Waschbär, Grauhörnchen, Nilgans: possierliche Mitbewohner oder Feindbild?! Tierethische Überlegungen zum Umgang mit „invasiven“ Arten

Von Leonie Bossert (Tübingen) Der Gedanke mag naheliegen, dass Naturschutz etwas ist, das zu Gunsten nichtmenschlicher Tiere betrieben wird. Dies ist auch tatsächlich der Fall, solange das nichtmenschliche Tier einer vom Aussterben bedrohten oder heimischen Spezies angehört. Sofern es sich jedoch um Individuen häufiger Arten oder gar um Individuen von…

Warum experimentieren wir nicht?

von Bernward Gesang (Mannheim) Dass etwas faul ist im Staate, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Der Klimawandel schreitet voran, die Politik erweist sich als unfähig, angemessen zu reagieren, denn das demokratische Ringen um Kompromisse zersetzt zum Beispiel jedes „Klimapaket“. Unsere westlichen Demokratien begeistern zudem die meisten ihrer Bürger nicht…

Geld als kollektives kulturelles Symbolsystem bei Georg Simmel

von Annika Schlitte (Mainz) „Geld regiert die Welt“ – es gibt wohl kaum einen Philosophen, der diesen scheinbaren Gemeinplatz jemals so ernst genommen hat wie Georg Simmel. Dass das Geld die Welt regiert, ist hier nicht (oder jedenfalls nicht nur) Ausdruck der seit der Antike bekannten Klage, dass Geld im…

Bemerkungen zu Wolfram Eilenbergers Zeit der Zauberer

Von Ansgar Beckermann (Bielefeld) Dies ist, das soll gleich zu Anfang gesagt sein, ein außerordentlich gut geschriebenes, sehr informatives und insgesamt überaus spannendes Buch. Aber ist es auch ein Buch, das es ermöglicht, sich auf vernünftige Weise der Philosophie der von Eilenberger (E.) behandelten Protagonisten Wittgenstein, Benjamin, Cassirer und Heidegger…

Sexphilosophie

Von Anna Mense (Gießen) Einleitung[1] In diesem Text geht es darum, nachzuspüren, inwieweit erlebte Körperlichkeit sowie Aspekte des Sexuellen Teil philosophischer Praktiken sind oder sein können, die, insofern sie unbewusst bleiben, ihr epistemisches Potential nicht frei entfalten können. Ich möchte einerseits den Phänomenbereich Sexualitäten zum Anlass nehmen, um über philosophische…

Tiere, Personen, Kultur und andere ethische Überlegungen

Von Karim Baraghith (Düsseldorf) & Maria Sekatskaya (Düsseldorf) Einleitung Man kann die zwei Hauptfragen der Tierphilosophie etwa so stellen: „Was ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier?“ und „Was ist der moralische Status von Tieren und was folgt daraus für unser Handeln ihnen gegenüber?“. Es ist leicht zu erkennen, dass…

Nichtwissen in der Technikfolgenabschätzung

von Armin Grunwald (Karlsruhe) 1.         Technikfolgenabschätzung (TA) Spätestens seit den 1960er Jahren wurden erhebliche nicht intendierte Folgen von wissenschaftlich-technischen Entwicklungen in teils dramatischen Ausprägungen unübersehbar. Unfälle in technischen Anlagen (Seveso, Bhopal, Tschernobyl, Fukushima), Folgen für die natürliche Umwelt (Artensterben, Luft- und Gewässerverschmutzung, Ozonloch, Klimawandel), soziale Nebenfolgen von Technik (z.B. Arbeitsmarktprobleme…

Vom Nutzen und Nachteil von Nietzsches Historienkritik

Von Katrin Meyer (Basel/Zürich) Das intellektuelle Interesse an Friedrich Nietzsche hat seine eigenen Konjunkturen und folgt eigenen, oft vergänglichen, Aufmerksamkeitsökonomien, die durch theoretische und gesellschaftspolitische Strömungen mitbeeinflusst sind. Nach wie vor lohnend erscheint mir aus heutiger Sicht, sich mit dem Geschichtsverständnis und der Geschichtskritik Nietzsches auseinanderzusetzen, auch wenn das Thema…

Neutralität: Ein hartnäckiger Mythos (nicht nur) in der Philosophiegeschichtsschreibung

Von Martin Lenz (Groningen) Neutralität gilt vielen als eine zentrale Tugend in den Wissenschaften. Obwohl die Idee, dass Wissenschaft völlig wertfrei sein könne, wiederholt und einschlägig kritisiert wurde, wird Neutralität gerade in den letzten Jahren immer wieder eingefordert. Während wissenschaftsfeindliche Populist*innen gerne behaupten, dass in den Wissenschaften „linksgrüne“ Parteilichkeit herrsche,…

Tier(e), Mensch(en) & Ethik – Philosophische Verhältnisbestimmungen zwischen Exklusion, Inklusion und Integration in moralischer Absicht

Von Heike Baranzke (Wuppertal) Die Beziehung des Menschen zum Tier ist fundamental und ambivalent. Tiere gehören zu den frühesten Bildmotiven archaischer Menschen, die die Bedeutung der Tiere als Lebensbedrohung, Nahrungslieferant und Gefährte, ihre Nähe und Ferne zum Menschen, reflektieren. Die Reflexion wird philosophisch, wenn sie auf Begriffe gebracht wird, nämlich…

Die Wahrheit des Nichtwissens

von Tim Kraft (Universität Regensburg) Was ist Nichtwissen? Da das Wort „Nichtwissen“ ein Kompositum aus einem Negationspräfix, „nicht“, und einem Substantiv, „Wissen“, ist, liegt es nahe, Nichtwissen als Negation, Nichtvorliegen, Abwesenheit oder Fehlen von Wissen zu verstehen. Wenn das zutrifft, ist die Eingangsfrage schnell beantwortet: Alle begrifflichen Fragen über Nichtwissen…

“My device made me do it” – Zur Wechselwirkung von Heteronomie und Autonomie bei der Interaktion mit künstlichen intelligenten Systemen

Von Andreas Schönau (Seattle) Noch befinden wir uns im Jahr 2019 – dem Jahr, das in Deutschland vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Jahr der künstlichen Intelligenz (KI) gekürt worden ist und mit zahlreichen integrativen Projekten einhergeht, die aktuelle Entwicklungen sowie zukünftige Erwartungen aufarbeiten, veranschaulichen und reflektieren. Ein Blick…

Was nicht passt, wird passen gemacht? – Angemessene und widerspenstige Emotionen

Von Steffen Steinert (Delft) Emotionen spielen eine wichtige Rolle in so gut wie allen Lebensbereichen. Was wären etwa Filme oder Musik, wenn sie keine Emotionen in uns hervorrufen würden? Oder man denke an bewegende Großereignisse, wie etwa Fußballspiele oder Konzerte, bei denen Menschenmassen gleichzeitig von einer Emotion ergriffen werden und…

Mit Nietzsche gegen Nietzsche, oder Nietzsche über ehrliche und blauäugige Lügen

von Maria-Sibylla Lotter (Bochum) Unsere Gegenwart durchzieht ein widersprüchliches Verhältnis zur Wahrheit, an dem Nietzsche nicht ganz unschuldig ist. Wie der Philosoph Bernard Williams in seiner Studie über Wahrheit und Wahrhaftigkeit diagnostiziert hat, scheinen wir uns einerseits der Wahrheit höchst verpflichtet zu fühlen[1] indem wir in den Wissenschaften und der…

Der Mensch und das Tier. Wer ist der Mensch?

von Sarah Tietz (Bremen) Tiere haben uns Menschen schon immer interessiert. Schon immer wollten wir wissen, wie sich Hunde, Hasen, Pferde, Schafe oder Bienen verhalten, weil wir diese und andere Tiere nutzen: zur Jagd, zur Zucht, zum Hüten, zum Essen oder einfach nur zur privaten Haltung. In all diesen Fällen…

„Vermännlichung“ und „Androgyn-Werden“ – Zwei Ideale menschlicher Vortrefflichkeit in den neuplatonischen Schriften. Teil 2: Das Androgyn-Werden der Seele

Von Jana Schultz (Berlin) Im ersten Teil meines Blogbeitrags habe ich dargelegt, dass die Neuplatoniker für die Gleichheit der Tugend von Männern und Frauen argumentieren, jedoch innerhalb eines ontologischen Systems, das stets das Männliche bevorzugt. Im Metaphysischen ist die männlich konnotierte Grenze der weiblich konnotierten Unbegrenztheit (Kraft) überlegen und im…

„Vermännlichung“ und „Androgyn-Werden“ – Zwei Ideale menschlicher Vortrefflichkeit in den neuplatonischen Schriften. Teil 1: Die Vermännlichung der Seele

Von Jana Schultz (Berlin) Seit ungefähr drei Jahren arbeite ich an den Konzepten der „Frau“ und des „Weiblichen“ in den Schriften der neuplatonischen Philosophen. Mein Interesse ist philosophiehistorischer Natur. Ich frage nicht primär: „Wie verstehen wir die Konzepte „Männlich“ und Weiblich“, oder wie sollten wir diese verstehen? Kann uns der…

„Know nothing“ als Resultat des Philosophie- und Ethikunterrichts?

von Clemens Sander (Wien) Ein philosophiebegeisterter Schüler, der in der Oberstufe an meinem sokratisch geprägten Ethik- und Philosophieunterricht teilgenommen hatte, schenkte mir zum Abschied ein T-Shirt auf dem Sokrates’ Gesicht zu sehen ist, und darüber steht in großen Lettern: KNOW NOTHING. Natürlich freute ich mich über das herzliche Geschenk, aber…

Globale Armut und die kollektive Verantwortung der Jugend

Anlässlich der Veröffentlichung des Handbuch Philosophie der Kindheit (J.B. Metzler 2019) bringt praefaktisch Texte zur Philosophie der Kindheit. von Gottfried Schweiger (Salzburg) Der Titel dieses Blogbeitrags könnte provokativ wirken – welche Verantwortung für die globale Armut könnten Jugendliche schon haben? Wenn dann, sind nicht die Erwachsenen viel eher in die Pflicht zu…

Zur Rolle von Religion und Weltanschauungen in der Tierethik

von Clemens Wustmans (Berlin) Religiöse Überzeugungen spielen im komplexen Feld von Tierethik, Tierschutz und Tierrechtsbewegung eine ambivalente Rolle: Tierschutzvereine und Tierheime sind in großer Zahl nach Albert Schweitzer benannt, auf der Ebene sozialer Bewegungen begründen nicht wenige Menschen ihre Motivation für den Tierschutz mit ihrer religiösen Sicht auf die Welt,…

Antike, Kunst und Literatur. Ein Blick in die Basler Vorlesungen Friedrich Nietzsches.

von Carlotta Santini (Paris) ‚Friedrich Nietzsche und die Philologie‘ gilt seit einigen Jahren als ein echtes Schlagwort in der Nietzsche-Forschung. Viele bemerkenswerte Arbeiten haben sich schon darum bemüht, die Beziehung Nietzsches zur klassischen Philologie, zu ihren Methoden und ihren Perspektiven durch die Bestimmung und Bewertung derjenigen Faktoren zu rekonstruieren, die…

Was ist sexuelle Intimität?

 von Sascha Settegast (Trier) Dass Sex eine ziemlich intime Angelegenheit sein kann, würde wohl kaum jemand bestreiten. Immerhin geben wir uns nur wenigen Menschen gegenüber auf diese Weise die Blöße, indem wir alle Hüllen fallen lassen und sie ganz an uns heranlassen. Intimität ist das Gegenteil von persönlicher Distanz. Sie…

Auf die demokratische Praxis kommt es an. Bemerkungen zur Streitkultur an Schulen als Antwort auf Johannes Drerup

Von Ole Hilbrich (Bochum) Demokratie bezeichnet nicht allein eine zu verteidigende Ordnung des Streits. Zur demokratischen Praxis gehört es, dass darüber, wie demokratisch miteinander gestritten wird, selbst noch einmal gestritten werden kann und sollte. Auf einen solchen Streit hat sich Johannes Drerup dankenswerter Weise in einer Replik (2019a) auf meinen…

Die Gabe unter Derrida

von Grit Becher (Wien) Jacques Derrida, französischer Philosoph, Begründer und Hauptvertreter der philosophischen Denkrichtung der Dekonstruktion[1], zielt in seinem Konzept der Gabe auf die Vereinigung von sich gleichzeitig ausschließenden Formen wie das Paradox und die Ironie, auf das, was die Logik eigentlich ausschließt. Derridas Sozialphilosophie beschreibt nicht die Struktur des…

Nicht mehr wissen, wer man ist? Formen des Nicht-Wissens im Kontext der Demenz

von Martina Schmidhuber (Innsbruck & Graz) Demenz verbindet man mit Vergessen: Vergessen, was man gestern gemacht hat; vergessen, den Herd abzuschalten; vergessen, wie man die Zahnbürste richtig benutzt; schließlich auch das Vergessen der Gesichter der eigenen Kinder und den Namen des Partners. Aber vergessen Menschen mit Demenz auch, wer sie…

Einsamkeit als Denk- und Lebensform bei Friedrich Nietzsche

von Raphael Rauh (Freiburg) Friedrich Nietzsche wird 175 Jahre. Ist das zu alt für uns? Hat seine Philosophie noch die Kraft, uns zu bewegen? Gewisse Aussagen, aus seinem Werk herausgelöst und für bare Münze genommen, haben etwas Geschmackloses und Abstoßendes. Die Art allerdings, wie er fragt und zu antworten versucht,…