Anerkennung in Zeiten von COVID-19

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Zeiten der Krise sind Zeiten, in denen Helden gemacht und Heldenerzählungen geschrieben werden. Die COVID-19-Pandemie kennt einige Helden: das gesamte medizinische Personal vorne weg, aber auch die vielen anderen Menschen, die die Gesellschaft am Laufen halten und sich gegen die Pandemie stemmen. Es mehren sich so…

Klimakrise, Klimaskepsis – und Philosophie?

von Jens Gilessen (Marburg) In jüngster Zeit ist nicht nur eine Verschärfung der Klimakrise zu beobachten, sondern auch neuer politischer Widerstand gegen einen konsequenten Klimaschutz. Ein Grund dafür: Gleichsam im Schatten der von Lobbygruppen betriebenen Klima-Leugnung überdauern in der Bevölkerung bestimmte, nicht einmal per se irrationale, Formen von Klima-Skepsis. In…

Die Ethik der Quarantäne

Von Oliver Krüger (Hamburg) Die Quarantäne scheint in Zeiten von COVID-19 eine selbsterklärende Maßnahme geworden zu sein. Nicht nur einzelne Personen, sondern die Personengruppen ganzer Regionen und Länder werden unter Quarantäne gestellt. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Quarantänemaßnahmen wird gerne deren ethische Reflexion außer Acht gelassen. Dabei…

Seuchen, Ängste und die Ordnung der Gesellschaft – Was die Corona-Pandemie mit Zombies und Vampiren zu tun hat

Von Andrea Klonschinski (Kiel) 1. Einleitung Durch die ersten Berichte über die Corona-Epidemie in Wuhan sowie die zunächst nur drohende, dann aber schnell tatsächlich stattfindende globale Ausbreitung des Virus („Das Virus ist jetzt in Europa!“ – „Erster Infizierter in Italien!“ – „Erster Fall in Deutschland!“), fühlte ich mich anfangs schmunzelnd,…

Epistemische Verletzlichkeit und gemachte Unwissenheit

von Christina Schües (Lübeck) Verletzlichkeit Das Gefühl, in die Unwissenheit verbannt zu werden und seinen Sinnen nicht mehr trauen zu können, macht Menschen verletzlich. Verletzlichkeit ist ein Begriff, der sich auf das Leben, den Körper, die Sprache, Gefühle, aber auch die Wissensordnung bezieht. Die Verletzung gehört in den Bereich einer…

Moralisches Urteilen in Zeiten von Ausgangssperre und Quarantäne. Gedanken aus der Isolation im Anschluss an Lawrence Kohlberg

Von Tobias Lensch (Eichstätt) Drei der einflussreichsten und am meisten debattierten Strömungen in der Moralphilosophie sind der Konsequentialismus, der Kontraktualismus und die Deontologie. Sie geben jeweils unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie ich handeln sollte im Lichte ethischer Betrachtung. Diese Strömungen hat Lawrence Kohlberg in seiner sehr berühmten Theorie der…

Corona-Triage, Risikogruppen und Altersdiskriminierung

Von Tobias Kasmann (Leipzig) Die Coronakrise verunsichert uns alle. Eine sehr beunruhigende Ratlosigkeit ergibt sich aus der Frage, was wir tun sollen, wenn es bei uns zu einer ähnlichen Überlastung des Gesundheitssystems kommt wie in Norditalien. Dann werden auch wir entscheiden müssen, wer behandelt wird oder nicht mehr behandelt werden…

G. W. F. Hegel

von Christoph Jamme (Lüneburg) Was feiern wir, wenn wir 250 Jahre Hegel feiern? Feiern wir mit Klaus Vieweg den „Philosophen der Freiheit“? Feiern wir in Hegel den letzten Systematiker, denn das Denken der Freiheit mündet bei ihm in die systematische Ausarbeitung einer Philosophie, die als Idealismus bekannt geworden ist? Oder…

Der Corona-Staat oder: Politische Autorität in Zeiten der Pandemie

Von Andreas Wolkenstein und Johannes Kögel (München) Man kommt nicht umhin angesichts der gegenwärtigen Pandemie und der zu ihrer Bekämpfung ins Leben gerufenen Maßnahmen Michel Foucaults „Überwachen und Strafen“ (1993) aus dem Bücherregal hervorzuziehen. Foucault beschreibt die von der Pest bedrohte Stadt des 17. Jahrhunderts: Es herrscht striktes Ausgangsverbot, die…

Looking on the bright side of c

Von Lando Kirchmair (München & Salzburg) Das Coronavirus SARS-CoV-2, und die dadurch ausgelöste Lungenkrankheit covid-19, kurz c, halten uns in Atem. Die Lage ist ernst, sehr ernst. Es gilt allerdings trotz des Ernsts der Lage den Optimismus nicht zu verlieren. Dieser Post will die Aufmerksamkeit genau darauf lenken.

Corona-Triage

Ein Kommentar zu den anlässlich der Corona-Krise publizierten Triage-Empfehlungen der italienischen SIAARTI-Mediziner Von Weyma Lübbe (Regensburg) [Dieser Text ist zuerst erschienen in: VerfBlog, 2020/3/15, ] Triage – das ist die Sortierung von Patienten in Gruppen vor- und nachrangig zu Behandelnder bei einem die verfügbaren Ressourcen weit übersteigenden Massenanfall von Bedürftigen.…

Die Klimakrise – ein Plädoyer für ethische Analysen und demokratische Reformen

von Joachim Wündisch (Düsseldorf) Die Prognosen über die Entwicklung des globalen Klimas werden zunehmend dramatischer: verheerende Unwetter, weiträumige Überschwemmungen, sich ausbreitende Krankheitserreger, Ernteausfälle und Wasserknappheit. Zwar ist die Mehrheit der Menschen davon überzeugt, dass etwas getan werden muss, aber es wird nichts getan, jedenfalls nicht genug. Ich behaupte, erstens, wir…

Soll nach Corona alles so sein wie davor?

Von Norbert Paulo (Graz & Salzburg) Wie Gottfried Schweiger im ersten Beitrag zu unserem Corona-Themenblock schon angedeutet hat, bietet die COVID-19-Pandemie auf vielen Ebenen Anlass zu philosophischen Reflexionen. Ich möchte mich hier auf einen Gerechtigkeits-Aspekte der Pandemie konzentrieren (andere werden bald in weiteren Beiträgen beleuchtet): Viele Geschäfte, ja ganze Branchen…

Philosophie in Zeiten von COVID-19

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Für viele, mich eingeschlossen, wirkt die Szenerie surreal. Heute, Sonntag, der 15. März 2020, ist der letzte Tag einer Woche, die von einer ständigen Eskalation der Ereignisse hier in Österreich, in ganz Europa und manchen anderen Teilen der Welt, geprägt war. Ab morgen sind alle Schulen…

Sexuelle Kultur am Anfang – oder am Ende?

Von Eva Hanson Vielleicht hat sich die westeuropäische Philosophie einer Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität aus guten Gründen größtenteils enthalten: Ihr Wesen ist schwer zu erfassen, der Versuch einer Definition daher beinah aussichtslos. Es ist zu bezweifeln, dass es möglich ist, sich ihr von einem objektiven und sachlichen Standpunkt aus…

Zwischen Würde und Nutzwert: die Diskussion um den Eigenwert von Tieren

von Martin M. Lintner (Brixen) Bei Interviews oder Diskussionen über tierethische Fragen wird oft folgende Frage gestellt: „Unsere Haustiere lieben und verhätscheln wir und geben jede Menge Geld aus, damit es ihnen gutgeht. Aber wie unsere Nutztiere aufwachsen und leben, darüber machen wir uns weitgehend keine Gedanken. Ihre Haltungs- und…

Versuch über Hegels philosophische Anstrengung, die Welt zusammenzuhalten

von David Hellbrück (Freiburg/Wien) „Zuerst werde ich hier von einer Idee sprechen, die, soviel ich weiß, noch in keines Menschen Sinn gekommen ist – wir müssen eine neue Mythologie haben, diese Mythologie aber muß im Dienste der Ideen stehen, sie muß eine Mythologie der Vernunft werden.“ Das älteste Systemprogramm des…

Greta Calling. Warum es eine Philosophie der Klimakrise braucht.

von Fritz Reusswig (Potsdam) Die Philosophie hat die Klimakrise noch nicht einmal interpretiert. Aber es kommt darauf an, die Philosophie zu ändern. Damit uns die Änderung der Verhältnisse nicht misslingt, die zur Klimakrise geführt haben. Denn ohne das auch philosophisch reflektierte Begreifen der Krise und ohne die Entwicklung eines gemeinsamen…

Künstliche Intelligenz und unser Selbstverständnis der Techniknutzung

Von Johannes Kögel und Andreas Wolkenstein (München) Das mediale Interesse an künstlicher Intelligenz (KI) – wie an so vielen anderen Themen – steigt und fällt seit Jahrzehnten. Je nach Anlass werden dann die immer gleichen Bedrohungen hervorgekehrt und die immer gleichen Risiken gebetsmühlenartig wiederholt. Besonders medienwirksame Ereignisse waren etwa die…

Problematisches Nichtwissen: „White Ignorance“

von Kristina Lepold (Frankfurt) In ihrer Einleitung zum Themenschwerpunkt notieren die HerausgeberInnen Andrea Klonschinski und Tim Kraft zum Umgang mit Nichtwissen Folgendes: „Manches wollen und sollen wir nicht wissen, manches wollen wir wissen, sollten es aber nicht, anderes wollen wir gar nicht wissen, sollten es aber usw.“ Die Art von…

Das Kind im Krankenhaus. Paternalismus zwischen Zwang und Kreativität

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit. von Oliver Krüger (Hamburg) Mündigen Erwachsenen kommen im Krankenhaus umfangreiche Aufklärungsrechte zu. Kindern hingegen werden diese Rechte nicht oder nur eingeschränkt zugeschrieben. Obwohl diese Einschränkung ihre ethische Bewandtnis hat, birgt sie die Gefahr, einen…

‚Der Weltgeist als Autonomes Automobil‘

von Martin Gessmann (Offenbach) Wie auch immer die Durchhalteparolen lauten, die sich die Gemeinde der Hegelianer vorsagen: seit dem Mauerfall ist die Luft raus aus den Hegeldebatten. Die Hegelvereinigungen tun sich schwer, das Level der Aufmerksamkeit hoch zu halten. Der Marxismus als Reibefläche und Konkurrent ist verschwunden, und damit scheint…

Vom Horror der Philosophie. Ein Essay zu Friedrich Nietzsches 175. Geburtstag

von Eike Brock (Bochum) „Mein heutiges Leben ist alles andere als glücklich, aber durch die Antidepressiva habe ich einen Boden unter den Füßen.“ (Jamie Morton in Stephen Kings Revival) I. Trudeln mit Descartes In René Descartes’ Meditationes de prima philosophia (1641) ist es besonders augenfällig: Die Philosophie – ich schere…

Warum (schon lange) tote Philosophen lesen?

Von Achim Vesper (Frankfurt am Main) Philosophie hat es mit Problemen zu tun, die wir mit unseren Zeitgenossen teilen. Was sollte dagegen sprechen, die Probleme in einer Sprache zu beschreiben und nach Standards zu untersuchen, mit denen auch unseren Zeitgenossen bekannt sind? Philosophiehistoriker mögen dagegen einwenden, dass die Grenzen der…

Post-Privacy oder Datenschutz als neuer Megatrend? Sinn und Wert der Privatheit

von Anne Siegetsleitner (Innsbruck) 1. Post-Privacy oder Privatheit als neuer Trend? Vielen gelten heute Begriffe wie „privat“, „Privatsphäre“ oder „Privatheit“ als abgenutzt. Manche bedauern dies, andere halten die damit verbundenen Ideen ohnehin für altmodisch und „sowas von Eighties“, wie Julia Schramm, eine Vertreterin der Post-Privacy-Fraktion, in einem Spiegel Online-Interview ()…