hat Hubertus Buchstein die Versprechen…

Brauchen wir eine allgemeine Dienstpflicht? Eine philosophische Einmischung

Von Dietrich Schotte (Regensburg) Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden: Schon vor Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine vor gut einem Jahr wurde von Politiker:innen immer wieder laut die Überlegung geäußert, nicht nur die ausgesetzte (nicht „abgeschaffte“!) Wehrpflicht wieder einzuführen – sondern diese gleich zu…

Die westliche Demokratie und ihre Verächter

von Barbara Zehnpfennig (Universität Passau) Dachte man in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch, der weltweite Siegeszug der Demokratie sei unaufhaltsam, so hat sich das Bild seitdem dramatisch verändert: Nun scheint die Tendenz zum autoritären Regime, zur Autokratie, ja selbst zum totalitären Staat irreversibel. Sogar Staaten wie Ungarn, Polen…

Digitale Praxis – Fallstrick für Normen im Wissenschaftsalltag?

Von Nicola Mößner (Leibniz Universität Hannover / RWTH Aachen) ‚Wie sehr vertrauen Sie Wissenschaft und Forschung?‘ – eine Frage, die nicht erst seit der Corona-Pandemie viel diskutiert wird. Manch einer würde kritisch korrigieren: ‚Vertrauen Sie überhaupt in Wissenschaft und Forschung?‘ Schlagwörter wie Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise kommen damit in den Sinn.…

Philosophische Bildung und Digitalisierung. Ein Schlichtungsversuch

Von Markus Bohlmann (WWU Münster) Die Debatte um Bildung, insbesondere philosophische Bildung, und Digitalisierung ist immer noch zu häufig von gezielten Affekten, unbestimmten Ängsten, unerfüllbaren Hoffnungen und allzu klaren Fronten bestimmt. Das hier ist der Versuch einer Schlichtung in zwei Schritten. Hierzu werde ich zeigen, dass Digitalisierung erst einmal eine…

Zufall bei Aristoteles

Schiefertafel mit der Aufschrift possibile

Von Ursula Wolf (Mannheim) Aristoteles behandelt in seinen Schriften mehrere Begriffe und Problemkontexte, die im weiteren Sinn mit dem Zufall zu tun haben. Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Bereich des Zufälligen findet sich in der Physikabhandlung, er spielt aber ebenso eine Rolle in der Ethik. 1. Zufall in der Natur…