„Er ist wieder da!“ Die Renaissance des Stoizismus

Von Markus Rüther (Jülich) In den USA erfährt der Stoizismus gerade eine Renaissance. Auf Workshops lassen sich Unternehmer und Manager mittels der antiken Philosophie coachen. Es gibt mittlerweile Apps wie „Pocketstoic“, die einem jeden Tag ein Zitat von Marc Aurel, Epiktet und Seneca näherbringen. Die Bücherregale sind voll mit Titeln…

Der Ethikrat über Suizidwünsche und Suizidbeihilfe – Fiktion und Wirklichkeit

Von Olivia Mitscherlich-Schönherr    Im Herbst 2020 fanden zwei Sitzungen des Deutschen Ethikrats zu Sterbewunsch und Suizidbeihilfe statt. Bundesgesundheitsminister Spahn hatte den Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten. Zwischen den beiden Sitzungen des realen Ethikrats hat die ARD Ende November Ferdinands von Schirach Spielfilm „Gott“ über eine fiktive Ethikrat-Anhörung zum selben Thema…

Boris liest etwas, das nicht aufgeht, und schaut „House of Cards“

Erzählung als Gedankenexperiment Von Veronika Reichl (Berlin) Dies ist eine Erzählung über das Lesen von Hegel und darüber, wie man mit seinen Aufhebungen umgehen könnte. Sie ist auf der Basis von Interviews mit Hegelleser*innen entstanden, doch ich ordne Motive und Beobachtungen, Thesen und Erfahrungen aus verschiedenen Interviews neu an. Ich…

Subjektive Freiheit – Warum es in einer Diktatur keine Objektivität geben kann

Von Susanne Herrmann-Sinai (Oxford) Zu Zeiten des ausgehenden real-existierenden Sozialismus in der DDR erzählte man sich folgenden Witz: „Erich Honecker hat in einer Rede gesagt: ‚Der Kapitalismus steht vor einem Abgrund.‘ Und er hat auch gesagt: ‚Der Sozialismus ist dem Kapitalismus stets einen Schritt voraus.‘“ – Der Charme mag vielleicht…

Naturdialektik und ökologische Krise. Thunberg – Holz – Engels

von Volker Schürmann (Kön) »Nun sind aber die Überlebensbedingungen der Menschheit an einen bestimmten Zustand der Natur gebunden.« (Holz 1983b: 164) 1983 veröffentlichte das Institut für Marxistische Studien und Forschungen (Frankfurt a.M.) zusammen mit der Marx-Engels-Stiftung (Wuppertal) einen Sonderband Zum 100. Todestag von Karl Marx: Aktualität und Wirkung seines Werks…

Pflichtgemäß. Immanuel Kant und Brad Raffensperger

von Herbert Hrachovec (Wien) Der Innenminister des US-amerikanischen Bundesstaates Georgia ist lebenslanger Republikaner. Er unterstützte Donald Trumps Wahlkampf finanziell und wählte ihn im November 2020. Zu diesem Zeitpunkt war er in seiner politischen Funktion auch für die korrekte Abwicklung dieser Wahl zuständig. Joe Biden gewann in Georgia mit circa 12.000 von…

Markt und Wettbewerb – Vehikel der Diskriminierung oder Katalysatoren für Toleranz?

Von Arnd Küppers (Mönchengladbach) Auf den ersten Blick scheint es geradezu abwegig, beim Thema Toleranz ausgerechnet an Markt und Wettbewerb zu denken. Ist der kapitalistische Markt nicht vielmehr der Ort mannigfaltiger Diskriminierungen und Demütigungen? Der Ort, an dem Menschen von dem Genuss bestimmter Güter ausgeschlossen werden, weil sie zu arm…

Undenkbare Gedankenexperimente

Von Fabian Börchers (Berlin) Was macht man in einem philosophischen Gedankenexperiment? Eine vorläufige und prima facie plausible Antwort lautet so: In einem philosophischen Gedankenexperiment stellt man sich einen Gegenstand, einen Sachverhalt, eine Situation vor, die man in der Realität so nicht antrifft oder vielleicht nicht antreffen kann und wertet diese…

Zur Aktualität Friedrich Engels im 21. Jahrhundert

von Frank Jacob (Nord Universitet) Vor 200 Jahren wurde Friedrich Engels geboren und auch heute noch sind seine Texte von großem Wert, denn sie sind oftmals zeitlos und für unser Leben oft von nicht zu unterschätzender Aktualität, geben sie doch Anreize, sich kritisch mit den Problemen unserer Zeit auseinanderzusetzen. Zu…

Hegel dekolonisieren?!

Von Filipe Campello (Recife, Brasilien) Wenn wir uns heute – 250 Jahre nach seinem Tod – an Hegel erinnern, ist vielleicht eine der am meisten beunruhigenden Reaktionen die Frage, wie derselbe Philosoph gleichzeitig geschrieben haben kann, “das was wirklich ist, das ist vernünftig” und dass “nichts Großes in der Welt…

Plädoyer für die Utopie. Notwendig und unverzichtbar als Philosophie des Wünschenswerten und Möglichen

Von Mathias Lindenau (Ostschweizer Fachhochschule) Stellen Sie sich vor, man würde Sie um eine Stellungnahme bitten, ob die Utopie irgendeine Relevanz für die Philosophie besitzt. Möglicherweise würde Ihnen Shakespeares Komödie «Viel Lärm um nichts» in den Sinn kommen und Sie würden achselzuckend Ihrer Meinung nach lieber einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen.…

Unwissenheit als Unvermögen

von Hannes Worthmann (Erlangen) Die philosophische Untersuchung des Wissensbegriffs wird nach wie vor dominiert von Varianten der sogenannten Standardanalyse des Wissens. Demnach weiß eine Person S genau dann, dass p der Fall ist, wenn S gerechtfertigt davon überzeugt ist, dass p der Fall ist, und p auch tatsächlich der Fall…

Verschont das Denken mit Experimenten. Oder: Warum Gedankenexperimente in Philosophie und Moral nichts zu suchen haben

Von Falk Bornmüller (Halle-Wittenberg) Es scheint ganz einfach zu sein: Gedankenexperimente sind Experimente in Gedanken – und da beide Komponenten dieses Wortes positiv besetzt sind, wird das charmant verkuppelte Kompositum in philosophischen Kontexten mittlerweile derart rege und affirmativ gebraucht, als verstünde es sich bereits von selbst, was Experimentieren in Gedanken…

Was heißt Toleranz – und warum soll man es verteidigen?

Von Matthias Kaufmann (Halle) Nachdem Toleranz lange Zeit als einer der wichtigen Beiträge der europäischen Aufklärung zur politischen und sozialen Kultur gefeiert wurde, erfuhr sie heftige Kritik als angebliche Legitimation von Indifferenz und Unmoral. Wenn man die vielen möglichen Verwendungsweisen etwas sortiert und genauer ansieht, wird deutlich, dass Toleranz in…

Gedankenexperimente zwischen Himmel und Erde

Von Yiftach Fehige (Toronto) Einst war es möglich, im Laufe eines Wochenendes zu Experten*innen in Sachen Gedankenexperimente zu werden. So wenig Literatur gab es dazu. Das kann man sich kaum noch vorstellen, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Monographien, Anthologien und Fachzeitschriftenartikel es heute zum Thema gibt. So…

Zu den Erfolgsbedingungen von Rechtfertigungen

Von Luise Müller (Dresden) Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden Im Zuge der immer stärker werdenden Erwartung, Drittmittelprojekte einzuwerben, werden nun auch die Philosoph:innen bei den entsprechenden Forschungsanträgen mit einer Frage konfrontiert, die bislang in der praktischen Philosophie wenig reflektiert wurde: nämlich die nach den Forschungsmethoden.…

Die andere Pest

Von Thomas Pölzler (Graz) Albert Camus erfreut sich neuer Beliebtheit. Auch abseits der Pandemie ist eine Auseinandersetzung mit dem französischen Schriftsteller und Philosophen lohnend.

Was taugen philosophische Gedankenexperimente? Zur Ethik des Kontrafaktischen

Von Florian Arnold (Stuttgart) Wer sich in seinem Leben länger an philosophischen Instituten aufgehalten hat, dem dürfte die Situation schon einmal untergekommen sein, dass im Zuge einer Seminarübung, ausgestattet mit einem oder mehreren Texten und befeuert durch den didaktischen Übermut des Dozierenden, die Welt in Gedanken kurzerhand auch einmal vernichtet…

Neue Technologien – neue Kindheiten?

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Techniken und Technologien spielen während der Kindheit eine immer größere Rolle. Kinder und Jugendliche verwenden fast täglich neuere Techniken wie PCs, Tablets, Smartphones, das Internet, Soziale Medien, Software oder Computerspiele ebenso wie Eltern, Schulen und Unternehmen. Technologische Entwicklungen in der KI, Robotik und Digitalisierung werden in…

Hegel und die sexuelle Differenz

von Karen Koch (FU Berlin) & Tobias Wieland (FU Berlin) Anlässlich des 250. Geburtstages Hegels steht die Frage der Aktualität seiner Philosophie im Zentrum der Debatte. In seiner Biographie etwa rühmt Klaus Vieweg Hegel als den Philosophen der Freiheit, dessen Aussagen über Freiheit auch heute noch – und gerade zu…

Die neue Sichtbarkeit der Lehre. Eine Zwischenbilanz zur philosophischen Lehre in Zeiten der Pandemie

von Daniel Kersting (Jena) und Michael Reder (München) Heute beginnt das neue Semester – bei vielen sicherlich mit gemischten Gefühlen. Eigentlich sollte das Wintersemester als ein „Hybrid-Semester“ stattfinden: So viel Präsenzlehre wie möglich, soviel Distanzlehre wie nötig. Doch die Infektionszahlen steigen rapide an und vielerorts startet das Semester nun doch…

Das Nichtwissen über die Verfasstheit unseres Geldes

von Simon Derpmann (Münster) Henry Ford wird ein Bonmot zugeschrieben, gemäß dem wir angesichts des Nichtwissens über die Verfasstheit unseres Geldes erleichtert sein sollten, bzw. darüber dass die meisten Menschen die Funktionsweise des Geldwesens nicht thematisieren oder nur unvollständig begreifen: „it is well enough that people of the nation do…

„Ist das überhaupt noch ‚Ethik‘?“ – Nicht-philosophische Methoden in der interdisziplinären Medizinethik

von Marcel Mertz (Hannover) Als ich damals – vor über 15 Jahren – meine erste Stelle als studentische Hilfskraft an einem Medizinethik-Institut antrat, beschlich mich rasch ein konsternierendes Gefühl. Ich arbeitete zwar an einem Institut mit der Bezeichnung „Ethik“, konnte aber kaum etwas wiedererkennen, was ich mit meinen bisherigen Semestern…

Die Coronamüdigkeit der Philosophie, oder: wie soll die Zukunft aussehen?

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Die COVID-19 Pandemie ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Der kurze Sommer der Erleichterung ist dem Herbst der Ernüchterung gewichen. Alle blicken gebannt und gespannt, manche ängstlich, viele genervt, in die nahe Zukunft des Winters. Die Pandemie hat bislang gezeigt, was Philosophie kann und zeigt jetzt…

Vehikel der Unmittelbarkeit: Gedankenexperimente und Erkenntnis

Von Alexander Fischer (Basel) Wir kennen Gedankenexperimente als kurze, im Kontext philosophischer Argumentation strategisch eingesetzte Narrative[i], die darauf abzielen, möglichst alle relevanten Aspekte einer Problemstellung zu vergegenwärtigen, Muster aufzuzeigen und Lösungsrichtungen innerhalb eines Arguments einsehbar zu machen. Das berühmte Höhlengleichnis Platons, das Straßenbahn-Dilemma Philippa Foots oder John Rawls’ Szenario vom…

Hegel für uns

Von Christine Weckwerth (Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften) Hegels zweihundertfünfzigster Geburtstag ist ein, wenngleich rein biographischer Anlass zu fragen, wie wir es mit diesem Klassiker der deutschen Philosophie denn halten. Beginnt mit seiner Philosophie die kritische Selbstvergewisserung der Moderne oder ist sie als ein gescheitertes Theorieprogramm anzusehen? Ein Streitpunkt zwischen Hegelfreunden…

Der praktische Nutzen des Ideals. Die Relevanz idealer Theorie zur Bewertung politischer Optionen­

Von Jürgen Sirsch (Bamberg) Wie sollte man aktuelle gesellschaftliche Zustände bewerten? Wie sollte man beurteilen, in welche Richtung wir uns bewegen sollten, wenn wir aktuelle Zustände verändern wollen? Ideale Theorie liefert Antworten auf diese Fragen. In idealer Theorie stellen wir systematisch Überlegungen darüber an, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte…

Videoblog-Wettbewerb für Student*innen: Darf man heute noch Kinder haben?

Fast alle Menschen haben im Laufe ihres Lebens Kinder. Für viele gehören eigene Kinder zu einem erfüllten Leben. Doch ist es angesichts einer immer weiterwachsenden Weltbevölkerung, die immer mehr Ressourcen verbraucht, und der Auswirkungen der Klimakrise heute überhaupt noch moralisch vertretbar, Kinder zu haben? Und wenn es besser wäre, weniger…