Informed Consent, Vulnerabilität und algorithmische Diskriminierung

Von Hauke Behrendt (Stuttgart) und Wulf Loh (IZEW Tübingen) Zu den größten Binsen des Digitalisierungsdiskurses der letzten Jahre gehört die Einsicht, dass personenbezogene Daten für große Digitalkonzerne wie Apple, Facebook, Amazon oder Google eine Schlüsselrolle einnehmen. Mehr noch: Für manche besitzt die Ressource Daten einen vergleichbaren Stellenwert für die Plattformökonomie…

Multiparadigmatizität in den Wissenschaften

Von Stephan Kornmesser (Oldenburg und Hannover) In diesem Beitrag werde ich Thomas S. Kuhns These, dass in einer paradigmenbasierten Wissenschaft immer genau ein Paradigma vorherrscht, kritisieren und für die These einer multiparadigmatischen Struktur von Wissenschaften argumentieren. Ich werde zeigen, dass es Wissenschaften gibt, die erstens paradigmenbasiert funktionieren, in denen aber…

Sehnsucht nach Wissenschaft. Die romantische Universität

Von Markus Steinmayr (Duisburg-Essen) Die Idee der romantischen Universität wird in unterschiedlichen Formen und Textsorten entwickelt. Es gibt Verwaltungsschriften wie Humboldts berühmte „Denkschrift über die äußere und innere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“ aus dem Jahre 1809. Anders blickt zum Beispiel Joseph von Eichendorff auf Sache und Funktion…

Ethische Fragen an die technische Lösung der Klimakrise [Teil II]: Was die Atombombe uns über die sittlichen Voraussetzungen der Klimakrise lehren kann

Von Hannes Wendler (Köln und Heidelberg) Angesichts der Klimakrise erwacht ein neues sittliches Bewusstsein in der jüngeren Generation. Ethischen Selbstverständigungsangeboten wie dem Effektiven Altruismus (z.B. 80,000 hours) liegt jedoch dieselbe Mittel-Zweck Rationalität zugrunde, aus der auch die Klimakrise entsprungen ist. Die Klimakrise enthält demnach eine ethische Tiefendimension, die weder technisch…

Ethische Fragen an die technische Lösung der Klimakrise [Teil I]: Warum die ökologische Krise nicht durch dieselbe Zweck-Mittel-Rationalität gelöst werden kann, aus welcher sie hervorgegangen ist

Von Hannes Wendler (Köln und Heidelberg) Angesichts der Klimakrise kommt es zu einem neuen Selbstverständnis der betroffenen, größtenteils jungen Generationen. Anders als sich vermuten ließe, begreift diese sich nicht als nihilistische, sondern als moralische Generation, die durch eine distinkte Aufbruchsstimmung charakterisiert werden muss. Obgleich aus der Selbstverständigung dieser Generation begrüßenswerte,…

„Karl May würde AfD wählen!“ Ein mutmaßlicher Wahlkampfslogan von 2023 und seine Vorgeschichte

Von Christian Niemeyer (Berlin) Alles gackert, aber wer will noch still auf dem Neste sitzen und Eier brüten? Nietzsche: Also sprach Zarathustra III Mein Kriegspfad gegen Bellizist*innen aller Couleur (vorwiegende schwarze, aber auch gelbe wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die mir ausgerechnet heute, beim Schreiben dieser Zeilen, per Phoenix-TV ein Ohr abkaut…

Politik für das Postwachstum

Von Max Koch (Lund) Ein halbes Jahrhundert ist seit der Publikation der bahnbrechenden Studie zu den „Grenzen des Wachstums“ von Meadows et al. vergangen. Seitdem hat die Literatur der ökologischen Ökonomie, des Postwachstums (Degrowth) und der nachhaltigen Wohlfahrt (sustainable welfare) immer wieder darauf hingewiesen, dass eine umfassende ökologisch-soziale Transformation möglichst…

Die Philosophie von Severance

Von Rebecca Bachmann (Kassel) „Who are you“ – das ist nicht nur eine Grundsatzfrage der Philosophie, sondern auch der erste Satz der 2022 erschienenen Serie Severance. Die Serie gleicht in ihrer Prämisse einem philosophischen Gedankenexperiment: Stell dir vor, es gibt einen Chip, der es dir ermöglicht, dein Selbst in zwei…

Organisationsethisch basiertes Krankenhaus-Management – am Beispiel des Controlling

von Heinz Naegler (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) Die Ergebnisse der auf der Makro- und auf der Meso-Ebene des Gesundheitssystems gefällten Entscheidungen ragen weit in den klinischen Bereich des Krankenhauses hinein[1]. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass angesichts des finanziellen Drucks die Bestandssicherungsinteressen des Krankenhauses patientenbezogene Entscheidungen der Ärzte[1]…

Das Nichtwissen und die Philosophie – Rückblick auf den Themenschwerpunkt

von Tim Kraft (Regensburg) Als wir hier auf Präfaktisch im Oktober 2019 den Themenschwerpunkt „Nichtwissen“ starteten, der mit diesem Beitrag zu einem Ende kommt, hatten wir viele Erwartungen, aber mit mehreren Dingen haben wir nicht gerechnet. Zuerst einmal haben wir nicht gewagt, damit zu rechnen, dass es – inkl. diesem…

Wachstums-Schizophrenie

Von Richard Sturn (Graz) Am Wirtschaftswachstum scheiden sich die Geister – oder sollte man besser von einer Schizophrenie moderner Gesellschaften sprechen? Wenn in Deutschland, Österreich, China oder anderswo die Wachstumsprognosen um einen halben Prozentpunkt nach unten korrigiert werden, dann folgen mit größter Selbstverständlichkeit augurenhafte Hinweise auf damit verbundene Schwierigkeiten für…

Sprachlose Opfer. Zum Zusammenhang von institutionalisierter Gewalt und epistemischem Unrecht

Von Dietrich Schotte (Regensburg) Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Aufsatz, der in einem Schwerpunkt zur epistemischen Ungerechtigkeit in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) erschienen ist. Der Aufsatz kann auf der Website der ZfPP kostenlos heruntergeladen werden. Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden: Nach…

Politische Sozialisation und Computerspiele

Von Wulf Loh (Tübingen) Einleitung Als zumeist auch narratives Medium vermitteln viele Computerspiele ein bestimmtes Bild von Politik. Das heißt, sie stellen politische Werte, Legitimationsmechanismen und -strategien, Aushandlungsprozesse, Machtverteilungen und -ungleichgewichte usw. auf eine bestimmte Weise dar und leisten so – wie andere Medien auch – einen Beitrag zur politischen…

Neutralität oder Autorität? Warum wir Schöneckers Beitrag veröffentlichen

Von Norbert Paulo (Graz & München) Heute haben wir auf praefaktisch einen Beitrag von Dieter Schönecker veröffentlicht. Vermutlich werden die Meinungen zu diesem Beitrag weit auseinandergehen. Die Frage, ob wir ihn veröffentlichen sollen, hat uns einiges Kopfzerbrechen bereitet. Warum wir uns für die Veröffentlichung entschieden haben, will ich hier kurz…

Die Sittenwächter von PhilPublica oder über den Mangel an Einbildungskraft

Von Dieter Schönecker (Siegen) Seit etwa dreieinhalb Jahren gibt es PhilPublica, ein Portal, das man nicht missen möchte. Es sammelt an einem übersichtlichen Platz Beiträge von Philosophinnen und Philosophen, die in verschiedenen Medien Stellung beziehen zu philosophischen und (im weiteren Sinne) politischen Themen. Eine von der DGPhil und der GAP…

Philosophie und die Klimakrise: Ein Aufruf zum Wandel

Von Paul Schütze (Osnabrück) und Philipp Haueis (Bielefeld) Die Klimakrise ist in vollem Gange. Schon jetzt sind die Aussichten verheerend. Inmitten dieser Krise stellen wir uns die Frage, was die Philosophie angesichts solcher Herausforderungen beitragen kann. Philosoph:innen können, wie alle anderen auch, zur Bewältigung der Krise beitragen. Aber wir argumentieren,…

Verspielte Perspektive. Zum ethischen Potenzial von Games

Martin Henning (Tübingen) und Patricia Wolny (Passau) Digitale Spiele sind längst kein Nischenprodukt mehr, sondern nehmen in der aktuellen Populärkultur eine zentrale Stellung ein. Dabei prägen sie auch unsere Vorstellungen, wie die Welt beschaffen ist und wie wir uns handelnd in dieser Welt verhalten können, wesentlich mit. Im Folgenden soll…

Symphilosophie und Provokation. Zu Friedrich Schlegels 250. Geburtstag

Von Johannes Korngiebel (Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar) Friedrich Schlegel, dessen Geburtstag sich am 10. März 2022 zum 250. Mal jährt, war ein Denker der Moderne. Weitsichtig hat er deren Probleme, aber auch Potentiale erkannt. Sein Gesamtwerk lässt sich als Auseinandersetzung mit der um 1800 erstmals umfassend spürbaren Moderneerfahrung interpretieren. Dabei…

Das Auge singt mit – Für eine Genealogie der Popkultur

Von Volkmar Mühleis (Brüssel) K-Pop, das ist in vielerlei Hinsicht eine perfektionistische Überspitzung seit den sechziger Jahren bekannter Schemata im Popbereich: Das Phänomen der Girl- und Boygroups seit Hitfabriken wie Motown, das Spiel mit Genderrollen seit den Beatles, wenn sie mit Pilzkopf und auf Beatle-Boots mit zumindest höheren Absätzen als…

Der Supreme Court und das liberale Loblied auf die höchste Instanz

Von Johannes Müller-Salo (Hannover) In ihrer Sorge um den effektiven Schutz individueller Grundrechte verteidigen viele Liberale die Idee eines mit umfassenden Kompetenzen ausgestatteten Verfassungsgerichtshofs. Nicht selten werden höchste Gerichte zu Wächtern der Verfassung stilisiert. Die jüngsten Urteile des Supreme Courts zum Schwangerschaftsabbruch, zum Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit wie…

Wie kompatibel sind Postwachstum und Sozialstaat?

Von Milena Büchs (Leeds) Aus ökologischer Sicht ist die Kritik am Wachstum heute gut begründet. Doch oft werden Bedenken geäußert, dass soziale Ziele wie hohe Beschäftigung, Armutsbekämpfung und Umverteilung ohne Wachstum nicht zu haben sind: Sozialstaaten im globalen Norden sind vom Wachstum abhängig, so heißt es. In diesem Beitrag werde…

Zur double bind-Paradoxie der repräsentativen Demokratie

Von Martin Welsch (Heidelberg) In der Publizistik ist es ein Gemeinplatz, dass sich die repräsentative Demokratie in einer Krise befindet, Politikverdrossenheit und Massenproteste werden als Zeichen dafür gewertet. Die politik- und sozialwissenschaftliche Theorie dieser Krisendiagnose ist die der „Postdemokratie“: Das Repräsentativsystem habe früher seinen demokratischen Zweck erfüllt, doch diese Zeit…

Lakatos‘ Synthese von Popper und Kuhn

Von Gerhard Schurz (Düsseldorf) Als ich die Arbeit von Imre Lakatos „Falsifikation und die Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme“ (1974) als Student das erste Mal las, war ich beeindruckt. Lakatos schaffte es darin nämlich, zwei wissenschaftstheoretische Perspektiven zu verbinden, die mir bis dahin als unversöhnlich erschienen waren: die von Karl Poppers „Logik…

Prafeaktisch sucht Verstärkung!

Wir betreiben den Philosophieblog praefaktisch nun seit über 4 Jahren und er hat sich zu einem wichtigen Medium in der deutschsprachigen Philosophie entwickelt. Nun suchen wir Verstärkung für unser Team. Falls Du Interesse hast den Blog gemeinsam mit uns zu betreiben und weiterzuentwickeln, dann melde Dich bitte bis 15. Juli…

Neutral gegenüber rassistischen und rechtsextremen Positionen? Internationale Diskussionen um ‚Kontroversität‘ und ‚Positionalität‘ von (religiöser) Bildung

Von Jan-Hendrik Herbst (TU Dortmund) Am 10. Januar titelt die Washington Post (WP): „Ein republikanischer Senator vertritt die Auffassung, dass Lehrkräfte im Unterricht über Nationalsozialismus und Faschismus ‚unparteiisch sein‘ sollen.“ Diese Position vertrat Scott Baldwin, um den es im Artikel geht, im Kontext eines Gesetzesentwurfs in Indiana (‚Bill 167‘), der…