18 Feb

Kleinkinder und Corona

von Monika Platz (München)


Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in einem Schwerpunkt zur COVID-19 Pandemie in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der ZfPP kostenlos heruntergeladen werden.


Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder sollen nur im äußersten Notfall geschlossen werden – das schien lange Konsens in der Pandemiebekämpfung in Deutschland zu sein. Zu negativ waren die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown. Dieser Konsens aber hat sich als fragil erwiesen. Er bröckelte seit Beginn der zweiten Welle im Herbst und wurde mit der neuerlichen Schließung der Betreuungseinrichtungen im Dezember 2020 begraben. Umso dringlicher ist es, aus kinderethischer Perspektive aufzuzeigen, warum es für das Wohlergehen der Kleinkinder so wichtig ist, Betreuungsstrukturen in den Einrichtungen aufrecht zu erhalten und den Kindern damit ein großes Stück Normalität zu ermöglichen.

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04 Nov

Neue Technologien – neue Kindheiten?

von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Techniken und Technologien spielen während der Kindheit eine immer größere Rolle. Kinder und Jugendliche verwenden fast täglich neuere Techniken wie PCs, Tablets, Smartphones, das Internet, Soziale Medien, Software oder Computerspiele ebenso wie Eltern, Schulen und Unternehmen. Technologische Entwicklungen in der KI, Robotik und Digitalisierung werden in den nächsten Jahren die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen weiter verändern. Techniken können dabei unterstützend und fördernd wirken aber auch disruptiv und neue Gefahren erzeugen. Die Bewertung dieser Gefahren und die Frage, welche Techniken von Kindern, mit Kindern und für Kinder verwendet werden sollen oder dürfen, stellt sich mit zunehmender Dringlichkeit.

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25 Jun

Welche Form elterlicher Fürsorge ist angesichts der Autonomierechte von Kindern moralisch legitim?

von Léonie Droste (Zürich)


Eltern, die ihr Kind ohne dessen normativ relevante Zustimmung taufen lassen, handeln moralisch falsch. Das Recht der Eltern, über die Lebensgestaltung ihres Kindes zu bestimmen, muss, um moralisch gerechtfertigt zu sein, nicht nur die Fürsorge-, sondern auch die Autonomieinteressen des Kindes berücksichtigen. Letztere bestehen nicht allein aus dem Interesse an einem zukünftigen autonomen Zustand, sie schließen auch das aus liberaler Sicht fundamentale Interesse ein, im Hinblick auf das eigene Leben nicht zum Objekt fremder Wertvorstellungen gemacht zu werden.

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09 Jun

Kinderrechte in die Verfassung: wem nützt die aktuelle Debatte?

von Alexander Bagattini (München)


Die Frage, ob Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen werden sollen, wird in Deutschland schon seit langem kontrovers diskutiert. Durch den aktuellen Gesetzesentwurf des Justizministeriums hat diese Debatte politisch und medial wieder an Fahrt aufgenommen. Eine Google-Recherche ergibt alleine für das Jahr 2019 fast 90.000 Links, von denen viele Artikel der großen Tageszeitungen enthalten. Ausgangspunkt dieser medialen Bewegung ist folgende angestrebte Ergänzung im auf Ehe und Familie bezogenen Artikel 6 des Grundgesetzes: Jedes Kind hat das Recht auf Förderung seiner Entwicklung. Bei allen Angelegenheiten, die das Kind betreffen, ist es entsprechend Alter und Reife zu beteiligen; Wille und zuvörderst Wohl des Kindes sind maßgeblich zu berücksichtigen.

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18 Feb

Das Kind im Krankenhaus. Paternalismus zwischen Zwang und Kreativität

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit.


von Oliver Krüger (Hamburg)


Mündigen Erwachsenen kommen im Krankenhaus umfangreiche Aufklärungsrechte zu. Kindern hingegen werden diese Rechte nicht oder nur eingeschränkt zugeschrieben. Obwohl diese Einschränkung ihre ethische Bewandtnis hat, birgt sie die Gefahr, einen Freibrief für Zwang gegenüber Kindern auszustellen. Allein die Notwendigkeit einer medizinischen Intervention im Krankenhaus rechtfertigt keinen uneingeschränkten Paternalismus gegenüber Kindern. Notwendig ist dagegen eine besondere Kreativität der Eltern und des medizinischen Personals, die nicht rein zweckbezogen ist, sondern ein eigenes Rechtfertigungselement einer ethischen Durchführung medizinischer Interventionen darstellt.

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21 Nov

Globale Armut und die kollektive Verantwortung der Jugend

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit.


von Gottfried Schweiger (Salzburg)


Der Titel dieses Blogbeitrags könnte provokativ wirken – welche Verantwortung für die globale Armut könnten Jugendliche schon haben? Wenn dann, sind nicht die Erwachsenen viel eher in die Pflicht zu nehmen? Diese Kritik ist nicht ganz falsch – es ist sicher nicht mein Ziel davon abzulenken, dass erwachsene Menschen die Hauptschuld für die globale Armut tragen und auch die Hauptlast ihrer Abschaffung tragen sollte. Es ist auch nicht mein Interesse in diesem Beitrag, die ethischen Gründe zu diskutieren, warum wir globale Armut abschaffen sollten und wie wir dies bewerkstelligen könnten (Beck 2016). Kurz gesagt: globale Armut zerstört das Leben von hunderten Millionen Menschen und die Verantwortung, dagegen etwas zu tun, hat zumindest zwei plausible Gründe. Nämlich, erstens, ist globale Armut ein Problem, dass durch eine ungerechte Verteilung von Gütern und wirtschaftlicher Macht erzeugt wird. Sie ist also kein Schicksal, sondern ein menschengemachtes Problem und wir alle partizipieren zumindest zu einem kleinen Teil daran. Und, zweitens, selbst, wenn wir nichts dafür können, dass es globale Armut gibt, so haben wir eine ethische Verantwortung, hier zu helfen, sofern wir es können, da wir niemanden in einem solchen schlechten Leben zurücklassen sollten. Dass wir helfen können, zumindest zu einem größeren Teil als wir es jetzt tun, scheint mir ebenso unstrittig. Genug Geld und Technik und Wissen wäre auf dieser Welt allemal vorhanden. Dass es sich bei der Bekämpfung globale Armut um eine kollektive Aufgabe handelt, ergibt sich aus eben diesen beiden Gründen. Wir alle tragen eine kleine Mitverantwortung und können etwas tun; und es ist auch sehr viel wahrscheinlicher, dass sich etwas ändert, wenn wir alle zusammen etwas tun und dadurch auch Druck auf jene Elite ausüben, die Macht und Vermögen in ihren Händen konzentriert hat.

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03 Okt

Ist es moralisch relevant, ein Kind zu sein?

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit.


von Johannes Giesinger (Zürich)


Im alltäglichen moralischen Diskurs wird bisweilen angemahnt, jemand solle nicht so hart angegangen werden, „weil er noch ein Kind sei“. Der gleiche Grund wird teils angegeben, um paternalistische und pädagogische Eingriffe in das Leben von Personen zu rechtfertigen. Erwachsene verbitten es sich entsprechend, „wie Kinder behandelt zu werden“. Oftmals wird auch gefordert, man solle „Kinder Kind sein lassen“.

Es ist unklar, ob sich Aussagen wie diese in den ethischen Diskurs übersetzen lassen. Die ethische Standardauffassung ist, dass die Zugehörigkeit zu einer Altersgruppe für sich genommen moralisch irrelevant ist – was zählt, sind die Eigenschaften oder Fähigkeiten der Person. Das Setzen von Altersgrenzen ist demnach allenfalls aus pragmatischen Gründen gerechtfertigt, und nicht weil das Alter einen moralischen Unterschied macht.

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10 Sep

Darf man biologische Kinder bekommen?

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit.


von Ezio Di Nucci (Kopenhagen)


Nein, ich habe mich nicht verschrieben. Die Frage, die ich hier gerne stellen – und ansatzweise beantworten – möchte, ist nicht, ob es moralisch erlaubt sein sollte, nicht-biologische Kinder zu bekommen (zum Beispiel durch reproduktive Technologien); meine Frage ist tatsächlich, ob man seine eigenen biologischen Kinder bekommen darf, nämlich Kinder, mit denen man sein genetisches Gut teilt.

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15 Aug

Kinder ohne Stimme: Andrzej Wajdas Film „Korczak“

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch in den nächsten Wochen ein paar Texte zur Philosophie der Kindheit.


von Martina Winkler (Kiel)


Spätestens seit dem 19. Jahrhundert ist das Konzept der Kindheit in der westlichen Welt höchst emotional aufgeladen; Autoren und Autorinnen der Kindheitsgeschichte sprechen nicht umsonst von einem „moral project“[1] und der Sakralisierung der Kindheit[2]. Entsprechend hat diese Geschichte auch ihre Helden. Einer der größten dieser Helden dürfte Janusz Korczak sein: der polnische Erzieher und Autor, bekannt für seine pädagogischen Schriften und die Formulierung von Kinderrechten, vor allem aber für sein unermüdliches Engagement für jüdische Waisenkinder im Warschauer Ghetto. Korczak starb in den Gaskammern von Treblinka, in die er – trotz der Möglichkeit, sich selbst zu retten – „seine“ zweihundert Kinder begleitet hatte. 

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