Engels 2020 – Festjahr in Zeiten der Pandemie

Von Nikolai Plößer (Wuppertal) Als im Februar des Wuppertaler Festjahres zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels die erste Ankerveranstaltung stattfand – der internationale Kongress Die Aktualität eines Klassikers –, war die Corona-Krise eben erst im Ausbruch. Aus Pandemieschutzgründen durften unsere Gäste aus Beijng, Guangzhou und Nanjing nicht anreisen, weitere Tagungen…

Von fallenden Steinen und träumenden Menschen

Von Mathis Lessau (Freiburg) Gedankenexperimente haben etwas Mysteriöses an sich. Da sitzt der Philosoph mit zugezogenen Vorhängen in seinem sprichwörtlichen Lehnstuhl und nutzt nichts weiter als das Laboratorium des Geistes, um neues Wissen über die Wirklichkeit zu generieren. So zumindest könnte es scheinen angesichts der enormen Überzeugungskraft, die von einigen…

Covid-19 und die vulnerablen Alten

Von Nina Streeck (Zollikerberg) Wer in den vergangenen Monaten die Zeitung aufschlug, um sich über das Coronavirus zu informieren, dem fiel wiederholt eine Wendung ins Auge: Von «vulnerablen Personengruppen» war (und ist) die Rede, meist verstanden als Gruppen von Menschen, die ein erhöhtes Risiko tragen, dass eine Covid-19-Erkrankung bei ihnen…

Anmerkungen zur Frage der moralischen Beurteilbarkeit von Kunstwerken

Von Daniel Martin Feige (Stuttgart) Der Streit um Eugen Gomringers „Avenidas“, die Kontroversen um den Literaturnobelpreis für Peter Handke oder die Hinweise auf das problematische Frauenbild Bukowskis haben einmal mehr in Erinnerung gerufen, dass auch die autonome Kunst scheinbar so autonom nicht ist: Besteht die Erfahrung eines Kunstwerks darin, sich…

Anerkennung und Armut

Von Gottfried Schweiger (Salzburg) Anerkennung hat sich in den letzten Jahren als ein zentrales Konzept in der politischen Philosophie und Sozialphilosophie etabliert. Ausgehend von seiner Verwendung bei Fichte und Hegel und insbesondere durch seine Aktualisierung im Werk von Axel Honneth, aber auch bei Denkerinnen wie Nancy Fraser oder Charles Taylor,…

Über die vermeintliche Heuchelei von Klimaschutzaktivist*innen und individuelle Pflichten zum Klimaschutz

Von Christian Baatz (Kiel) Vor Ausbruch der Corona-Krise war Klimaschutz in aller Munde, die Jugend forderte Regierungen lautstark zum entschiedenen Handeln auf. Aber muss auch jede/r Einzelne ihren oder seinen Beitrag zum Klimawandel reduzieren? Greta Thunberg, Initiatorin der Fridays for Future (FFF) Bewegung, versucht mit der gleichen Unnachgiebigkeit, mit der…

Diskriminierung durch maschinelles Lernen

Von Heiner Koch (Duisburg-Essen) Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist. Maschinelles Lernen – oft auch als Künstliche Intelligenz verhandelt – birgt die Gefahr von neuen Formen der Diskriminierungen, die darüber hinaus auch noch schwer erkennbar sein können. Der…

Ich sehe was, was du nicht siehst

von Svenja Springer (Vet-Med Uni Wien) In den letzten Jahrzehnten erfreut sich die empirische Ethik einer steigenden Popularität. Doch die Frage was Methoden der empirischen Sozialwissenschaften in der angewandten Ethik leisten können, bleibt dennoch kontrovers diskutiert. In dem folgenden Podcast werden Potenziale und Grenzen der Einbindung gewonnener Daten und Fakten…

Pfingsten – oder wie das Christentum seinen religiösen Wahrheitsanspruch und die Toleranz Anderen gegenüber miteinander verbindet.

Von Martin Wendte (Pfarrer der Friedenskirche und Citykirchenpfarrer, Ludwigsburg) Einstieg: Buddhistische Bäuche und saudi-arabische Gefängnisse – wie erleben wir die Zuordnung von Toleranz und Wahrheit im Bereich der Religion? Zwei Szenen zum Einstieg: Von den Bücherregalen vieler Menschenfreunde aus dem sozialökologischen Milieu grüßt eine Buddhafigur. Da sitzt er, der Erleuchtete,…

Betrachtungen zum gelingenden Altern: Salutogenetische Perspektiven

von Ulrich Wiesmann (Universitätsmedizin Greifswald) Einleitung Nach Variante 4 der 14. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung befinden wir uns schon seit geraumer Zeit auf dem Weg in eine „alternde“ Gesellschaft. Dieser Trend wird in den nächsten vierzig Jahren seine Fortsetzung finden. Waren im Jahr 2018 13% der deutschen Bevölkerung zwischen 67 und 79…

Das Überlegungsgleichgewicht – Was genau ist das?

Von Georg Brun (Bern) Eine Ethikerin vertritt das Prinzip Die Interessen aller Personen zählen gleich. Aber sie glaubt auch, es sei erlaubt, die eigenen Kinder bevorzugt zu behandeln. Das ist ein Problem: ihre Überlegungen sind nicht im Gleichgewicht, weil das Prinzip und ihr intuitives Urteil über Einzelfälle nicht übereinstimmen. Begründete…

„Disabled lives matter“ – Diskriminierung behinderter Menschen durch Pränataltestung?

Von Regina Schidel (Frankfurt am Main) Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist.  „[W]ir wollen nicht mehr abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben.“ (Dedreux 2019) Vor einem guten halben Jahr wurde durch den Gemeinsamen Bundesausschuss – dem höchsten politischen…

Zur Aktualität Hegels: Hegel als Denker des Anthropozäns

von Stascha Rohmer (Medellín) Im Zentrum eines jüdischen Witzes, der Schopenhauer und Beckett gleichermaßen faszinierte, steht das problematische Verhältnis der Welt zu einer Hose. Ein Mann geht zum Schneider und beschwert sich: „Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen, und Sie brauchen sechs Monate, um eine Hose zu machen.”…

Der richtige Weg ist kein Spaziergang. Warum das Überlegungsgleichgewicht zur Rechtfertigung unserer moralischen Urteile führen kann

Von Claus Beisbart (Bern) Methode – das ist der richtige Weg. In der Praktischen Philosophie denken viele, das sei das Überlegungsgleichgewicht. Doch über diesen Weg wird auch gemäkelt. Einige sagen, er führe nicht hoch genug hinaus. Andere denken, er beginne bei einem ungeeigneten Ausgangspunkt – der Intuition. Aber die Einwände…

Engagiert und hoffnungslos: Philosophieren am Ende der Welt (wie wir sie kennen)

Von Ana Honnacker (Forschungsinstitut für Philosophie Hannover) Im Sommer 2019 saß ich schwitzend am Schreibtisch und zweifelte zunehmend die Sinnhaftigkeit meines Tuns an. Die Aussicht darauf, ein mehrjähriges Schreibprojekt zu verfolgen, während das Zeitbudget, das der globalen menschlichen Gemeinschaft bleibt, um ihre Treibhausgasemissionen auf Null zu bringen, ähnlich rasant dahinschmilzt…

Alter und Zeit

Von Kay Herrmann (Chemnitz) Alter und Altern sind unweigerlich an Zeit gebunden. Doch was ist überhaupt Zeit? Warum scheint Zeit einmal langsamer, ein andermal schneller zu vergehen? Kann man den beharrlichen Strom der Zeit überlisten und Möglichkeiten finden, das Altern zu umgehen? Was sagt die Physik zu Thema der Zeitreisen?

Der universitäre Mittelbau und die Corona-Pandemie

„Generell wären alle äußeren Umstände nicht so belastend, wenn man unbefristet angestellt wäre“[1] von Andrea Klonschinski (Kiel) 1. Einleitung Mit Arbeit im Homeoffice, abgesagten Konferenzen, digitaler Lehre und Online-Prüfungen liegt ein außergewöhnliches Semester hinter uns. Für den Großteil des wissenschaftlichen Personals war es auch ein außergewöhnlich arbeitsintensives und belastendes Semester,…

Bloße Toleranz? Anmerkungen zur pädagogischen Ablehnung der Ablehnungskomponente

Von Johannes Drerup (Dortmund & Amsterdam) Der Begriff der Toleranz führt – ganz ähnlich wie der Begriff der Bildung – in öffentlichen Debatten einer Art „Doppelleben“[1]. Einerseits gilt Toleranz als ein mögliches Allheilmittel für alle nur denkbaren gesellschaftlichen Probleme, andererseits ist die spezifische Relevanz und Bedeutung von Toleranz sowohl mit…

250 Jahre Hegel – (K)eine Würdigung

Von Marc Nicolas Sommer (Basel) Es ist Jubiläumsjahr: Neben Beethoven und Hölderlin feiert auch Hegel dieses Jahr seinen 250. Geburtstag. Grund genug für eine Würdigung. Eine solche aber läuft meistens auf die, wie Theodor W. Adorno anlässlich eines früheren Hegeljubiläums schrieb, „abscheuliche Frage“ hinaus, was an Hegel der Gegenwart noch…

Das Nichtwissen und das Unbewusste – psychoanalytisch-philosophische Betrachtungen

von Hilmar Schmiedl-Neuburg (Kiel) 1.      Das Nichtwissen und das Unbewusste in der Psychoanalyse „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. So eröffnet Sokrates in seinen aporetischen Dialogen die Epoche der klassischen griechischen Philosophie und charakterisiert im Symposion Platons die gesamte Philosophie, schon von ihrem Namen her, als ein liebendes Suchen der…

Wer regelt das mit dem Klimawandel? Unternehmen und ihre Pflichten

Von Swaantje Siebke (Dortmund) Der Klimawandel ist nicht nur bedrohlich, er ist auch ungerecht. Die negativen Konsequenzen erleben vor allem diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben: Arme Menschen, Menschen, die im globalen Süden leben und Menschen, die noch gar nicht geboren wurden. Es werden die grundlegenden Rechte vieler Menschen…

Gruppenbezogene Benachteiligung. Précis zu „Diskriminierung und das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit“

von Hauke Behrendt (Stuttgart) Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist. Der Beitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden: Der Diskriminierungsbegriff ist bis heute umkämpft. Obwohl die meisten philosophischen, rechtlichen und politischen Diskussionen davon ausgehen, dass Diskriminierung…

Moral gestalten. Methoden der Angewandten Ethik

Von Bert Heinrichs (Bonn) Die Angewandte Ethik hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer wichtigen Teildisziplin der Praktischen Philosophie entwickelt. Zu vielen gesellschaftlich bedeutsamen Fragen – vor allem aus dem Bereich der Lebenswissenschaften – sind vonseiten der Angewandten Ethik Analysen vorgelegt und Lösungsansätze entwickelt worden. Nicht…

Successful ageing – eine Tugend? Anfragen aus der Frühen Neuzeit

Von Daniel Schäfer (Köln) Ist Altern womöglich ein Vorgang mit moralischen Implikationen? Für eine Epoche wie die Frühe Neuzeit war das offensichtlich, wie Beispiele aus der Medizin und der Moraltheologie zeigen. Mein Ziel ist es zu überlegen, inwieweit solche historischen, normativen Vorstellungen mit dem modernen gerontologischen Konzept des Sucessful ageing…

Huxleys Albtraum. Über verwerfliche Diskriminierung und die Rolle des Staates

von Michael Oliva Córdoba (Hamburg) Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der im Schwerpunkt “Diskriminierung” in der Zeitschrift für Praktische Philosophie erschienen ist. Was ist Diskriminierung? Wann ist sie verwerflich? Dies sind philosophisch heikle Fragen. Mein Beitrag stellt sie in den Zusammenhang der Arbeiten Larry Alexanders und Kaspar Lippert-Rasmussens. Anders…

Die Grenzen unseres Wissens vom Guten

Von Falk Hamann (Frankfurt am Main) Der Hinweis darauf, dass unser Wissen vom Guten beschränkt ist, ist kein Vorrecht des ethischen Skeptikers, der grundsätzlich die Möglichkeit objektiver Erkenntnis in ethischen Fragen bestreitet. Auch wenn wir an der Objektivität ethischer Urteile festhalten wollen, kommen wir nicht umhin anzuerkennen, dass unserem Erkennen…

Ausnahmezustand und Verfassung: Sind die Corona-Demonstranten die wahren Verfassungspatrioten?

Von Lena Güldner (München) „Wir sind das Volk.“ Dieser altbekannte Schlachtruf ertönt seit Kurzem wieder häufig in Deutschland und zwar im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die gegenwärtigen Maßnahmen zur Eindämmung von Corona. „Wir sind das Volk“: ein Ausruf, der durch seine historische Bezugnahme auf die Montagsdemonstrationen in der DDR gleichsam…

Hegel 2020

Von Sabrina Zucca-Soest (Hamburg) Nach 250 Jahren lässt sich zu Recht fragen, warum die zumal schwer zugänglichen Texte von G.W.F. Hegel noch gelesen werden sollten? Die Veränderungen einer global vernetzten, digitalisierten Welt schreiten mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit voran. Die vielbeschworenen existenziellen Fragen unserer Zeit, wie die nach der Klimakatastrophe, den…