Ein neues Unbehagen in der Demokratietheorie?

von Oliver Hidalgo (Universität Passau) Dies ist der zweite Beitrag unserer kleinen Reihe rund um das große Thema „Herausforderungen der Demokratie(theorie)“, die wir in Kooperation mit dem Theorieblog veröffentlichen. Den Auftakt machte ein Beitrag von Tine Stein über “Resiliente Demokratie und die Polykrise der Gegenwart”, nächsten Donnerstag (14.12.) gibt André Brodocz Antworten…

Judenhass im Namen von Freiheit und Würde

Bild des Eintrags Antisemitismus im Wörterbuch

Joël Ben-Yehoshua (Jena) „Nicht den Juden, unsern Brüdern, sondern der Judenschaft dem Judenstaat erklären wir den Krieg“ In Anbetracht des antisemitischen Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 und der teils verstörenden globalen Reaktionen darauf hat Philip Hogh darauf aufmerksam gemacht, dass es eine „genuine Aufgabe kritischer Theorien“ ist, das…

Resiliente Demokratie und die Polykrise der Gegenwart

von Tine Stein (Georg-August-Universität Göttingen) Dies ist der Auftakt zu einer Reihe von insgesamt drei Beiträgen rund um das große Thema „Herausforderungen der Demokratie(theorie)“, die wir in Kooperation mit dem theorieblog in den nächsten Wochen immer donnerstags veröffentlichen. Am 7.12. folgt ein Beitrag von Oliver Hidalgo zum Thema „Ein neues Unbehagen…

Zwei Begriffe der Wissenschaftsfreiheit? Eine Replik auf Karsten Schubert

Von Dieter Schönecker (Siegen) Der Berliner Philosoph Karsten Schubert kritisiert in seinem Aufsatz über „Zwei Begriffe der Wissenschaftsfreiheit“ den (angeblichen) Begriff, den das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit (NW) verwende. Dieser sei unpolitisch, man bedürfe aber eines kritisch-politischen Begriffs. Schubert irrt. Weder operiert das NW mit einem unpolitischen Begriff von Wissenschaftsfreiheit noch lässt…

Unsicherheit in der IT-Sicherheit

Von Kaya Cassing (Bochum) und Sebastian Weydner-Volkmann (Bochum) Die Sicherheit unserer IT-Infrastruktur ist von äußerster Relevanz für unsere digitalisierte Gesellschaft [[1]]. Die Forschung zur IT-Sicherheit übernimmt hier eine zentrale Rolle, wirft aber zugleich ethische Probleme auf, deren Bewältigung derzeit noch kaum Aufmerksamkeit erfährt. In diesem Beitrag soll ein wesentlicher Aspekt…

Meditation über den Begriff der „Vereinbarkeit“

von Coretta Ehrenfeld Einatmen. Der Begriff der Vereinbarkeit weist auf zwei Voraussetzungen seiner selbst: Erstens müssen mindestens zwei Elemente gegeben sein, die getrennt voneinander existieren, um gegebenenfalls „vereinbart“ werden zu können. Zweitens verweist der Begriff mit der Silbe „bar“ auf die Frage hin, ob etwas vereint werden kann oder nicht.…

Das Alter bekämpfen oder akzeptieren? Eine philosophische Perspektive auf das gute Leben im Alter

Von Nadine Mooren (Münster) Der Schriftsteller Jean Améry hat den Umgang mit dem Alter einmal auf die folgende Alternative gebracht: Wir könnten dagegen revoltieren oder resignieren. Für Améry ist die Revolte gegen das Alter der einzig sinnvolle Weg. Im Fundus der Philosophiegeschichte lassen sich jedoch auch Philosoph*innen entdecken, die dafür…

Splitter zur Philosophie des Flirtens

Von Gottfried Schweiger (Salzburg) [1] Liebe ist ein klassisches Thema der Philosophie. Der Prozess des Verliebens schon weniger und wenn es ums Flirten geht, hat die Philosophie – bislang – fast nichts zu sagen. Dabei ist Flirten nicht nur eine häufig anzutreffende und bei vielen Menschen beliebte Interaktion, sie wirft…

Der Universalismus der Aufklärung trotz postkolonialer Abgesänge

von Arnd Pollmann (Berlin) Nur wenige Tage nach den grauenvollen Gewaltverbrechen der Hamas formuliert Philipp Sarasin auf dem Blog Geschichte der Gegenwart eine dezidiert postkoloniale Kritik an Omri Boehms (2022) Plädoyer für einen „radikalen Universalismus“.[*] Das Timing dieser Auseinandersetzung wirkt zunächst ungünstig: Auf Seiten vieler politisch „links“ stehender Menschen herrscht…

Politische Repräsentation – auch der Tiere?

Von Philipp von Gall und Jonathan M. Hoffmann Lassen sich auch die Interessen von nicht-menschlichen Tieren in unserer Demokratie politisch vertreten? Und sollte gar der Staat dafür sorgen? Dieser Beitrag bejaht beides, und schlägt erste Umsetzungsschritte vor.

Ist die Demokratie in Gefahr?

Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin im Gespräch mit Dr. Sarah Rebecca Strömel Überall ist derzeit immer wieder zu lesen und zu hören, dass sich die Demokratie in einer Krise befindet. Ob und inwiefern die Demokratie tatsächlich gefährdet ist und was wir gegebenenfalls dagegen tun können, aber auch was mit…

Zwischen Kleben und Verstehen: Ziviler Ungehorsam der Klimaaktivist:innen. Arroganz oder gelebte Demokratie?

Von Marlon Possard (FH Campus Wien) Klimaaktivist:innen und ihre Aktivitäten werden in den letzten Monaten vermehrt kontrovers diskutiert. Häufig ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Warum und dem Wie der Aktivist:innen. Während ihre Anliegen, das heißt der Klimaschutz und die Senkung der Treibhausgase, von vielen Menschen positiv aufgenommen werden, wird…

„Bei gleicher Qualifikation werden Personen mit Schwerbehinderung bevorzugt“

Von Christiana Werner (Justus-Liebig-Universität Gießen und Universität Duisburg-Essen) Diesen Satz kann man häufig, fast immer in akademischen Stellenausschreibungen finden. Es scheint erst einmal eine gute Sache zu sein, wenn Menschen mit einer schweren Behinderung „bevorzugt“ werden. Ob tatsächlich durch diese Maßgabe mehr Personen mit Behinderung eingestellt werden, ist eine empirische…

Gestern, Heute, Morgen. Tagungen in der Philosophie

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Dieser Text verfolgt drei Anliegen. Erstens geht es mir darum, warum wir – als wissenschaftliche Gemeinschaft – überhaupt Tagungen machen, was ihre Funktionen sind und, heikel, was eine Tagung zu einer guten Tagung macht, wobei ich besonders über soziale Aspekte sprechen werde. Zweitens versteht sich dieser Text als Service. Service…

Adam Smith und die Theory of Moral Sentiments

Von Ulli Rühl (Bremen) Adam Smith (1723-1790) wird heute ausschließlich als Ökonom und Autor von Wealth of Nations (1776) wahrgenommen – und je nach politischem Standpunkt verehrt oder verdammt. Sein dreihundertster Geburtstag am 16. Juni 1723 (genau genommen der Tag seiner Taufe) gibt Gelegenheit, das Bild dieses bedeutenden Aufklärungsphilosophen zu…

Dienstpflicht von unten

Pflegesituation

von Philipp Stehr (Utrecht) Frank-Walter Steinmeier wird nicht müde für einen sozialen Pflichtdienst zu werben. Ihm scheint es dabei vor allem um sozialen Zusammenhalt zu gehen und eventuell im Hintergrund auch um die Stärkung der um Nachwuchs ringenden Bundeswehr und des chronisch überlasteten Pflegesektors. Schon vor einiger Zeit hat Dietrich…

Hegel und die Notwendigkeit des Zufalls

Würfel am Tisch

Von Achim Wamßler (Berlin) Wer die gemeine Hegelianerin fragt, was das Erste ist, was ihr zum Zufall bei Hegel einfällt, wird wohl in den allermeisten Fällen hören: Hegels Rede von der Notwendigkeit des Zufalls. Doch abgesehen von der Griffigkeit dieser Wendung, mit der Hegel andeutet, dass er ein durchaus guter…

Rassismus (auch) ohne Race

von Ina Kerner (Universität Koblenz) Seit ein paar Jahren setzt sich die deutschsprachige Politische Theorie und Philosophie immer öfter kritisch mit dem Rassismus des eigenen Kanons auseinander. Das ist überfällig – und vollzieht eine Entwicklung kritischer Reflexivität nach, mit denen der englischsprachige Wissenschaftsraum bereits seit Beginn des Millenniums aufwartet (u.a.…

Kann Europas KI Gesetz eine lebenswerte Zukunft bewahren?

von Mario Günther (München) und William D’Alessandro (Oxford/San Francisco) Das Europäische Parlament übernahm letzte Woche seine Verhandlungsposition zum Gesetz der Künstlichen Intelligenz (Artificial Intelligence Act). Das Gesetz wird die ambitionierteste Regulierung der Künstlichen Intelligenz (KI) in der westlichen Welt, sobald es verfeinert und, wie erwartet, vom Europäischen Rat gegen Jahresende…

Neuer Wein in alten Schläuchen?! Philosophische Rassismuskritik zwischen Akademisierung und Katalyse

von Peggy H. Breitenstein (Jena) Bei Betrachtung der jüngsten deutschsprachigen Debatten um das rassistische und kolonialistische Erbe der Philosophie zeigen sich aufschlussreiche Tendenzen. Einige von ihnen erinnern an vergangene Zeiten, in denen dieses Thema auch bereits kürzere Konjunkturen erlebte, bevor es dann wieder erfolgreich verdrängt oder vergessen wurde. Doch diesmal…

Wissenschaft und Elternzeit. Wunsch und Wirklichkeit

Von Elke Elisabeth Schmidt (Siegen) Nachwuchswissenschaftler*innen mit Kindern sind immer im Spagat zwischen Job und Familie. Viele Spannungen sind bekannt: ein hohes Arbeitspensum, geforderte zeit- und räumliche Flexibilität sowie Befristung auf der einen Seite und Kinder und all das auf der anderen. Weniger bekannt ist: Mutterschutz und Elternzeit könnten den…

Armut überkreuz? Rassismus, Sexismus, Klassismus im Kapitalismus[1]

Von Brigitte Bargetz (Kiel/Wien) und Jana Günther (Darmstadt) Seit der Coronakrise stiegen nicht nur die Vermögen elitärer Bevölkerungsteile, sondern auch die Armutsrisiken weltweit. Gerade während Krisen zeigt sich immer wieder, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders vulnerabel sind. Dazu gehören insbesondere Menschen in unteren Einkommensklassen, Migrant*innen, People of Colour sowie Frauen. Armut…

Antiziganismus – (K)Ein Thema für die Philosophie?

Laura Soréna Tittel (Justus-Liebig-Universität Gießen) Die Verstrickung der Philosophie in den Rassismus wurde in den letzten Jahren heiß diskutiert. Von Antiziganismus war dabei jedoch kaum die Rede. Vielmehr wurde dem klassischen philosophischen Kanon vorgeworfen, Rechtfertigungen für den Kolonialismus und für rassistisch bestimmte Hierarchien hervorgebracht zu haben. Doch wie verändert sich…

Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 2: Doppelangebote

von David Löwenstein (Düsseldorf) In einem ersten Beitrag habe ich die spezifischen Vereinbarkeitsprobleme akademischer Doppelkarrierepaaren skizziert. Wie lassen sie sich lösen? Auch hier ist zunächst auf den Good Practice Guide der Society for Women in Philosophy zu verweisen, der dazu viele gute Vorschläge enthält. Und wie bei den Problemen, gilt…

Vereinbarkeit und akademische Doppelkarrieren – Teil 1: Probleme

David Löwenstein (Düsseldorf) Das Problem der Vereinbarkeit von akademischer und Sorgearbeit hat viele Gesichter. Manche Faktoren betreffen alle oder viele ähnlich, andere nicht. Dies ist der erste von zwei Beiträgen, die eine spezifische Konstellation in diesem Feld behandeln: akademische Doppelkarrieren. Gemeint sind also Paare, bei denen beide Beteiligte eine akademische…

Pluralismus und Politikrelevanz: Smiths Kritik des Merkantilsystems

Von Richard Sturn (Graz)   Die Pluralität der Einflüsse auf Smiths Denken ist weithin anerkannt. Und die Vielzahl und Vielfalt der Schulen und Richtungen, die sich auf bestimmte Smithsche Argumentationen berufen, ist nicht zu übersehen. Weniger bekannt ist sein eigener theoretischer Pluralismus. Gemeint ist seine nur gelegentlich angedeutete Strategie, für…

Intersektionalität und Rassismus. Eine staatstheoretische Sicht

von Birgit Sauer (Universität Wien) Die Krisen der vergangenen Jahre – die Finanzkrise 2008, die Covid 19-Pandemie, Inflation und Klimakatastrophe – lassen die Ungleichheiten innerhalb westlicher Gesellschaften, aber auch zwischen den unterschiedlichen Regionen der Welt, dem Globalen Süden und dem Globalen Norden, wie in einem Brennglas sichtbar werden. Die ungleiche…