Religion

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ Diese Frage stellt Gretchen dem Heinrich Faust in Goethes Tragödie. Wir wollen die Gretchenfrage für und an die Philosophie stellen. Seit Beginn der europäischen Philosophie steht diese in einem wechselhaften Spannungsverhältnis zur Religion. Einerseits geht Philosophie in Distanz zur Religion und nimmt diese kritisch in den Blick. Andererseits waren viele Philosoph_innen sowohl überzeugte Anhänger_innen einer Religion und haben in ihren Werken religiöse Überzeugungen zu verteidigen, rechtfertigen oder begründen versucht. Dieses Wechselspiel von Ablehnung und Affirmation, von Kritik und Rechtfertigung prägte die letzten 2500 Jahre, und fast kein Klassiker und keine Klassikerin der Philosophiegeschichte hat sich nicht in der einen oder anderen Weise mit Religion beschäftigt. Erst in den letzten 100 Jahren scheint sich die Säkularisierung der Philosophie immer stärker durchzusetzen und die Religion und mit ihre verbundene Fragen nach Glaube und Gott werden zu Randphänomenen – ein Trend der die gesellschaftliche Entwicklung in vielen westlichen Ländern widerspiegelt.

Dieser Themenblock von praefaktisch will das Verhältnis von Religion und Philosophie in seiner Pluralität an Perspektiven aufgreifen. Einige Fragelinien seien hier kurz genannt: Erstens kann gefragt werden, welche Rolle die Philosophie gegenüber der Religion (in ihren unterschiedlichen Formen, als Institution und als individuelle Glaubenspraxis) einnehmen kann und soll. Zweitens kann dieses Verhältnis auch von Seiten der Religion reflektiert werden, also gefragt werden, welche Rolle die Religion für die Philosophie sinnvollerweise für sich beanspruchen kann oder soll. Drittens ist zu fragen, inwieweit die Klassiker_innen der Philosophie für eine Reflexion auf heutige Verhältnisse taugen? Inwieweit sind religiöse Inhalte und religionsphilosophische Bestandteile im Werk klassischer Philosoph_innen wie etwa Kant und Hegel heute noch anschlussfähig? Oder können diese als schlicht überholt ausgeschieden werden? In diesem Kontext ist auch an das wachsende Interesse an interkultureller Philosophie zu denken, wo eine Grenzziehung zwischen Philosophie und Religion oft schwierig ist.  Viertens ist der Status der Religion und religiöser Inhalte in einzelnen Gebieten der Philosophie wie der Ethik oder politischen Philosophie  klärungsbedürftig. Und schließlich, fünftens, ist das Verhältnis der zwei Disziplinen von Philosophie und Theologie reflexionsbedürftig. Was unterscheidet sie, was trennt sie? Aber auch: was verbindet diese beiden Disziplinen, die so lange eine enges Verhältnis hatten, heute noch? Schließlich gibt es bis heute an nicht wenigen Universitäten philosophische Institute an theologischen Fakultäten und an geisteswissenschaftlichen Fakultäten.


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