Zur Departmentstruktur

von Christine Tiefensee (Frankfurt) Will man Thomas Kuhn Glauben schenken, folgt auf die Krise des alten wissenschaftlichen Paradigmas wissenschaftliche Revolution. Der Vergleich zwischen Kuhns Revolutionen und der derzeit stark diskutierten Transition von der traditionellen Lehrstuhlstruktur hin zu einer Departmentstruktur hinkt zugegebenermaßen an mehreren Stellen. ‚Krise‘ und ‚Revolution‘ sind schließlich sehr…

Endlich kontroverse Ideen!?

Von Norbert Paulo (Graz/Salzburg) Im Rahmen einer interessanten BBC-Radiodokumentation über politische Meinungsvielfalt an Universitäten hat Jeff McMahan, Professor für Moralphilosophie in Oxford, seine Initiative für eine neue Fachzeitschrift erläutert, die 2019 gegründet werden soll: The Journal of Controversial Ideas. Die grundsätzliche Idee dafür hat Peter Singer, der die Zeitschrift mit…

Denken mit Geländer

von Bettina Bussmann (Salzburg) Wer in den 1980er Jahren seine Schule beendet und ein Studium begonnen hat, der weiß, was es bedeutet, einer Lehrkraft oder einem Dozenten[i] stundenlang zuzuhören und wenig Möglichkeiten zu haben, sich Wissen kreativ und mit unterschiedlichen Methoden anzueignen. Der weiß auch, dass (bis heute) in vielen…

#Metoo und Frauen in der akademischen Philosophie: Der perfekte Sturm

von Andrea Klonschinski (Kiel) Was ist die #Metoo Debatte? Bevor das Thema #Metoo sinnvoll diskutiert werden kann, gilt es zunächst zu klären, was genau eigentlich gemeint ist, wenn von der #Metoo Debatte die Rede ist. Hier sind mindestens zwei verschiedenartige Phänomene zu unterscheiden: erstens der Hashtag #Metoo, unter dem zunächst…

Zur Relevanz einer psychologisch informierten Moralphilosophie: Eine Replik auf Königs

von Christoph Bublitz (Hamburg) In einem jüngst in diesem Blog erschienenen Beitrag taxiert Peter Königs die Relevanz der  moralpsychologisch informierten Moralphilosophie (MiM) als gering. Sein Beitrag durchzieht das Bemühen, die Erträge der in den vergangenen Jahren international aufblühenden Forschungsrichtung an der Schnittstelle von Empirie und Philosophie in die Nähe des…

Über das empirisch informierte Beleidigen von Kollegen

von Peter Königs (Karlsruhe) Akademische Debatten unterliegen bestimmten Diskursregeln. Dazu zählen etwa die Pflicht, bereits existierende Forschungsliteratur zu berücksichtigen, die Pflicht, das Principle of Charity zu achten und auch die Pflicht, Argumente inhaltlich zu prüfen, anstatt einfach deren Urheber persönlich anzugreifen. Dass ad hominem-Attacken unzulässig sind, vielleicht sogar Fehlschlüsse, lernt…

Bildung gegen Populismus?

von Krassimir Stojanov (Eichstätt) Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, überhaupt die Ablehnung von Andersheit und Pluralität, vor allem Ergebnis einer mangelhaften Bildung seien.  In der Tat, geht Bildung nicht mit der Entstehung von Weltoffenheit und mit der Entwicklung eines differenzierten Denkens zusammen, das sich groben…

Me Too – Es wäre zu schön gewesen, die Angst zu verschieben

von Maria Sagmeister (Wien) Vor einiger Zeit wurde ich eingeladen, diesen Blogbeitrag zum Schlagwort #metoo[1] zu verfassen. Damals wurden gerade erste Täter_innen mit Konsequenzen konfrontiert und es sah fast so aus, als hätten es manche tatsächlich mit der Angst zu tun bekommen.[2] Es schien, als müsste nicht wieder und wieder…

‚Interkulturelle Bildung‘ – theoretisch problematisch, praktisch möglich

von Melanie Förg (München) Ist interkulturelle Bildung möglich? Interkulturelle Bildung ist schon deshalb nötig, weil z.B. die deutschsprachigen Länder Einwanderungsländer sind;[1] und Schule als öffentliche Institution ist hier besonders gefragt, weil die Schulpflicht dazu führt, dass Schule der Ort ist, an dem Schüler_innen aus allen Kulturen zusammenkommen, um zusammen zu…

#MeToo und  Moralischer Fortschritt

von Hilkje Charlotte Hänel (Berlin) Lange vor Harvey Weinstein, Kevin Spacey und Louis C.K. benutzte Tarana Burke den Ausdruck „me too“, um Betroffene von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung von ihrer Scham zu befreien und Mädchen und Frauen aus überwiegend schwarzen Communities zu stärken. Später gründete sie die „Me Too“-Kampagne und…

Fake! Hoax! Bullshit-Wissenschaft! Sind einige Gebiete der Geistes- und Sozialwissenschaften unwissenschaftliches Blabla?

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Mittlerweile hat der Hoax von  Helen Pluckrose, James Lindsay und Peter Boghossian auch die Mainstreammedien im deutschsprachigen Raum erreicht. Worum geht es eigentlich? Diese drei – Pluckrose ist Journalistin, Lindsay ein Mathematiker und Boghossian Assistenzprofessor für Philosophie – haben zwanzig Aufsätze verfasst, die sie selbst für…

Bildung im Dienst der Aufklärung

von Jonas Pfister (Bern) Bildung dient der Aufklärung. Mit „Aufklärung“ ist das Streben gemeint, mit Hilfe der Vernunft Mythen, religiöse Glaubenssätze, Dogmas, Ideologien, Vorurteile und dergleichen zu hinterfragen. Wie Kant in seinem berühmten Diktum sagt, ist Aufklärug „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Dabei stützt sich der Mensch…

Homos Digitalos – Persönliche Identität

von Stefan Pfeifer (Wien) Einführung Wir stehen am Abgrund! Das Smartphone lässt uns verblöden, die Digitalisierung entfremdet den Menschen, macht ihn arbeitslos und überflüssig. Der Mensch beutet sich in einer Art von Burn-Out-Euphorie selbst aus und der Klassiker der Kulturpessimisten , dass der grassierende Nihilismus der Jugend uns alle zugrunde…

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Experimentelle Philosophie und die Qualität empirischer Daten

von Thomas Pölzler (Graz) Stellen Sie sich vor, Sie fragen einen Bekannten nach seiner Meinung zum neuen österreichischen Arbeitszeitgesetz. „Bedenklich“, antwortet er in festem Tonfall. Sie nicken zustimmend und lehnen sich zurück. Einen Moment später jedoch realisieren Sie, dass Ihr Bekannter gar nicht von seinem Handy aufgesehen hat. Seine Antwort…

Angewandte Ethik in der Weiterbildung – wie praktische Philosophie gesellschaftsrelevant wird

von Ivo Wallimann-Helmer (Zürich) Ethische Kompetenzen tragen wesentlich zur Schärfung des eigenen Berufsprofils bei. Doch Kompetenzen in Ethik und Kenntnisse in angewandter Ethik lassen sich weder einem klaren Berufsfeld zuordnen noch mit einer bestimmten Stufe der Karriereentwicklung identifizieren. Ethische Reflexionsfähigkeit ist fast überall wichtig. In den Weiterbildungsangeboten des Ethik-Zentrums, den…

Gefährliche oder experimentelle Liebe? Philosophische Überlegungen über #MeToo

von Federica Gregoratto (St. Gallen)[1] „Me too“ ist ein Ausdruck, den fast jede Frau (und einige Männer) als Antwort auf eine Erzählung von sexueller Belästigung formulieren kann. Hashtag #MeToo wurde im Oktober 2017 von der Schauspielerin Alyssa Milano, kurz nach der Veröffentlichung von den erheblichen Anschuldigungen gegen den Hollywood-Produzenten Harvey…

Über den Status der Philosophie im Kompetenzdschungel

von Christian Prust (Siegen) Mindestens dreißig zu entwickelnde oder zu fördernde Kernkompetenzen stehen in jedem Schulfach – wohl auch oder gar primär als eine Reaktion auf den Pisa-Schock – in den entsprechenden Curricula und Kernlehrplänen – ein nahezu undurchschaubarer Kompetenzdschungel. Das gilt freilich auch für die Philosophie. Aber ist ein…

Die Finanzierung der Wissenschaft und ihr Einfluss auf die prekäre Situation unserer nicht dauerhaft beschäftigten jüngeren Kolleginnen und Kollegen

von Achim Stephan (Osnabrück) Die modellhaften Überlegungen, die von Mitgliedern der DGPhil und der GAP gemeinsam angestellt wurden, um die Situation für unsere nicht dauerhaft beschäftigten jüngeren Kolleginnen und Kollegen etwas zu verbessern, können nur ein paar Tropfen auf einen überhitzten Stein sein. Sie orientieren sich daran, was Philosophie-Institute und Universitäten…

Die Fakten allein werden es nicht richten. Über politisch motivierte Ablenkungsmanöver und was aus ihnen folgt.

von Johann Maria Himmelstoß (Bürger, München) In den Diskussionen über das Postfaktische wird oft ignoriert, dass die Lösung vieler Probleme bzw. Fragen von den Fakten unterbestimmt bleiben. Die Fakten allein werden es in solchen Situation nicht richten, d.h. die zur Diskussion stehende Frage nicht lösen können. Diese Unterbestimmtheit kann durch…

Geld für facebook-Nutzer? Was die Bepreisung unserer Daten mit Gerechtigkeit zu tun hat

von Andrea Klonschinski (Kiel) und Alexander Lorch (Kiel) Wer sich im Internet bewegt, generiert Daten – sei es bei der Nutzung von Suchmaschinen, beim Online-Einkauf oder bei der Verwendung von sozialen Netzwerken. Unternehmen, die Online-Plattformen zur Verfügung stellen, nutzen diese Daten für die Optimierung ihrer Produkte und Werbeanzeigen und handeln…

Philosophisches Außenministerium gibt Entwarnung: Lehnstühle sicher vor experimentellen Philosophen

von Paul Rehren (Bielefeld) Als ich das erste Mal nach Braunschweig gekommen bin, war ich ziemlich positiv überrascht. Ich hatte mir eine etwas heruntergekommene Braunkohlestadt ausgemalt. Stattdessen stellte sich die Stadt als grün, wohnlich und insgesamt sehr angenehm heraus. Woher kamen meine Vorurteile? Schwer zu sagen. Doch in jedem Fall hätten…

Trumpismus und die Philosophie der Weltordnung

von Mark S. Weiner (Hamden, Connecticut, USA/Uppsala, Schweden)[1] Im Zuge des NATO-Gipfels und des Helsinki-Treffens waren viele Liberale[2] versucht, das Verhalten von US-Präsident Donald Trump charakterlich zu verurteilen. Seine Unterstützung Vladimir Putins und die Zurechtweisungen seiner eigenen Geheimdienste sowie der traditionellen Verbündeten scheinen zu zeigen, dass er der Sache nicht…

Zeit der Zuschauer

von Christoph Schamberger (Berlin) Wolfram Eilenberger erhebt in der ZEIT[1] schwere Vorwürfe gegen die deutsche akademische Philosophie. Zum einen gingen ihre Arbeiten den großen, drängenden Fragen unserer Zeit aus dem Weg und seien inhaltlich uninteressant – zumal für die breite Öffentlichkeit. Zum anderen habe sie auch international kaum noch Einfluss…

Wie erkennt man Pseudowissenschaften? (Teil 2)

von Nikil Mukerji (München) Die Wissenschaft ist eine wichtige gesellschaftliche Institution. Sie hilft uns, unsere eigene Existenz und unsere Natur als Menschen besser zu verstehen. Sie fördert Fakten zutage, auf deren Grundlage Innovation und technischer Fortschritt stattfinden kann. Sie liefert uns aber auch eine sachliche Grundlage für die politische Debatte…

Wie erkennt man Pseudowissenschaften? (Teil 1)

von Nikil Mukerji (München) Die Wissenschaft ist eine wichtige gesellschaftliche Institution. Sie hilft uns, unsere eigene Existenz und unsere Natur als Menschen besser zu verstehen. Sie fördert Fakten zutage, auf deren Grundlage Innovation und technischer Fortschritt stattfinden kann. Sie liefert uns aber auch eine sachliche Grundlage für die politische Debatte…

Hannah Arendt und das „postfaktische Zeitalter“

von Judith Zinsmaier (Tübingen) Mit dem 2016 von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gewählten Begriff „postfaktisch“ soll dieser zufolge eine Situation beschrieben werden, in der sich die politischen Debatten nicht mehr an Fakten und Wahrheiten orientieren, sondern an Emotionen. Nicht das Aussprechen der Wahrheit, sondern dasjenige…

Wissenschaftssprachen und Businessmodelle

von Christoph Schirmer (Berlin, de Gruyter) Zeitschriftenartikel werden in der Philosophie immer wichtiger. Die regelmäßigen Evaluierungen von Wissenschaftler*innen und Instituten verlangen nach hochfrequentem Output, der mit Büchern in der Regel nicht erbracht werden kann. Auch die Teammitglieder langjähriger Forschungsprojekte, die z.B. von der ERC gefördert werden, bringen ihre jeweiligen Forschungsergebnisse…