08 Feb

Call for Blogposts: Vereinbarkeit von akademischem Arbeiten und anderen wertvollen persönlichen Projekten

Hochschulen sind inzwischen reihenweise als familienfreundlich zertifiziert, aber das heißt nicht, dass sich die Arbeit in der akademischen Philosophie mit der Sorge um Kinder, pflegebedürftige Eltern oder andere nahestehende Personen leicht vereinbaren lässt. Vielmehr erscheint beides oft nahezu unvereinbar: Der üblichen Kitaschließzeit am Nachmittag stehen gängige Vortragstermine am Abend gegenüber; der geforderten vollen Konzentration auf den zu schreibenden Artikel die Sorge darum, dass der nächste befristete Arbeitsvertrag zur Pendelei weg von den dementen Großeltern zwingt; und der Muße, die es für kreative gute Ideen braucht, das ewige Zerren der vielen beruflichen und privaten Verpflichtungen, die einen mitunter zweifeln lassen können, ob man ohne dauernde Überstunden überhaupt konkurrenzfähig ist. Diskussionen aus dem vorigen Jahrhundert, könnte man meinen, aber für viele immer noch Realität. Zudem keine leicht zu bearbeitende, denn die Probleme sind vielfältig und entziehen sich daher oftmals einer einfachen Lösung. Beispielsweise passt der oft gemachte Vorschlag, alle Termine in die Kernarbeitszeiten zu legen, in der Regel nicht zum Wunsch pendelnder Care-Arbeitender, die ein großes Interesse daran haben, nicht unbegrenzt Zeit an ihrem Arbeitsort zu verbringen, Pendelei aber ist für viele aufgrund der langen Befristungszeiten unumgänglich.

In einer neuen Reihe auf prae|faktisch möchten wir Beiträge zu diesem Thema versammeln: Welche konkreten Probleme gibt es? Wie wirken strukturelle und individuelle Ebene hier zusammen? Welche Lösungen sind für welche Situationen erprobt? Welche Lösungen könnte man sich vorstellen, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Und was gibt es bei dem Ganzen noch zu bedenken? 

Wir freuen uns über Einreichungen zu diesen und anderen Fragen, wobei Personen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlichster Rollen im akademischen System und unterschiedlicher Statusgruppen zu Wort kommen sollen. Erwünscht sind drei Arten von Beiträgen: Antworten auf die Frage, was schief läuft (testimonials), Antworten auf die Frage, wie es besser gehen könnte (best practise), sowie Antworten auf die Frage, wie es in einer idealen Welt besser gehen könnte (Utopie). Ggf. werden wir anonyme Beiträge möglich machen.

Die formalen Vorgaben für Blogbeiträge auf praefaktisch sind hier.

Dieser Themenblock wird von der AG Vereinbarkeit der SWIP (Society for Women* in Philosophy Germany) betreut und herausgegeben. Vorschläge für Texte bitte an Prof.in Christine Bratu schicken: christine.bratu@uni-goettingen.de.

15 Nov

Sehnsucht nach Wissenschaft. Die romantische Universität

Von Markus Steinmayr (Duisburg-Essen)


Die Idee der romantischen Universität wird in unterschiedlichen Formen und Textsorten entwickelt. Es gibt Verwaltungsschriften wie Humboldts berühmte „Denkschrift über die äußere und innere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“ aus dem Jahre 1809. Anders blickt zum Beispiel Joseph von Eichendorff auf Sache und Funktion der Universität. In „Halle und Heidelberg“ wird die Universität zu einer romantischen Figur, die eine Bastion gegen die Zeitläufte darstellt. Andererseits, darauf hat Theodor: Ziolkowski in „Das Amt der Poeten. Die deutsche Romantik und ihre Institutionen“bereits 1994 aufmerksam gemacht, gibt es wohl in keiner literarischen Epoche so viele studentische Helden und Passagen, die die Universität und ihre Probleme in den Mittelpunkt rücken. Schließlich ist Achim von Arnims Hollin ein Studienabbrecher, Ernst Theodor Hoffmanns Nathanael aus „Der Sandmann“ ein dem Wahnsinn verfallender Student der Physik, Anselmus aus Hoffmanns Kunstmärchen „Der goldene Topf“ ein Student der Theologie. Viele firmieren als Figuren des Anti-Akademischen, in der die Frage nach der wahren Bildung verborgen liegt.

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05 Aug

Populäre Philosophie und die intellektuelle Debatte außerhalb der Universität

Von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Forscher:innen, die auf der Universität (oder in außeruniversitären, vergleichbaren Institutionen arbeiten) sind es gewohnt, dass sie im Austausch mit Kolleg:innen stehen. Die Debatte gehört zum Kern der wissenschaftlichen Arbeit. Was aber tun, wenn das fehlt? Wie kann populäre Philosophie gelingen, ohne die Universität als sozialer Raum für Debatten am Flur, auf Tagungen, Workshops, in Zeitschriften oder über Zoom?

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15 Apr

Politische Philosophie und politische Arbeit an der Universität

Von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Politische Philosophie denkt oft über die großen Probleme und Ungerechtigkeiten in der Welt nach. Wie steht es aber um die politische Arbeit für politische Ideale und Ideen an der Universität? Diese politische Arbeit und die Besonderheiten der Organisation und des sozialen Raums „Universität“ werden nur selten explizit reflektiert, dabei hätte die politische Philosophie doch das Handwerkszeug dazu.

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09 Mrz

Wissenschaftsfreiheit? Nur dem Namen nach! Ein kritischer Kommentar zum „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“

Von Alexander Reutlinger (München)


Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Philosophen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat Anfang Februar das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit[1] gegründet. Das Netzwerk möchte Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit dokumentieren und kritisieren.

Hat dieses Netzwerk nicht ein hehres Ziel? Muss nicht jeder Wissenschaftler, jeder Bürger, aufschreien, wenn die Erforschung und Lehre bestimmter Fragen staatlich verboten oder Universitäten ihre Autonomie genommen wird (wie gegenwärtig in Ungarn, der Türkei oder Serbien, um nur einige Beispiele in Europa zu nennen)? Muss man sich nicht z.B. mit der Central European University solidarisch zeigen, weil diese aufgrund eines 2017 von der ungarischen Regierung verabschiedeten Gesetzes („Lex CEU“) Budapest verlassen und nach Wien umziehen musste? Ja, man muss selbstverständlich solche Missstände klar als Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit benennen und kritisieren. Aber muss man deswegen auch das neue Netzwerk unterstützen? Nein, das muss und sollte man keineswegs.

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02 Nov

Die neue Sichtbarkeit der Lehre. Eine Zwischenbilanz zur philosophischen Lehre in Zeiten der Pandemie

von Daniel Kersting (Jena) und Michael Reder (München)


Heute beginnt das neue Semester – bei vielen sicherlich mit gemischten Gefühlen. Eigentlich sollte das Wintersemester als ein „Hybrid-Semester“ stattfinden: So viel Präsenzlehre wie möglich, soviel Distanzlehre wie nötig. Doch die Infektionszahlen steigen rapide an und vielerorts startet das Semester nun doch online. Wir möchten diese außergewöhnliche Situation zum Anlass nehmen, Zwischenbilanz zu ziehen, und – vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen, bundesweiter Umfragen sowie einiger Diskussionsbeiträge zum Thema – danach fragen, was gute Lehre insbesondere in der Philosophie auszeichnet und welche institutionellen Bedingungen es dazu braucht. Dabei lassen wir uns von der Beobachtung leiten, dass der Lehre durch die COVID-19 Pandemie gleichsam über Nacht eine neue Bedeutung und Sichtbarkeit zuteilwurde, die es unseres Erachtens über die Krise hinaus zu sichern gilt. Die Pandemie fungiert dabei auch wie ein Katalysator: sie zeigt, an welchen Stellen wir in der Vergangenheit zu wenig über die Lehre nachgedacht haben und was daraus für die Zukunft der Lehre folgen könnte.

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10 Aug

Der universitäre Mittelbau und die Corona-Pandemie

Generell wären alle äußeren Umstände nicht so belastend, wenn man unbefristet angestellt wäre[1]


von Andrea Klonschinski (Kiel)


1. Einleitung

Mit Arbeit im Homeoffice, abgesagten Konferenzen, digitaler Lehre und Online-Prüfungen liegt ein außergewöhnliches Semester hinter uns. Für den Großteil des wissenschaftlichen Personals war es auch ein außergewöhnlich arbeitsintensives und belastendes Semester, worauf früh etwa die Initiative mehrbelastung.de, später auch verschiedene Fachgesellschaften hingewiesen haben.[2] Das „Corona-Semester“ trifft dabei diejenigen Mitarbeiter*innen an Universitäten besonders stark, die sich ohnehin in einer vulnerablen Position befinden – Personen mit Care-Verpflichtungen (meist Frauen),[3] prekär Beschäftigte im universitären Mittelbau und Wissenschaftler*innen auf Qualifikationsstellen.[4] Die Probleme sind mittlerweile bekannt und es mangelt nicht an Forderungen nach Maßnahmen der Minderung und Kompensation der Arbeitsbelastung sowie der mittel- und langfristigen Folgen, die dieses Semester haben wird.[5] Deren Umsetzung bleibt indes bislang Stückwerk, was umso problematischer ist, als auch das kommende Wintersemester von COVID-19 geprägt sein wird und unklar ist, ob angesichts einer möglichen zweiten Corona-Welle weitere Shutdowns anstehen.

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18 Jul

Bedrohte akademische Freiheit. Der Fall Central European University

von Alexander Reutlinger (München)


Seit einem Jahr steht die Central European University (CEU) in Budapest unter hohem Druck, ja letztlich droht ihre Schließung. Grund dafür ist ein 2017 von der ungarischen Regierung verabschiedetes Gesetz („Lex CEU“). Dieser Vorgang ist ein – zumindest in der EU – beispielloser Angriff auf eine Universität. Nach der jüngsten Wiederwahl von Viktor Orbán hat sich die Lage der Universität in Ungarn keinesfalls verbessert.

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