18 Nov

Macht es Sinn, von gemeinsamer Verantwortung für Weltarmut zu sprechen?

Dieser Blogbeitrag bezieht sich auf einen ausführlichen Beitrag im neuen Handbuch Philosophie und Armut, welches im April 2021 bei J.B. Metzler erschienen ist.


von Anne Schwenkenbecher (Murdoch University, Perth)


Wer regelmäßig Nachrichten aus dem eigenen Land und der Welt verfolgt, wird nicht umhin können, sich die Fragen zu stellen, ob man mehr tun kann und sollte, um anderen zu helfen. Wir erkennen allgemein an, dass wir eine gewisse Verantwortung für das Wohlergehen anderer haben. Während man als Einzelner angesichts von komplexen und weitreichenden Problemen wenig ausrichtet, sind wir uns zunehmend bewusst, dass kollektives Handeln äußerst erfolgreich sein kann. Gemeinsam mit anderen können wir oft Dinge erreichen, die allein unmöglich sind. Folgt daraus eine gemeinsame Verantwortung für derartige Probleme?

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07 Sep

Shut up and take my money – Die Bedeutung von Nichtwissen für die Konsumverantwortung

Von Sebastian Müller (Köln)


Der Händler, der in Matt Groenings Cartoonserie Futurama die Verkaufsbedingungen des neuen Eye-Phone herunterbetet (“Macht 500 $, läuft nur über einen Provider, die Batterie wird schnell leer und der Empfang ist nicht sehr gut”), wird von dem Hauptprotagonisten Fry mit den Worten „Halt den Mund und nimm mein Geld“ in seinem Sermon unterbrochen. Fry ist so begeistert von dem neuen Smart-Device, dass er alle potenziell störenden Informationen, die mit dem Gerät in Verbindung stehen könnten, im Vorfeld ausblendet. Im Fortgang der Serie verwandelt das Eye-Phone alle NutzerInnen in zombieähnliche Lakaien des Eye-Phone Konzerns.

Ist Fry aufgrund des lückenhaften Informationsstands davor bewahrt, Verantwortung für seinen Konsum übernehmen zu müssen, gibt es marktimmanente Strukturen, die Frys‘ Nichtwissen fördern und ist seine ablehnende Haltung gegenüber unliebsamen Produkt- und Produktionsinformationen symptomatisch für den Konsumalltag? Diesen Fragen möchte ich im Folgenden etwas genauer nachgehen.

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14 Apr

Wer, wenn nicht wir? Über einen Topos der Klimadebatte

von Rudolf Schüßler (Bayreuth)


Wer, wenn nicht wir, soll die Klimakrise beheben, von der die Welt bedroht wird? Das ‚wir‘ in diesem Satz bezieht sich auf alle Menschen, wird aber oft genug auch für einzelne Staaten und Staatengruppen beansprucht. Angela Merkel meint die Deutschen, wenn sie fordert: Wer, wenn nicht wir. Aber weshalb sollten bestimmte Staaten mehr für den Klimaschutz leisten müssen als andere? Die Klimaethik nimmt in dieser Hinsicht vor allem die Industriestaaten in die Pflicht, die mehr Treibhausgase emittieren als andere Staaten. Allerdings lassen sich auf diesem Weg zunächst nur Prima-facie-Pflichten begründen, also in erster Annäherung geltende Pflichten, von denen noch gezeigt werden muss, dass sie auch in der konkreten Realität handlungsbindende Geltung haben. In diesem Blogbeitrag möchte ich auf eine gravierende Hürde für diesen letzten Schritt der Geltungsbegründung hinweisen. Die Unsicherheit der politischen Kooperation zwischen Staaten steht der verbindlichen Geltung besonderer Leistungspflichten von Industriestaaten im Weg.

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12 Mrz

Gerechte Verteilung oder verantwortbares Handeln? Nichtwissen als Herausforderung der Zukunftsethik

von Johannes Müller-Salo (Hannover)


Was muss ich wissen, um gerecht verteilen zu können?

Schon wieder steht ein Kindergeburtstag vor der Tür. Sieben Jahre ist Sophie nun alt. Neue Schul- und alte Kindergartenfreunde wuseln durch den Garten. Die Eltern des Geburtstagskinds sind vollauf mit ihren Aufsichtspflichten beschäftigt. Sie selbst wollten eigentlich gerade nur Ihr Kind vorbeibringen, als Sophies Vater Sie bittet, ob Sie nicht noch kurz im Haus – „er steht schon auf dem Esstisch!“ – den Geburtstagskuchen anschneiden könnten. Eine Kleinigkeit. „Wie viele Stücke sollen es denn werden?“ Diese Frage müssen Sie noch loswerden, dann können Sie ans Schneiden gehen.

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21 Nov

Globale Armut und die kollektive Verantwortung der Jugend

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit.


von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Der Titel dieses Blogbeitrags könnte provokativ wirken – welche Verantwortung für die globale Armut könnten Jugendliche schon haben? Wenn dann, sind nicht die Erwachsenen viel eher in die Pflicht zu nehmen? Diese Kritik ist nicht ganz falsch – es ist sicher nicht mein Ziel davon abzulenken, dass erwachsene Menschen die Hauptschuld für die globale Armut tragen und auch die Hauptlast ihrer Abschaffung tragen sollte. Es ist auch nicht mein Interesse in diesem Beitrag, die ethischen Gründe zu diskutieren, warum wir globale Armut abschaffen sollten und wie wir dies bewerkstelligen könnten (Beck 2016). Kurz gesagt: globale Armut zerstört das Leben von hunderten Millionen Menschen und die Verantwortung, dagegen etwas zu tun, hat zumindest zwei plausible Gründe. Nämlich, erstens, ist globale Armut ein Problem, dass durch eine ungerechte Verteilung von Gütern und wirtschaftlicher Macht erzeugt wird. Sie ist also kein Schicksal, sondern ein menschengemachtes Problem und wir alle partizipieren zumindest zu einem kleinen Teil daran. Und, zweitens, selbst, wenn wir nichts dafür können, dass es globale Armut gibt, so haben wir eine ethische Verantwortung, hier zu helfen, sofern wir es können, da wir niemanden in einem solchen schlechten Leben zurücklassen sollten. Dass wir helfen können, zumindest zu einem größeren Teil als wir es jetzt tun, scheint mir ebenso unstrittig. Genug Geld und Technik und Wissen wäre auf dieser Welt allemal vorhanden. Dass es sich bei der Bekämpfung globale Armut um eine kollektive Aufgabe handelt, ergibt sich aus eben diesen beiden Gründen. Wir alle tragen eine kleine Mitverantwortung und können etwas tun; und es ist auch sehr viel wahrscheinlicher, dass sich etwas ändert, wenn wir alle zusammen etwas tun und dadurch auch Druck auf jene Elite ausüben, die Macht und Vermögen in ihren Händen konzentriert hat.

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30 Jul

Verantwortung und Künstliche Intelligenz

von Philipp Kellmeyer (Freiburg)


Technologische Konvergenz: Digitalisierung, Big Data, Deep Learning

Künstliche Intelligenz (KI) ist, zusammen mit Digitalisierung und Big Data, ein zentrales Schlagwort und Sinnbild für einen umfassenden technosozialen Wandel. Digitalisierung umfasst im Wesentlichen die Transformation der informationstechnologischen (IT) Infrastruktur—mit dem Ziel systematisch Daten digital erfassen, aufbereiten und verwerten zu können. Erfolgreiche Digitalisierung bedeutet in diesem Sinne, dass sektorspezifisch, beispielsweise in der Medizin oder dem Verkehrswesen, Dateninfrastrukturen aufgebaut werden, die die systematische Verfügbarkeit von großen Datenmengen (big data) zur Analyse mit fortgeschrittenen Methoden des maschinellen Lernens, oftmals idealiter in Echtzeit, ermöglichen.

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06 Mai

Zur Verantwortung der Intellektuellen. Ein Statement

Von Janina Loh (Wien)

Vor ein paar Monaten wurde ich dazu eingeladen, auf der 4. Love and Sex with Robots Konferenz (LSR) eine Keynote zum Thema “Sexrobotik – Ethische Fragen und feministische Herausforderungen” zu geben. Meine Freude darüber währte allerdings ebenso kurz wie intensiv. Denn als ich das Event vor gut drei Wochen auf meinen social media Kanälen teilte, reagierten Arbeitskolleg*innen mit Skepsis. Mir wurde berichtet, dass einer der beiden Chairs der LSR, nämlich Adrian Cheok, Computerwissenschaftler und Direktor des Imagineering Institute (Malaysia), im vergangenen Jahr zu der von ihm ausgerichteten 15. International Conference on Advances in Computer Entertainment Technology als Keynote Sprecher Steve Bannon eingeladen hat.

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