02 Apr

Epistemische Ungerechtigkeit an Frauen in der Medizin

Von Sarah Stöhr

Ungerechtigkeit an Frauen in der Medizin weist eine beschämende Historie auf. Bereits Platon hatte Frauen aufgrund ihrer Gebärmutter bzw. der „Hysteria“ – dem altgriechischen Begriff für Gebärmutter – für verrückt erklärt. Selbst über zweitausend Jahre später werden Beschwerden von Frauen mit Freud als Hysterie abgetan. Obwohl sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan hat, werden die Beschwerden von Frauen teilweise weiterhin im medizinischen Bereich bagatellisiert.

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20 Jun

Gerotechnologie – wo endet die Selbstbestimmung?

Von Franziska Sonnauer (Universitätsklinik Erlangen)


Zunehmende Digitalisierung, höheres Lebensalter und „Pflegemangel“ sind Treiber für eine stärkere Anwendung intelligenter Technologien im eigenen Wohnzimmer. Wie wollen wir altern und mit unserem eigenen Unterstützungsbedarf umgehen? Bedeutet Technologieeinsatz ein Mehr an Selbstbestimmung oder besteht die Gefahr von Fremdbestimmung? Die Antwort auf diese Fragen sollte nicht als Dichotomie, sondern als Kontinuum verstanden werden. Der Übergang („Kipp-Punkt“) zwischen Selbst- und Fremdbestimmung erfordert und eröffnet ethische Analysen.

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13 Dez

Feministische Forschung – Wie gelingt eine gute wissenschaftliche Praxis?

Das Orga-Team der Arbeitsgruppe „Feministische Perspektiven in der Medizin- und Bioethik“ in der Akademie für Ethik in der Medizin in alphabetischer Reihenfolge: Mirjam Faissner (Bochum), Isabella Marcinski-Michel (Göttingen), Regina Müller (Bremen), Merle Weßel (Oldenburg)


Als Organisatorinnen der Arbeitsgruppe „Feministische Perspektiven in der Medizin- und Bioethik“ (FME) sprechen wir uns für eine Medizinethik aus, die intersektional sowie kritik- und kontextsensitiv ist, und zu einer epistemisch gerechter(en) Praxis beiträgt. Aber was bedeutet das? Und wie gut können wir das umsetzen? Zwei Fragen, eine Antwort: Es gibt viel zu tun.

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15 Jul

Feminismus: Ein Blick in die Medizinethik

Von Regina Müller (Bremen)


Das Wort Feminismus taucht in den deutschsprachigen Medizinethik-Debatten selten bis gar nicht auf. Dabei sind feministische Diskussionsfelder in der Medizinethik reichlich vorhanden, etwa die Auseinandersetzung mit Körpernormen oder der geschlechterbezogenen Datenlücke in der Medizin. Was ist also das Verhältnis von Feminismus und Medizinethik? Braucht die Medizinethik (mehr) Feminismus bzw. braucht es eine explizit feministische Medizinethik? Was wäre unter einer feministischen Medizinethik zu verstehen und was der Gewinn eines feministischen Programmes?

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10 Jun

Alles noch normal? Im Graubereich zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Erkrankung

Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in Ethik in der Medizin erschienen ist.


Von Tobias Skuban-Eiseler (München)


„Neulich habe ich kurz vor dem Einschlafen den Eindruck gehabt, komische Dinge zu sehen. Es war, als ob ich wirklich mitten in einem Film wäre. Bin ich noch normal oder schon psychisch krank?“ Diese Frage wurde mir neulich durch einen Patienten gestellt. Ich konnte ihn schnell beruhigen und darauf hinweisen, dass dieses bekannte Phänomen als „hypnagoge Halluzinationen“ bezeichnet wird und er nicht an einer psychischen Erkrankung leidet. Beim Nachdenken über dieses Gespräch hatte ich allerdings das Gefühl, dass da irgendetwas in der Kommunikation nicht ganz stimmig war. Völlig intuitiv hatte ich beigepflichtet, dass es sich bei den Begriffen „Normalität“ und „psychische Erkrankung“ um ein Gegensatzpaar handelt. Zumindest hatte ich an der Formulierung des Patienten keinen Anstoß in Bezug auf die Begriffslogik genommen. Dass ich damit nicht alleine stehe, zeigt sowohl der alltagssprachliche Gebrauch wie auch die wissenschaftliche Literatur. Auch hier wird „Normalität“ und „psychische Erkrankung“ durchaus als Gegensatzpaar verwendet. Ist dem aber wirklich so und wenn nicht – birgt eine solch möglicherweise ungerechtfertigte Verwendung der Begriffe auch Gefahren?

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27 Okt

„Ist das überhaupt noch ‚Ethik‘?“ – Nicht-philosophische Methoden in der interdisziplinären Medizinethik

von Marcel Mertz (Hannover)


Als ich damals – vor über 15 Jahren – meine erste Stelle als studentische Hilfskraft an einem Medizinethik-Institut antrat, beschlich mich rasch ein konsternierendes Gefühl. Ich arbeitete zwar an einem Institut mit der Bezeichnung „Ethik“, konnte aber kaum etwas wiedererkennen, was ich mit meinen bisherigen Semestern im Philosophiestudium mit „Ethik“ in Verbindung brachte, wie Beiträge zur Kritik oder Verteidigung verschiedener Moraltheorien, Analysen moralisch relevanter Begriffe oder schlicht die Frage danach, was auf Grundlage dieser oder jenes Ansatzes z.B. in der Medizin „moralisch richtig“ wäre. Meiner damaligen Auffassung nach forschten die Wissenschaftler*innen an diesem Institut zu „irgendetwas“ – was, vermochte ich zu der Zeit noch nicht so richtig zu fassen –, aber sicher nicht zu Ethik. Die Fragestellungen, Arbeitsweisen und damit letztlich auch die Methoden wirkten auf mich nämlich überhaupt nicht „philosophisch“.

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02 Jun

Das Recht auf Nichtwissen in der Medizin

Von Joachim Boldt (Freiburg) & Franziska Krause (Heidelberg)


Habe ich ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Altersdemenz? Oder für eine andere genetisch bedingte Erkrankung? Wer will, kann sein Genom bei kommerziellen Online-Anbietern auf solche Erkrankungen hin analysieren und auswerten lassen. Das kostet nicht viel und es geht schnell. Was macht man aber dann, wenn das Ergebnis tatsächlich ein erhöhtes Risiko angibt? Was, wenn sich der Krankheit nicht vorbeugen lässt und sie nicht zu therapieren ist?

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11 Mai

Patientenverfügung und Sterbehilfe: Individuen im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Fremdbestimmung

Von Leander Frank (Frankfurt am Main/Darmstadt)

Die Diskussion über den Umgang mit Sterbehilfe ist eine der wenigen Zombiedebatten, die alle paar Jahre wieder auftauchen. Im Jahr 2015 wurden im Bundestag vier verschiedene Vorschläge, die von liberal bis sehr konservativ reichten, zur rechtlichen Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland vorgelegt. Ende desselben Jahres entschieden sich die Politiker für den konservativsten Vorschlag: Die geschäftsmäßige Sterbehilfe wurde weiterhin untersagt und Beihilfe zum Suizid unter Strafe gestellt, obwohl diese über 100 Jahre straffrei war. In Deutschland ist die Debatte über den Tod längst kein Tabuthema mehr, denn spätestens am Ende unseres Lebens muss sich jede mit ihm auseinandersetzen. Aus diesem Grund war es nur eine Frage der Zeit, bis die Diskussion über den Umgang mit Sterbehilfe wieder zur Debatte stand. Im Februar 2020 wurden erneut abgestimmt, und nun ist es amtlich: Die passive Sterbehilfe ist in Deutschland endlich erlaubt, da, so die Argumentation, jeder Mensch grundsätzlich das Recht habe, selbstbestimmt zu sterben.

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24 Apr

Medizinethik und COVID 19

Von Sabine Salloch (Greifswald)


Die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen der COVID 19-Pandemie beeinflussen unser Leben in erheblicher, bisher oft ungekannter Weise. Individuelle Perspektiven und Einschätzungen zu Risiken, Pandemie-bezogenem Verhalten und staatlichen Maßnahme variieren erheblich und werden, meinem Eindruck nach, sowohl durch die beruflich-fachliche Perspektive als auch durch die persönliche Lebenssituation der Person geprägt, die jeweils als Sprecher*in auftritt. In der Überzeugung, dass Lebenserfahrung bei der moralischen Bewertung einen unhintergehbaren Stellenwert besitzt und dass zugleich die Erklärung von Interessenkonflikten ein zentrales ethisches Gebot darstellt, versteht sich auch dieser Beitrag als beides: als Gedankensammlung einer Medizinethikerin zum jetzigen Zeitpunkt des Pandemiegeschehens und als Ausdruck der Perspektive einer Mutter zweier (noch nicht schulpflichtiger) Kinder mit Wohnort Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern).

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18 Feb

Das Kind im Krankenhaus. Paternalismus zwischen Zwang und Kreativität

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit.


von Oliver Krüger (Hamburg)


Mündigen Erwachsenen kommen im Krankenhaus umfangreiche Aufklärungsrechte zu. Kindern hingegen werden diese Rechte nicht oder nur eingeschränkt zugeschrieben. Obwohl diese Einschränkung ihre ethische Bewandtnis hat, birgt sie die Gefahr, einen Freibrief für Zwang gegenüber Kindern auszustellen. Allein die Notwendigkeit einer medizinischen Intervention im Krankenhaus rechtfertigt keinen uneingeschränkten Paternalismus gegenüber Kindern. Notwendig ist dagegen eine besondere Kreativität der Eltern und des medizinischen Personals, die nicht rein zweckbezogen ist, sondern ein eigenes Rechtfertigungselement einer ethischen Durchführung medizinischer Interventionen darstellt.

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