Verschont das Denken mit Experimenten. Oder: Warum Gedankenexperimente in Philosophie und Moral nichts zu suchen haben

Von Falk Bornmüller (Halle-Wittenberg) Es scheint ganz einfach zu sein: Gedankenexperimente sind Experimente in Gedanken – und da beide Komponenten dieses Wortes positiv besetzt sind, wird das charmant verkuppelte Kompositum in philosophischen Kontexten mittlerweile derart rege und affirmativ gebraucht, als verstünde es sich bereits von selbst, was Experimentieren in Gedanken…

Was heißt Toleranz – und warum soll man es verteidigen?

Von Matthias Kaufmann (Halle) Nachdem Toleranz lange Zeit als einer der wichtigen Beiträge der europäischen Aufklärung zur politischen und sozialen Kultur gefeiert wurde, erfuhr sie heftige Kritik als angebliche Legitimation von Indifferenz und Unmoral. Wenn man die vielen möglichen Verwendungsweisen etwas sortiert und genauer ansieht, wird deutlich, dass Toleranz in…

Gedankenexperimente zwischen Himmel und Erde

Von Yiftach Fehige (Toronto) Einst war es möglich, im Laufe eines Wochenendes zu Experten*innen in Sachen Gedankenexperimente zu werden. So wenig Literatur gab es dazu. Das kann man sich kaum noch vorstellen, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Monographien, Anthologien und Fachzeitschriftenartikel es heute zum Thema gibt. So…

Zu den Erfolgsbedingungen von Rechtfertigungen

Von Luise Müller (Dresden) Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden Im Zuge der immer stärker werdenden Erwartung, Drittmittelprojekte einzuwerben, werden nun auch die Philosoph:innen bei den entsprechenden Forschungsanträgen mit einer Frage konfrontiert, die bislang in der praktischen Philosophie wenig reflektiert wurde: nämlich die nach den Forschungsmethoden.…

Die andere Pest

Von Thomas Pölzler (Graz) Albert Camus erfreut sich neuer Beliebtheit. Auch abseits der Pandemie ist eine Auseinandersetzung mit dem französischen Schriftsteller und Philosophen lohnend.

Was taugen philosophische Gedankenexperimente? Zur Ethik des Kontrafaktischen

Von Florian Arnold (Stuttgart) Wer sich in seinem Leben länger an philosophischen Instituten aufgehalten hat, dem dürfte die Situation schon einmal untergekommen sein, dass im Zuge einer Seminarübung, ausgestattet mit einem oder mehreren Texten und befeuert durch den didaktischen Übermut des Dozierenden, die Welt in Gedanken kurzerhand auch einmal vernichtet…

Neue Technologien – neue Kindheiten?

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Techniken und Technologien spielen während der Kindheit eine immer größere Rolle. Kinder und Jugendliche verwenden fast täglich neuere Techniken wie PCs, Tablets, Smartphones, das Internet, Soziale Medien, Software oder Computerspiele ebenso wie Eltern, Schulen und Unternehmen. Technologische Entwicklungen in der KI, Robotik und Digitalisierung werden in…

Hegel und die sexuelle Differenz

von Karen Koch (FU Berlin) & Tobias Wieland (FU Berlin) Anlässlich des 250. Geburtstages Hegels steht die Frage der Aktualität seiner Philosophie im Zentrum der Debatte. In seiner Biographie etwa rühmt Klaus Vieweg Hegel als den Philosophen der Freiheit, dessen Aussagen über Freiheit auch heute noch – und gerade zu…

Die neue Sichtbarkeit der Lehre. Eine Zwischenbilanz zur philosophischen Lehre in Zeiten der Pandemie

von Daniel Kersting (Jena) und Michael Reder (München) Heute beginnt das neue Semester – bei vielen sicherlich mit gemischten Gefühlen. Eigentlich sollte das Wintersemester als ein „Hybrid-Semester“ stattfinden: So viel Präsenzlehre wie möglich, soviel Distanzlehre wie nötig. Doch die Infektionszahlen steigen rapide an und vielerorts startet das Semester nun doch…

Das Nichtwissen über die Verfasstheit unseres Geldes

von Simon Derpmann (Münster) Henry Ford wird ein Bonmot zugeschrieben, gemäß dem wir angesichts des Nichtwissens über die Verfasstheit unseres Geldes erleichtert sein sollten, bzw. darüber dass die meisten Menschen die Funktionsweise des Geldwesens nicht thematisieren oder nur unvollständig begreifen: „it is well enough that people of the nation do…

„Ist das überhaupt noch ‚Ethik‘?“ – Nicht-philosophische Methoden in der interdisziplinären Medizinethik

von Marcel Mertz (Hannover) Als ich damals – vor über 15 Jahren – meine erste Stelle als studentische Hilfskraft an einem Medizinethik-Institut antrat, beschlich mich rasch ein konsternierendes Gefühl. Ich arbeitete zwar an einem Institut mit der Bezeichnung „Ethik“, konnte aber kaum etwas wiedererkennen, was ich mit meinen bisherigen Semestern…

Die Coronamüdigkeit der Philosophie, oder: wie soll die Zukunft aussehen?

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Die COVID-19 Pandemie ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Der kurze Sommer der Erleichterung ist dem Herbst der Ernüchterung gewichen. Alle blicken gebannt und gespannt, manche ängstlich, viele genervt, in die nahe Zukunft des Winters. Die Pandemie hat bislang gezeigt, was Philosophie kann und zeigt jetzt…

Vehikel der Unmittelbarkeit: Gedankenexperimente und Erkenntnis

Von Alexander Fischer (Basel) Wir kennen Gedankenexperimente als kurze, im Kontext philosophischer Argumentation strategisch eingesetzte Narrative[i], die darauf abzielen, möglichst alle relevanten Aspekte einer Problemstellung zu vergegenwärtigen, Muster aufzuzeigen und Lösungsrichtungen innerhalb eines Arguments einsehbar zu machen. Das berühmte Höhlengleichnis Platons, das Straßenbahn-Dilemma Philippa Foots oder John Rawls’ Szenario vom…

Hegel für uns

Von Christine Weckwerth (Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften) Hegels zweihundertfünfzigster Geburtstag ist ein, wenngleich rein biographischer Anlass zu fragen, wie wir es mit diesem Klassiker der deutschen Philosophie denn halten. Beginnt mit seiner Philosophie die kritische Selbstvergewisserung der Moderne oder ist sie als ein gescheitertes Theorieprogramm anzusehen? Ein Streitpunkt zwischen Hegelfreunden…

Der praktische Nutzen des Ideals. Die Relevanz idealer Theorie zur Bewertung politischer Optionen­

Von Jürgen Sirsch (Bamberg) Wie sollte man aktuelle gesellschaftliche Zustände bewerten? Wie sollte man beurteilen, in welche Richtung wir uns bewegen sollten, wenn wir aktuelle Zustände verändern wollen? Ideale Theorie liefert Antworten auf diese Fragen. In idealer Theorie stellen wir systematisch Überlegungen darüber an, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte…

Videoblog-Wettbewerb für Student*innen: Darf man heute noch Kinder haben?

Fast alle Menschen haben im Laufe ihres Lebens Kinder. Für viele gehören eigene Kinder zu einem erfüllten Leben. Doch ist es angesichts einer immer weiterwachsenden Weltbevölkerung, die immer mehr Ressourcen verbraucht, und der Auswirkungen der Klimakrise heute überhaupt noch moralisch vertretbar, Kinder zu haben? Und wenn es besser wäre, weniger…

Engels 2020 – Festjahr in Zeiten der Pandemie

Von Nikolai Plößer (Wuppertal) Als im Februar des Wuppertaler Festjahres zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels die erste Ankerveranstaltung stattfand – der internationale Kongress Die Aktualität eines Klassikers –, war die Corona-Krise eben erst im Ausbruch. Aus Pandemieschutzgründen durften unsere Gäste aus Beijng, Guangzhou und Nanjing nicht anreisen, weitere Tagungen…

Von fallenden Steinen und träumenden Menschen

Von Mathis Lessau (Freiburg) Gedankenexperimente haben etwas Mysteriöses an sich. Da sitzt der Philosoph mit zugezogenen Vorhängen in seinem sprichwörtlichen Lehnstuhl und nutzt nichts weiter als das Laboratorium des Geistes, um neues Wissen über die Wirklichkeit zu generieren. So zumindest könnte es scheinen angesichts der enormen Überzeugungskraft, die von einigen…

Covid-19 und die vulnerablen Alten

Von Nina Streeck (Zollikerberg) Wer in den vergangenen Monaten die Zeitung aufschlug, um sich über das Coronavirus zu informieren, dem fiel wiederholt eine Wendung ins Auge: Von «vulnerablen Personengruppen» war (und ist) die Rede, meist verstanden als Gruppen von Menschen, die ein erhöhtes Risiko tragen, dass eine Covid-19-Erkrankung bei ihnen…

Anmerkungen zur Frage der moralischen Beurteilbarkeit von Kunstwerken

Von Daniel Martin Feige (Stuttgart) Der Streit um Eugen Gomringers „Avenidas“, die Kontroversen um den Literaturnobelpreis für Peter Handke oder die Hinweise auf das problematische Frauenbild Bukowskis haben einmal mehr in Erinnerung gerufen, dass auch die autonome Kunst scheinbar so autonom nicht ist: Besteht die Erfahrung eines Kunstwerks darin, sich…

Anerkennung und Armut

Von Gottfried Schweiger (Salzburg) Anerkennung hat sich in den letzten Jahren als ein zentrales Konzept in der politischen Philosophie und Sozialphilosophie etabliert. Ausgehend von seiner Verwendung bei Fichte und Hegel und insbesondere durch seine Aktualisierung im Werk von Axel Honneth, aber auch bei Denkerinnen wie Nancy Fraser oder Charles Taylor,…

Über die vermeintliche Heuchelei von Klimaschutzaktivist*innen und individuelle Pflichten zum Klimaschutz

Von Christian Baatz (Kiel) Vor Ausbruch der Corona-Krise war Klimaschutz in aller Munde, die Jugend forderte Regierungen lautstark zum entschiedenen Handeln auf. Aber muss auch jede/r Einzelne ihren oder seinen Beitrag zum Klimawandel reduzieren? Greta Thunberg, Initiatorin der Fridays for Future (FFF) Bewegung, versucht mit der gleichen Unnachgiebigkeit, mit der…

Diskriminierung durch maschinelles Lernen

Von Heiner Koch (Duisburg-Essen) Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist. Maschinelles Lernen – oft auch als Künstliche Intelligenz verhandelt – birgt die Gefahr von neuen Formen der Diskriminierungen, die darüber hinaus auch noch schwer erkennbar sein können. Der…

Ich sehe was, was du nicht siehst

von Svenja Springer (Vet-Med Uni Wien) In den letzten Jahrzehnten erfreut sich die empirische Ethik einer steigenden Popularität. Doch die Frage was Methoden der empirischen Sozialwissenschaften in der angewandten Ethik leisten können, bleibt dennoch kontrovers diskutiert. In dem folgenden Podcast werden Potenziale und Grenzen der Einbindung gewonnener Daten und Fakten…

Pfingsten – oder wie das Christentum seinen religiösen Wahrheitsanspruch und die Toleranz Anderen gegenüber miteinander verbindet.

Von Martin Wendte (Pfarrer der Friedenskirche und Citykirchenpfarrer, Ludwigsburg) Einstieg: Buddhistische Bäuche und saudi-arabische Gefängnisse – wie erleben wir die Zuordnung von Toleranz und Wahrheit im Bereich der Religion? Zwei Szenen zum Einstieg: Von den Bücherregalen vieler Menschenfreunde aus dem sozialökologischen Milieu grüßt eine Buddhafigur. Da sitzt er, der Erleuchtete,…

Betrachtungen zum gelingenden Altern: Salutogenetische Perspektiven

von Ulrich Wiesmann (Universitätsmedizin Greifswald) Einleitung Nach Variante 4 der 14. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung befinden wir uns schon seit geraumer Zeit auf dem Weg in eine „alternde“ Gesellschaft. Dieser Trend wird in den nächsten vierzig Jahren seine Fortsetzung finden. Waren im Jahr 2018 13% der deutschen Bevölkerung zwischen 67 und 79…

Das Überlegungsgleichgewicht – Was genau ist das?

Von Georg Brun (Bern) Eine Ethikerin vertritt das Prinzip Die Interessen aller Personen zählen gleich. Aber sie glaubt auch, es sei erlaubt, die eigenen Kinder bevorzugt zu behandeln. Das ist ein Problem: ihre Überlegungen sind nicht im Gleichgewicht, weil das Prinzip und ihr intuitives Urteil über Einzelfälle nicht übereinstimmen. Begründete…