Der Universalismus der Aufklärung trotz postkolonialer Abgesänge

von Arnd Pollmann (Berlin) Nur wenige Tage nach den grauenvollen Gewaltverbrechen der Hamas formuliert Philipp Sarasin auf dem Blog Geschichte der Gegenwart eine dezidiert postkoloniale Kritik an Omri Boehms (2022) Plädoyer für einen „radikalen Universalismus“.[*] Das Timing dieser Auseinandersetzung wirkt zunächst ungünstig: Auf Seiten vieler politisch „links“ stehender Menschen herrscht…

Politische Repräsentation – auch der Tiere?

Von Philipp von Gall und Jonathan M. Hoffmann Lassen sich auch die Interessen von nicht-menschlichen Tieren in unserer Demokratie politisch vertreten? Und sollte gar der Staat dafür sorgen? Dieser Beitrag bejaht beides, und schlägt erste Umsetzungsschritte vor.

Ist die Demokratie in Gefahr?

Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin im Gespräch mit Dr. Sarah Rebecca Strömel Überall ist derzeit immer wieder zu lesen und zu hören, dass sich die Demokratie in einer Krise befindet. Ob und inwiefern die Demokratie tatsächlich gefährdet ist und was wir gegebenenfalls dagegen tun können, aber auch was mit…

Zwischen Kleben und Verstehen: Ziviler Ungehorsam der Klimaaktivist:innen. Arroganz oder gelebte Demokratie?

Von Marlon Possard (FH Campus Wien) Klimaaktivist:innen und ihre Aktivitäten werden in den letzten Monaten vermehrt kontrovers diskutiert. Häufig ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Warum und dem Wie der Aktivist:innen. Während ihre Anliegen, das heißt der Klimaschutz und die Senkung der Treibhausgase, von vielen Menschen positiv aufgenommen werden, wird…

„Bei gleicher Qualifikation werden Personen mit Schwerbehinderung bevorzugt“

Von Christiana Werner (Justus-Liebig-Universität Gießen und Universität Duisburg-Essen) Diesen Satz kann man häufig, fast immer in akademischen Stellenausschreibungen finden. Es scheint erst einmal eine gute Sache zu sein, wenn Menschen mit einer schweren Behinderung „bevorzugt“ werden. Ob tatsächlich durch diese Maßgabe mehr Personen mit Behinderung eingestellt werden, ist eine empirische…

Gestern, Heute, Morgen. Tagungen in der Philosophie

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Dieser Text verfolgt drei Anliegen. Erstens geht es mir darum, warum wir – als wissenschaftliche Gemeinschaft – überhaupt Tagungen machen, was ihre Funktionen sind und, heikel, was eine Tagung zu einer guten Tagung macht, wobei ich besonders über soziale Aspekte sprechen werde. Zweitens versteht sich dieser Text als Service. Service…

Adam Smith und die Theory of Moral Sentiments

Von Ulli Rühl (Bremen) Adam Smith (1723-1790) wird heute ausschließlich als Ökonom und Autor von Wealth of Nations (1776) wahrgenommen – und je nach politischem Standpunkt verehrt oder verdammt. Sein dreihundertster Geburtstag am 16. Juni 1723 (genau genommen der Tag seiner Taufe) gibt Gelegenheit, das Bild dieses bedeutenden Aufklärungsphilosophen zu…

Dienstpflicht von unten

Pflegesituation

von Philipp Stehr (Utrecht) Frank-Walter Steinmeier wird nicht müde für einen sozialen Pflichtdienst zu werben. Ihm scheint es dabei vor allem um sozialen Zusammenhalt zu gehen und eventuell im Hintergrund auch um die Stärkung der um Nachwuchs ringenden Bundeswehr und des chronisch überlasteten Pflegesektors. Schon vor einiger Zeit hat Dietrich…

Hegel und die Notwendigkeit des Zufalls

Würfel am Tisch

Von Achim Wamßler (Berlin) Wer die gemeine Hegelianerin fragt, was das Erste ist, was ihr zum Zufall bei Hegel einfällt, wird wohl in den allermeisten Fällen hören: Hegels Rede von der Notwendigkeit des Zufalls. Doch abgesehen von der Griffigkeit dieser Wendung, mit der Hegel andeutet, dass er ein durchaus guter…

Rassismus (auch) ohne Race

von Ina Kerner (Universität Koblenz) Seit ein paar Jahren setzt sich die deutschsprachige Politische Theorie und Philosophie immer öfter kritisch mit dem Rassismus des eigenen Kanons auseinander. Das ist überfällig – und vollzieht eine Entwicklung kritischer Reflexivität nach, mit denen der englischsprachige Wissenschaftsraum bereits seit Beginn des Millenniums aufwartet (u.a.…

Kann Europas KI Gesetz eine lebenswerte Zukunft bewahren?

von Mario Günther (München) und William D’Alessandro (Oxford/San Francisco) Das Europäische Parlament übernahm letzte Woche seine Verhandlungsposition zum Gesetz der Künstlichen Intelligenz (Artificial Intelligence Act). Das Gesetz wird die ambitionierteste Regulierung der Künstlichen Intelligenz (KI) in der westlichen Welt, sobald es verfeinert und, wie erwartet, vom Europäischen Rat gegen Jahresende…

Neuer Wein in alten Schläuchen?! Philosophische Rassismuskritik zwischen Akademisierung und Katalyse

von Peggy H. Breitenstein (Jena) Bei Betrachtung der jüngsten deutschsprachigen Debatten um das rassistische und kolonialistische Erbe der Philosophie zeigen sich aufschlussreiche Tendenzen. Einige von ihnen erinnern an vergangene Zeiten, in denen dieses Thema auch bereits kürzere Konjunkturen erlebte, bevor es dann wieder erfolgreich verdrängt oder vergessen wurde. Doch diesmal…

Wissenschaft und Elternzeit. Wunsch und Wirklichkeit

Von Elke Elisabeth Schmidt (Siegen) Nachwuchswissenschaftler*innen mit Kindern sind immer im Spagat zwischen Job und Familie. Viele Spannungen sind bekannt: ein hohes Arbeitspensum, geforderte zeit- und räumliche Flexibilität sowie Befristung auf der einen Seite und Kinder und all das auf der anderen. Weniger bekannt ist: Mutterschutz und Elternzeit könnten den…

Armut überkreuz? Rassismus, Sexismus, Klassismus im Kapitalismus[1]

Von Brigitte Bargetz (Kiel/Wien) und Jana Günther (Darmstadt) Seit der Coronakrise stiegen nicht nur die Vermögen elitärer Bevölkerungsteile, sondern auch die Armutsrisiken weltweit. Gerade während Krisen zeigt sich immer wieder, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders vulnerabel sind. Dazu gehören insbesondere Menschen in unteren Einkommensklassen, Migrant*innen, People of Colour sowie Frauen. Armut…

Antiziganismus – (K)Ein Thema für die Philosophie?

Laura Soréna Tittel (Justus-Liebig-Universität Gießen) Die Verstrickung der Philosophie in den Rassismus wurde in den letzten Jahren heiß diskutiert. Von Antiziganismus war dabei jedoch kaum die Rede. Vielmehr wurde dem klassischen philosophischen Kanon vorgeworfen, Rechtfertigungen für den Kolonialismus und für rassistisch bestimmte Hierarchien hervorgebracht zu haben. Doch wie verändert sich…

Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 2: Doppelangebote

von David Löwenstein (Düsseldorf) In einem ersten Beitrag habe ich die spezifischen Vereinbarkeitsprobleme akademischer Doppelkarrierepaaren skizziert. Wie lassen sie sich lösen? Auch hier ist zunächst auf den Good Practice Guide der Society for Women in Philosophy zu verweisen, der dazu viele gute Vorschläge enthält. Und wie bei den Problemen, gilt…

Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 1: Probleme

David Löwenstein (Düsseldorf) Das Problem der Vereinbarkeit von akademischer und Sorgearbeit hat viele Gesichter. Manche Faktoren betreffen alle oder viele ähnlich, andere nicht. Dies ist der erste von zwei Beiträgen, die eine spezifische Konstellation in diesem Feld behandeln: akademische Doppelkarrieren. Gemeint sind also Paare, bei denen beide Beteiligte eine akademische…

Pluralismus und Politikrelevanz: Smiths Kritik des Merkantilsystems

Von Richard Sturn (Graz)   Die Pluralität der Einflüsse auf Smiths Denken ist weithin anerkannt. Und die Vielzahl und Vielfalt der Schulen und Richtungen, die sich auf bestimmte Smithsche Argumentationen berufen, ist nicht zu übersehen. Weniger bekannt ist sein eigener theoretischer Pluralismus. Gemeint ist seine nur gelegentlich angedeutete Strategie, für…

Intersektionalität und Rassismus. Eine staatstheoretische Sicht

von Birgit Sauer (Universität Wien) Die Krisen der vergangenen Jahre – die Finanzkrise 2008, die Covid 19-Pandemie, Inflation und Klimakatastrophe – lassen die Ungleichheiten innerhalb westlicher Gesellschaften, aber auch zwischen den unterschiedlichen Regionen der Welt, dem Globalen Süden und dem Globalen Norden, wie in einem Brennglas sichtbar werden. Die ungleiche…

Die Moral von Lebenserhalt, Genuss und Kontrolle

Von Dieter Schwab (Nürnberg) Auf der Suche, das Profane der Ernährung hinter uns zu lassen, geraten wie in gefährliche Gewässer. Die Untiefen lauern zum einen darin, (1) in die Falle der Selbstoptimierung zu geraten und der sequentiellen Machtaufgabe über alle Teilbereiche unseres Lebens anheim zu fallen; (2) in eine normativen…

Zufall als Grund

Würfel am Tisch

von Leonidas Richter (Frankfurt am Main) Alles hat einen Grund. Oder: nichts geschieht ohne Grund. Das ist ein Grundsatz der wissenschaftlichen Erforschung und Erklärung der Welt. Zufall nun scheint das zu sein, was sich diesem Satz entzieht, das, wofür wir keinen Grund angeben können. Könnte Zufall aber selbst ein Grund…

Wie umgehen mit dem rassistischen Erbe in der Philosophie? Die richtigen Fragen stellen!

von Andrea Esser (Universität Jena) In vielen klassischen Texten der philosophischen Tradition kann man auf Passagen treffen, die – mindestens nach heutigen Maßgaben – als rassistisch zu beurteilen sind. Die Philosophie hat, wie viele andere Fächer auch, damit begonnen, sich mit diesem rassistischen Erbe auseinanderzusetzen. Sofern philosophische Vorurteilskritik, die Prüfung…

Geschlechtergerechte Sprache. Eine ethische Reflexion

Von  Janina Loh (Stiftung Liebenau & Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) Am 14. Juli 2023 ist International Non-Binary People’s Day. Als einer meiner persönlichen Lieblingstage im Jahr ist das eine gute Gelegenheit, ein paar Gedanken zu einem Thema von nach wie vor hartnäckiger Aktualität loszuwerden. Fast scheint es, als würde sich hierüber die…

Vereinbarkeit zwischen Familie, Studium & Arbeit als ewiger Kompromiss

Von Sonja Als ich die Anfrage erhalte, ob ich einen Blogbeitrag zum Thema „Vereinbarkeit“ schreiben möchte, muss ich etwas zögerlich antworten, da ich mir aufgrund eben dieser Vereinbarkeit nicht sicher bin, ob ich es schaffe. Es ärgert mich innerlich: Ich würde am liebsten so viele Dinge machen, ausprobieren und angehen,…

Demokratie und Verschwörungstheorien. Eine unfreiwillige Partnerschaft?

von Lucas von Ramin (Dresden) Ob Brunnenvergiftung, Hexenbünde oder Freimaurerloge – Verschwörungserzählungen haben nicht nur Konjunktur, sondern sind ein andauernder Bestandteil menschlicher Kulturgeschichte. Obwohl solche Erzählungen als Gefahr für heutige Demokratien beschrieben werden, finden sich in den meisten Verschwörungstheorien demokratische Motive. Oft wird eine kleine Gruppe oder Elite imaginiert, die…

Adam Smith über die Geschichte der Zivilisation

Von Christel Fricke (Oslo) Adam Smith (1723 – 1790) war einer der bedeutendsten Vertreter der schottischen Aufklärung. Bekannt ist er bis heute vor allem als Begründer der Nationalökonomie. Wir verdanken ihm aber auch bedeutende Beiträge zur Moral- und Geschichtsphilosophie. Er unterscheidet vier Stadien in der Geschichte der Zivilisation; das letzte…