04 Apr

Tod und Mysterium

Titelbild Beitrag Tod und Mysterium

von Rico Gutschmidt (München)


Was ist der Tod? Wir verstehen zwar abstrakt, was es bedeutet, nicht mehr zu existieren, aber können wir das wirklich begreifen? Im wissenschaftlich geprägten Weltbild wird der Tod üblicherweise als vollständiges Ende der Existenz aufgefasst, ohne zu berücksichtigen, dass die Nichtexistenz nach dem Tod das menschliche Fassungsvermögen übersteigt: Wir können uns weder den Verbleib gestorbener Personen veranschaulichen noch das eigene Aus-der-Welt-Sein.

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29 Jun

Ausbruch aus der Freiheit: zur sokratischen Unbeständigkeit

„Ich weiß, dass ich nicht weiß“ als ethische und erkenntnistheoretische Rasierklinge für eine befremdliche Gesellschaft der Gegenwart

Von Christoph Eydt

Freiheit gilt als eines der höchsten Güter und liefert sogleich die Grundlage für allerlei Konstruktionen in Bezug auf das Verhalten und Erleben von Menschen. Dass dem eine anhaltende Fremdbestimmung zugrunde gelegt ist und der Mensch kaum in der Lage zu sein scheint, seine Fesseln zu erkennen, kann mit Sokrates annäherungsweise beschrieben werden. Das Verlassen eines Standpunktes impliziert die Einnahme eines neuen, doch was ist damit gewonnen? – Ich weiß, dass ich nicht[s] weiß?

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27 Apr

Das weiße (Nicht-)Wissen der Philosophie

von Marina Martinez Mateo (Akademie der Bildenden Künste München)

Die Philosophie ist in ihrem institutionellen Funktionieren als Disziplin ein Ort weißen (Nicht-)Wissens. Das heißt nicht – so viel vorweg –, dass sie nur das ist: Kontinuierlich werden dem Weißsein der Philosophie andere Formen des Wissens und Denkens entgegengesetzt, ganze Traditionen und Denkformen, die außerhalb der weißen Begrenzungen der Philosophie stattfinden. Diese anderen Formen des Denkens aber stoßen auch heute noch gegen eine Wand kanonisierter, als „wichtig“ und als philosophisch (im „ernstzunehmenden“ Sinn) geltender Denkbestände, die sie mindestens an die Ränder der Philosophie (wenn nicht ganz aus ihr heraus) drängt. Um diese Wand soll es im Folgenden gehen. Was bedeutet es, vom weißen Nicht-Wissen der Philosophie zu sprechen? Drei Annahmen sind damit verbunden: Erstens die Annahme, dass die Philosophie, historisch wie gegenwärtig, ein weißer Ort ist. Zweitens die Annahme, dass es ein Ort weißen „Wissens“ ist, dass sich also das Weißsein der Philosophie in den Formen des Wissens und Denkens widerspiegelt, die darin stattfinden. Die dritte Annahme lautet, dass es sich bei diesem Wissen um ein „Nichtwissen“ handelt, wie es Charles Mills nennt, das heißt um ein Wissen, das Ausdruck rassialisierter Herrschaft ist und darum ein begrenztes, verblendetes, verfälschendes, verdummendes Wissen (eben ein Nicht-Wissen) darstellt. Diese drei Annahmen werden im Folgenden erläutert und diskutiert.

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10 Jan

Was hat Wahrscheinlichkeit mit Zufall zu tun?

Würfelspiel

Rüdiger Stegen (Hochschule Weserbergland)


Beim Eingangsbild dieses Artikels werden sich wahrscheinlich viele an den Mathematikunterricht in der Schule erinnern, denn Würfeln ist das Paradebeispiel für den Einstieg in die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Aber was hat Wahrscheinlichkeit mit Zufall zu tun? Sucht man in diesem Blog das Wort „wahrscheinlich“, so findet man viele Fundstellen, bei denen es nicht um Zufall geht. Andererseits wird die Wahrscheinlichkeitsrechnung aber auch als „Mathematik des Zufalls“ bezeichnet.

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11 Okt

Das Nichtwissen und die Philosophie – Rückblick auf den Themenschwerpunkt

von Tim Kraft (Regensburg)


Als wir hier auf Präfaktisch im Oktober 2019 den Themenschwerpunkt „Nichtwissen“ starteten, der mit diesem Beitrag zu einem Ende kommt, hatten wir viele Erwartungen, aber mit mehreren Dingen haben wir nicht gerechnet. Zuerst einmal haben wir nicht gewagt, damit zu rechnen, dass es – inkl. diesem Rückblick – 24 blog posts werden würden mit Beiträgen von begrifflichen Grundsatzfragen bis hin zu Anwendungen auf Geld, Liebe und Politik werden würden. Ebenso wenig haben wir erwartet, dass sich das Thema Nichtwissen als dermaßen aktuell und vielschichtig erweisen würde.

Vor diesem Hintergrund dient dieser Rückblick zwei Zwecken: Erstens nutze ich ihn, um aus der Rückschau über das Thema „Nichtwissen“ zu reflektieren und aus den Beiträgen zwei, drei Lektionen über den philosophischen Umgang mit Nichtwissen zu ziehen. Zweitens ist der Rückblick eine Gelegenheit, die erschienenen Beiträge zu sammeln und die in loser Folge erschienenen Beiträge thematisch miteinander zu vernetzen. Wer den Schwerpunkt in den vergangenen drei Jahren verfolgt hat, kann sich daher an die Beiträge und die von ihnen abgedeckte thematische Breite erinnern lassen, und wer ihn nicht verfolgen konnte, kann diesen Rückblick als Einstiegshilfe zu den erschienenen Beiträgen nutzen.

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09 Mrz

Wahlrecht nur für Wissende? – Epistokratie, Ungleichheit und der Begriff politischen Wissens

von Jonas Carstens (Düsseldorf)


„Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, wie wenig die Wähler wissen.“ – Jason Brennan (2017, 54)

In diesem Satz drückt der Autor des Buches Gegen Demokratie Jason Brennan seinen Unmut über den schlechten Informationsstand der Wähler*innen aus; Unmut, welchen viele Menschen angesichts grassierender Verschwörungstheorien über Corona-Maßnahmen und Impfungen sicherlich nachempfinden können. Die Demokratie ist auf kompetente Wähler*innen angewiesen. Was aber, wenn es ihnen an Kompetenz fehlt?

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04 Jan

„Das wüsste ich aber!“ Zur Ehrenrettung des argumentum ad ignorantiam

von Hans Rott (Regensburg)


1. Einleitung

In einer virtuellen Pressekonferenz am 30. März 2020 sagte Michael J. Ryan, der Direktor des WHO-Programms für Gesundheitsnotfälle: „there is no specific evidence to suggest that the wearing of masks by the mass population has any particular benefit.“ Dass es keine Indizien dafür gebe, die belegen, dass das Tragen von Masken für die von COVID-19 heimgesuchte Allgemeinheit etwas bringt, wurde allgemein so verstanden, dass das Maskentragen keinen Effekt hat. Es galt sozusagen als Bestätigung dessen, was Jerome Adams, der Surgeon General der USA, schon einige Wochen vorher getwittert hatte: „Seriously people – stop buying masks! They are NOT effective in preventing general public from catching #Coronavirus“. So verstanden erscheint Ryans Aussage als ein typisches Beispiel des sogenannten Fehlschlusses aus der Unwissenheit: Es gibt keine Beweise für den Nutzen von Masken, also nützen sie nichts. Wenn es anders wäre, dann wüsste ich das doch! Dass dies keine gute Schlussfolgerung war, ist uns allen heute klar.[1]

SENECA äußerte den Satz „Das wüsste ich aber“ immer dann, wenn er anderer Meinung war als seine Dialogpartner, gelegentlich verbunden mit einer Weigerung, Wissenslücken zuzugeben. Der Satz wurde oft als Ausdruck der Persönlichkeit SENECAS angesehen. Tatsächlich führte allerdings wohl einfach ein fehlerhafter Balpirol-Halbleiter zu einem übersteigerten Selbstbewusstsein SENECAS. SENECA ist seit der Inbetriebnahme im Jahre 3540 die zentrale Hyperinpotronik des Fernraumschiffes SOL. Die Solaner schreiben dem Computer Intelligenz und eine Seele zu. So ist es jedenfalls in den vormals berühmten deutschen Perry-Rhodan– und Atlan-Serien.[2]

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14 Dez

“Warum sollte ich’s besser wissen als andere?” Meinungsverschiedenheiten als Quelle des Nichtwissens

von Marc Andree Weber (Mannheim)


Um zu Anfang ein wenig auszuholen: In der klassischen chinesischen Philosophie findet sich bei Zhuangzi, der ungefähr 365 v. Chr. geboren wurde, folgende berühmte Stelle:

Eines nachts träumte Zhuangzi, er sei ein Schmetterling – ein glücklicher Schmetterling, der auf und nieder flatterte, wie er wollte, und nichts davon ahnte, Zhuangzi zu sein. Plötzlich wachte er, schläfrig noch, als Zhuangzi wieder auf. Und er konnte nicht sagen, ob es Zhuangzi war, der geträumt hatte, er sei ein Schmetterling, oder der Schmetterling, der träumte, er sei Zhuangzi. Doch muss zwischen beiden ein Unterschied sein! Das nennt man den “Wandel der Dinge”.[1]

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07 Sep

Shut up and take my money – Die Bedeutung von Nichtwissen für die Konsumverantwortung

Von Sebastian Müller (Köln)


Der Händler, der in Matt Groenings Cartoonserie Futurama die Verkaufsbedingungen des neuen Eye-Phone herunterbetet (“Macht 500 $, läuft nur über einen Provider, die Batterie wird schnell leer und der Empfang ist nicht sehr gut”), wird von dem Hauptprotagonisten Fry mit den Worten „Halt den Mund und nimm mein Geld“ in seinem Sermon unterbrochen. Fry ist so begeistert von dem neuen Smart-Device, dass er alle potenziell störenden Informationen, die mit dem Gerät in Verbindung stehen könnten, im Vorfeld ausblendet. Im Fortgang der Serie verwandelt das Eye-Phone alle NutzerInnen in zombieähnliche Lakaien des Eye-Phone Konzerns.

Ist Fry aufgrund des lückenhaften Informationsstands davor bewahrt, Verantwortung für seinen Konsum übernehmen zu müssen, gibt es marktimmanente Strukturen, die Frys‘ Nichtwissen fördern und ist seine ablehnende Haltung gegenüber unliebsamen Produkt- und Produktionsinformationen symptomatisch für den Konsumalltag? Diesen Fragen möchte ich im Folgenden etwas genauer nachgehen.

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19 Nov

Unwissenheit als Unvermögen

von Hannes Worthmann (Erlangen)


Die philosophische Untersuchung des Wissensbegriffs wird nach wie vor dominiert von Varianten der sogenannten Standardanalyse des Wissens. Demnach weiß eine Person S genau dann, dass p der Fall ist, wenn S gerechtfertigt davon überzeugt ist, dass p der Fall ist, und p auch tatsächlich der Fall ist. Neben der Standardauffassung existiert eine weniger verbreitete Sichtweise: Wissen ist eine Fähigkeit. Erachtet man Wissen als Fähigkeit, ist es naheliegend, Unwissenheit als Unvermögen oder Unfähigkeit aufzufassen: Personen, die um einen bestehenden Sachverhalt nicht Wissen, fehlt die Fähigkeit, sich im Denken und Handeln von diesem leiten zu lassen. Um diese Idee verständlich zu machen, werde ich zunächst Grundlegendes zum Begriff der Fähigkeit sagen und dann die Fähigkeitskonzeption des Wissens skizzieren. Im Anschluss wird es um das Phänomen der Unwissenheit gehen.

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