30 Nov

Resiliente Demokratie und die Polykrise der Gegenwart

von Tine Stein (Georg-August-Universität Göttingen)


Dies ist der Auftakt zu einer Reihe von insgesamt drei Beiträgen rund um das große Thema „Herausforderungen der Demokratie(theorie)“, die wir in Kooperation mit dem theorieblog in den nächsten Wochen immer donnerstags veröffentlichen. Am 7.12. folgt ein Beitrag von Oliver Hidalgo zum Thema „Ein neues Unbehagen in der Demokratietheorie?“ und am 14.12. gibt André Brodocz Antworten auf die Frage „Müssen in einer Demokratie immer alle mit allen reden? Über die Herausforderungen des Populismus an Universitäten“. 


(1) Die Gegenwart ist von einer Polykrise, von zeitgleich stattfindenden, existentiellen Krisen gezeichnet, die sich in ihrer Wirkung verstärken:[1] Die Klimakrise wirft mit Extremwetterereignissen ihre Schatten auf eine Welt voraus, die nur mit großen Beeinträchtigungen bewohnbar sein wird; die Corona-Pandemie hat eine tiefgehende Verletzlichkeit selbst von Gesellschaften mit hoch entwickeltem Gesundheitssystem vor Augen geführt; und die Rückkehr des Eroberungskrieges in Europa durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und nun die terroristische Attacke der Hamas auf Israel mit  jeweils gravierenden weltpolitischen Folgen stellen für die westlichen, liberalen Demokratien einen unvergleichlichen Schock dar.

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31 Okt

Ist die Demokratie in Gefahr?

Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin
im Gespräch mit Dr. Sarah Rebecca Strömel

Überall ist derzeit immer wieder zu lesen und zu hören, dass sich die Demokratie in einer Krise befindet. Ob und inwiefern die Demokratie tatsächlich gefährdet ist und was wir gegebenenfalls dagegen tun können, aber auch was mit „Demokratie“ – je nach Perspektive – gemeint sein kann, ist Gegenstand des Interviews mit Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister a.D., Leiter der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Normative Konstituenzien der Demokratie“ und Autor zahlreicher Publikationen zum Thema (u.a. „Die gefährdete Rationalität der Demokratie“ sowie drei Studien für die Körber-Stiftung).

Das Gespräch bildet das Auftaktinterview zur neuen Interviewreihe „Säulen der Demokratie“, die vom Lehrstuhl für Politische Philosophie, Theorie und Ideengeschichte der Uni Regensburg in Kooperation mit praefaktisch produziert und ausgestrahlt wird. In ihrem Gespräch beleuchten Dr. Sarah Rebecca Strömel und Prof. Julian Nida-Rümelin sowohl die politik- und demokratietheoretischen Dimensionen von Nida-Rümelins persönlichem Demokratieverständnis als auch allgemeine, praktische Herausforderungen der Demokratie.

24 Okt

Zwischen Kleben und Verstehen: Ziviler Ungehorsam der Klimaaktivist:innen. Arroganz oder gelebte Demokratie?

Von Marlon Possard (FH Campus Wien)


Klimaaktivist:innen und ihre Aktivitäten werden in den letzten Monaten vermehrt kontrovers diskutiert. Häufig ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Warum und dem Wie der Aktivist:innen. Während ihre Anliegen, das heißt der Klimaschutz und die Senkung der Treibhausgase, von vielen Menschen positiv aufgenommen werden, wird das Kleben an öffentliche Straßen und das Beschmutzen von Museen kritisch gesehen. Man sieht: Das Warum verträgt sich nicht immer mit dem Wie. Also: Wie weit darf ziviler Ungehorsam überhaupt gehen? Keine einfache Frage und eine Frage, die die Rechtswissenschaft und die Philosophie gleichermaßen beschäftigt.

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26 Sep

Dienstpflicht von unten

Pflegesituation

von Philipp Stehr (Utrecht)


Frank-Walter Steinmeier wird nicht müde für einen sozialen Pflichtdienst zu werben. Ihm scheint es dabei vor allem um sozialen Zusammenhalt zu gehen und eventuell im Hintergrund auch um die Stärkung der um Nachwuchs ringenden Bundeswehr und des chronisch überlasteten Pflegesektors. Schon vor einiger Zeit hat Dietrich Schotte diese Argumente in einem Beitrag auf diesem Blog näher beleuchtet und dargelegt, warum eine Dienstpflicht, so gedacht, auf wackligen Füßen steht. Ich glaube jedoch, dass damit das letzte Wort in dieser Debatte noch nicht gesprochen ist. Es gibt noch ein weiteres, besseres Argument für eine Dienstpflicht, das so in der Debatte noch nicht zu hören war, nämlich dass wir eine Dienstpflicht denen schulden, die jetzt schon unsere harte und schmutzige Arbeit machen.

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04 Jul

Demokratie und Verschwörungstheorien. Eine unfreiwillige Partnerschaft?

von Lucas von Ramin (Dresden)


Ob Brunnenvergiftung, Hexenbünde oder Freimaurerloge – Verschwörungserzählungen haben nicht nur Konjunktur, sondern sind ein andauernder Bestandteil menschlicher Kulturgeschichte. Obwohl solche Erzählungen als Gefahr für heutige Demokratien beschrieben werden, finden sich in den meisten Verschwörungstheorien demokratische Motive. Oft wird eine kleine Gruppe oder Elite imaginiert, die die Mehrheit betrügen und beeinflussen will. Es lassen sich zwei Diskussionsstränge identifizieren, mit denen den Verbindungslinien zwischen Demokratie und Verschwörungstheorien nachgegangen werden kann.

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25 Mai

Demokratie ohne Geländer: Zum 50. Todestag von Hans Kelsen

von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck)

Vor fünfzig Jahren in den Vereinigten Staaten gestorben, gilt der 1881 in Prag (Österreich-Ungarn) geborene Hans Kelsen als herausragend(st)er Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts. Rechtsphilosophie, Öffentliches Recht und Verfassungstheorie, Demokratietheorie, Völkerrechtstheorie – in all diesen Bereichen hat Kelsen tiefe Spuren gezogen, die nicht nur für die Republik Österreich von besonderer Bedeutung sind, deren Bundesverfassung von ihm maßgeblich geprägt ist, sondern bis heute in globalen Debatten und Forschungsarbeiten nachwirken. Sein Werk spiegelt die politischen Konflikte und Umbrüche des letzten Jahrhunderts und offenbart einen umfassend gebildeten Denker, der mit imposantem Scharfsinn und auch mit für manche irritierender Konsequenz an seinen Idealen festhält und dies mit einer streng-nüchternen, nach allen Seiten hin vertretenen ideologiekritischen Haltung.

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16 Mai

Demokratie und Zukunft

von Manfred Brocker (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt)

I. Die Herausforderungen der Zukunft: Existenzrisiken für die Menschheit

Die Gefahren für das Überleben der Menschheit sind zahlreicher geworden in den letzten Jahrzehnten. Die Fortexistenz der Gattung steht auf dem Spiel. Die gegenwärtige Zivilisation des Anthropozäns (Crutzen 2011) bedroht (a) massiv die Natur und damit ihre eigenen Lebensgrundlagen; aber auch (b) die Natur, so wissen wir heute, bedroht den Fortbestand unserer Spezies.

(a) Zu den anthropogen induzierten Risiken für die Fortexistenz der Menschheit zählt vor allem der Klimawandel (vgl. IPCC 2018). Er hat, so zeigt die zeitgenössische Klimaforschung, mittelfristig Hitzewellen, Stürme und Überflutungen zur Folge: ganze Küstenregionen werden durch den Anstieg des Meeresspiegels unbewohnbar werden. Andere Regionen der Erde werden versteppen. Die menschlichen Grundbedürfnisse werden zunehmend schwerer zu befriedigen sein. Das starke Bevölkerungswachstum beschleunigt diese Entwicklung.

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04 Apr

Horizontale und vertikale Demokratie. Zum Verhältnis von Volkssouveränität und Staat

von Oliver Eberl (Leibniz Universität Hannover/Goethe-Universität Frankfurt)

Die Versprechen der Demokratie

Die moderne Demokratie ist von zwei zentralen Versprechen geprägt: der Freiheit und der Gleichheit. Diese beiden Prinzipien sind es, auf die die Versuche, die Versprechen der Demokratie zu benennen, immer wieder hinauslaufen. Zum Beispiel hat Hubertus Buchstein die Versprechen der Demokratie folgendermaßen benannt: (1) körperliche Unversehrtheit und Freiheit, (2) rechtliche und politische Gleichheit, (3) politische Beteiligungsmöglichkeiten, (4) wirtschaftlicher Wohlstand, (5) Sicherheit und Frieden (Buchstein 2013: 34). Es ist möglich, so mein Argument, diese Punkte wieder auf Freiheit und Gleichheit zurückzuführen.

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28 Mrz

Die westliche Demokratie und ihre Verächter

von Barbara Zehnpfennig (Universität Passau)

Dachte man in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch, der weltweite Siegeszug der Demokratie sei unaufhaltsam, so hat sich das Bild seitdem dramatisch verändert: Nun scheint die Tendenz zum autoritären Regime, zur Autokratie, ja selbst zum totalitären Staat irreversibel. Sogar Staaten wie Ungarn, Polen oder Israel, die bisher ganz zweifellos den demokratischen Staaten zugerechnet wurden, weisen Entwicklungen auf, die zumindest die Verbindung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fraglich werden lassen.

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07 Mrz

Demokratie ist der artikulierte Anspruch auf Volksherrschaft

von Dagmar Comtesse (Münster)

Wann immer sich Menschen in Kollektiven sammeln, stellt sich die Ordnungsfrage: Wer entscheidet was? Und wie kann man möglichst viele Kollektivmitglieder dazu bringen, zumindest jene Regeln zu akzeptieren, durch welche Entscheidungen zustande kommen? Demokratie ist die Bezeichnung dafür, dass alle gezählten Mitglieder eines Kollektivs kausal an der Festlegung und Aufhebung von Regeln und Entscheidungen mitwirken können. Damit ist die Geschichte der Demokratie auch immer die Geschichte der Nicht-Demokratie, jene der nicht gezählten Kollektivmitglieder.

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