Alles kann, nix muss – aber manches sollte doch!

Von Patrick Maisenhölder (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg und Universität Stuttgart) Wenn man über Digitalisierung und Hochschullehre schreibt, ist eines am Anfang direkt vorwegzunehmen: Weder glaube ich, dass damit das Ende der herkömmlichen Lehre eingeläutet ist, noch fordere ich, dass diese, unter den Bedingungen der Digitalisierung, aufzugeben ist. Die Präsenzlehre mit Diskussionen…

Unkontrollierbare künstliche Intelligenz?

von Reinhard Heil und Leonie Seng (ITAS/KIT Karlsruhe) Am Anfang stand ein einfaches Computerprogramm, das zur Sprachoptimierung von E-Mails entwickelt worden war. Durch eine kleine, nicht konsequent zu Ende gedachte, Änderung verwandelt sich das Programm in eine Selbstoptimierungsmaschine, die die Inhalte von durch Menschen verfasste E-Mails zu ihren eigenen Gunsten…

Das weiße (Nicht-)Wissen der Philosophie

von Marina Martinez Mateo (Akademie der Bildenden Künste München) Die Philosophie ist in ihrem institutionellen Funktionieren als Disziplin ein Ort weißen (Nicht-)Wissens. Das heißt nicht – so viel vorweg –, dass sie nur das ist: Kontinuierlich werden dem Weißsein der Philosophie andere Formen des Wissens und Denkens entgegengesetzt, ganze Traditionen…

(M)Einen Vater pflegen

von Almut Kristine v. Wedelstaedt (Universität Bielefeld) Mein Vater ist spät Vater geworden. Als ich promoviert hatte, war er schon alt. Ich entschied damals, das Kinderkriegen nicht länger aufzuschieben. Das Kinderkriegen, wie das manchmal so ist, dauerte aber. Und so war mein Vater, als ich mein Kind bekam, nicht nur…

Macht der Glaube an ein Schicksal faul?

Foto von Artem Maltsev auf Unsplash

Von Ronja Hildebrandt (Humboldt-Universität Berlin) Ist es Zufall oder Schicksal, wenn man seine zukünftige Partner*in trifft oder den Traumjob bekommt, weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war? War es Zufall oder Schicksal, dass man Covid-19 bekommen hat oder davon verschont geblieben ist? Der Glaube, dass alle Ereignisse vorherbestimmt…

Heidegger und das Wesen der Dichtung

Von Gerhard Poppenberg (Heidelberg) Der Beitrag zeigt, dass Heideggers Engagement für den NS und seine Abwendung davon philosophisch parallel zu seiner „Kehre“ stattfindet: seiner Wendung zur Dichtung als einer Neukonzeption der Ontologie. Deren Implikationen werden im Folgenden angedeutet. Das Problem eines nicht metaphysischen „Wesens der Dichtung“ steht mit Hölderlin im…

Der neue SWIP Good Practice Guide „Vereinbarkeit“ – Teil 1

von Almut von Wedelstaedt (Bielefeld), Christiana Werner (Duisburg-Essen), Christine Bratu (Göttingen) und Katharina Naumann (Magdeburg) Die Herstellung von Vereinbarkeit wird heute als fester Bestandteil moderner Familienpolitik verstan­den und auch in den Hochschulen ist das Thema längst angekommen. Es findet sich in den meisten Leitbildern deutscher Hochschulen, die überdies mittlerweile reihenweise…

Siegen – verlieren – verhandeln? Kritische Anmerkungen zu Habermas‘ vermeintlich friedensethischen Denkanstößen

Von Johannes Frühbauer (KSH München) Ob das Ende eines Krieges bereits wirklich einen Weg zum Frieden darstellt, dürfte umstritten sein und bleiben. Eine notwendige Voraussetzung für Frieden stellt das Beenden von Kriegs- und militärischen Gewalthandlungen allemal dar. Kein Wunder also, dass mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine…

Horizontale und vertikale Demokratie. Zum Verhältnis von Volkssouveränität und Staat

von Oliver Eberl (Leibniz Universität Hannover/Goethe-Universität Frankfurt) Die Versprechen der Demokratie Die moderne Demokratie ist von zwei zentralen Versprechen geprägt: der Freiheit und der Gleichheit. Diese beiden Prinzipien sind es, auf die die Versuche, die Versprechen der Demokratie zu benennen, immer wieder hinauslaufen. Zum Beispiel hat Hubertus Buchstein die Versprechen…

Brauchen wir eine allgemeine Dienstpflicht? Eine philosophische Einmischung

Von Dietrich Schotte (Regensburg) Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden: Schon vor Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine vor gut einem Jahr wurde von Politiker:innen immer wieder laut die Überlegung geäußert, nicht nur die ausgesetzte (nicht „abgeschaffte“!) Wehrpflicht wieder einzuführen – sondern diese gleich zu…

Die westliche Demokratie und ihre Verächter

von Barbara Zehnpfennig (Universität Passau) Dachte man in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch, der weltweite Siegeszug der Demokratie sei unaufhaltsam, so hat sich das Bild seitdem dramatisch verändert: Nun scheint die Tendenz zum autoritären Regime, zur Autokratie, ja selbst zum totalitären Staat irreversibel. Sogar Staaten wie Ungarn, Polen…

Digitale Praxis – Fallstrick für Normen im Wissenschaftsalltag?

Von Nicola Mößner (Leibniz Universität Hannover / RWTH Aachen) ‚Wie sehr vertrauen Sie Wissenschaft und Forschung?‘ – eine Frage, die nicht erst seit der Corona-Pandemie viel diskutiert wird. Manch einer würde kritisch korrigieren: ‚Vertrauen Sie überhaupt in Wissenschaft und Forschung?‘ Schlagwörter wie Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise kommen damit in den Sinn.…

Philosophische Bildung und Digitalisierung. Ein Schlichtungsversuch

Von Markus Bohlmann (WWU Münster) Die Debatte um Bildung, insbesondere philosophische Bildung, und Digitalisierung ist immer noch zu häufig von gezielten Affekten, unbestimmten Ängsten, unerfüllbaren Hoffnungen und allzu klaren Fronten bestimmt. Das hier ist der Versuch einer Schlichtung in zwei Schritten. Hierzu werde ich zeigen, dass Digitalisierung erst einmal eine…

Zufall bei Aristoteles

Schiefertafel mit der Aufschrift possibile

Von Ursula Wolf (Mannheim) Aristoteles behandelt in seinen Schriften mehrere Begriffe und Problemkontexte, die im weiteren Sinn mit dem Zufall zu tun haben. Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Bereich des Zufälligen findet sich in der Physikabhandlung, er spielt aber ebenso eine Rolle in der Ethik. 1. Zufall in der Natur…

Absolute und relative Menschlichkeit im Krieg – der Versuch einer unparteiischen Parteinahme

Von Manuel Schulz In vielen Menschen erzeugt die gegenwärtige politische Stimmung, die sich seit einem Jahr im Angesicht des russischen Überfalls auf die Ukraine breit gemacht hat, ein massives Unbehagen. Militaristische Engführungen der Konfliktanalyse wo man nur hinschaut und hinhört, kriegsbejahende Siegesrhetoriken, Debatten um die Vorzüge eines bestimmten militärisch-technischen Geräts…

Demokratie ist der artikulierte Anspruch auf Volksherrschaft

von Dagmar Comtesse (Münster) Wann immer sich Menschen in Kollektiven sammeln, stellt sich die Ordnungsfrage: Wer entscheidet was? Und wie kann man möglichst viele Kollektivmitglieder dazu bringen, zumindest jene Regeln zu akzeptieren, durch welche Entscheidungen zustande kommen? Demokratie ist die Bezeichnung dafür, dass alle gezählten Mitglieder eines Kollektivs kausal an…

Politik der Bedürfnisse. Eine Replik

von Christoph Henning (Erfurt) Die menschlichen Bedürfnisse sind von Seiten eines Teams von AutorInnen in die Diskussion geworfen worden. Obwohl durch die „11 Thesen“ dabei ein Bezug auf Marx suggeriert wird, kommen die Bedürfnisse allerdings schlecht weg. Der Ball wird an dieser Stelle aufgenommen und in rettender Absicht werden einige…

Dreimal Zufall bei Kant

3 gestapelte Würfel vor rotem Hintergrund

Anne Tilkorn (Berlin) Ich unterscheide drei Begriffe von Zufälligkeit: modale, teleologische und ästhetische. Der Schwerpunkt liegt auf der ästhetischen Zufälligkeit, denn weder im Bereich der theoretischen Philosophie, noch in dem der Teleologie, spielt die Zufälligkeit eine so bedeutende Rolle wie in der Ästhetik. Die unterschiedlichen Positionen will ich im Folgenden…

Größe und Demokratie

von Dirk Jörke (Universität Darmstadt) Anlässlich der Feierlichkeiten zu 60 Jahre Élysée-Vertrag forderten Emmanuel Macron und Olaf Scholz, dass „Europa noch souveräner wird“ und dachten dabei, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vielbeschworenen „Zeitenwende“, insbesondere an eine militärische und geopolitische Unabhängigkeit. Flankiert werden solche Bestrebungen durch Intellektuelle und Politikwissenschaftler, die…

Digitale Philosophie – oder Philosophie des Digitalen? Oder beides?

Von Jonathan D. Geiger (Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz) „Digitalisierung“ und „Digitalität“ – Begriffe, die in unseren heutigen Diskursen selbstverständlich geworden sind. Doch diese Begriffe rein technisch zu verstehen greift zu kurz, sodass geisteswissenschaftliche bzw. philosophische Reflexionen notwendig werden. Neben der Theorie sieht sich die Philosophie allerdings…

Selbstgestaltung und der Zufall, wer wir sind

Frau überkreuzt Finger

Jan-Hendrik Heinrichs (Jülich/Aachen) Es herrschen widersprüchliche moralische Haltungen gegenüber dem vor, was wir nur mithilfe des Zufalls sind oder vollbringen. Der durch glücklichen Zufall gelungenen Lebensrettung spenden wir mehr Lob als dem gleichermaßen energisch betriebenen, aber erfolglosen Rettungsversuch, obwohl doch Verhalten und Absichten erfolgreicher und gescheiterter Retter die gleichen sind,…

Call for Blogposts: Vereinbarkeit von akademischem Arbeiten und anderen wertvollen persönlichen Projekten

Hochschulen sind inzwischen reihenweise als familienfreundlich zertifiziert, aber das heißt nicht, dass sich die Arbeit in der akademischen Philosophie mit der Sorge um Kinder, pflegebedürftige Eltern oder andere nahestehende Personen leicht vereinbaren lässt. Vielmehr erscheint beides oft nahezu unvereinbar: Der üblichen Kitaschließzeit am Nachmittag stehen gängige Vortragstermine am Abend gegenüber;…

praefaktisch hat Zuwachs!

Unser praefaktisch-Team hat sich vergrößert! Mit Regina Müller, Achim Wamßler und Sarah Rebecca Strömel sollen zukünftig weitere Themenschwerpunkte gesetzt und interdisziplinäre Brücken geschlagen werden. Wer die drei sind und was sie dazu bewogen hat, bei praefaktisch mitzumachen, erfahrt ihr in unserem Interview.

Künstliche Intelligenz und Meaning in Life: Ein kurzer Überblick über ein neues Forschungsfeld

von Markus Rüther (Jülich/Bonn) Unter den Schlagworten „Künstliche Intelligenz“ und „Digitalisierung“ werden viele Technologien diskutiert, die bereits heute unseren Alltag bestimmen. In ethischer Hinsicht werden vor allem die Folgen solcher Technologien für das Wohlergehen (z. B. das Glück) des Individuums und die gesellschaftliche Ordnung in den Blick genommen. Aber ist…

Für Forschendes Lernen braucht man keinen Seminarraum

von Joschka Haltaufderheide (Potsdam) & Katja Kühlmeyer (München) Eine typische Stellenanzeige, die über den Verteiler der medizinethischen Fachgesellschaften verschickt wird, sucht einen Postdoc für ein neues Drittmittelprojekt. Es soll um die ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen einer neuen digitalen Gesundheitsanwendung gehen. Es stellen sich sozial-empirische und ethisch-normative Forschungsfragen. Das Anforderungsprofil…

Habermas und die Medien: Überlegungen zum neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit

von Hans-Henrik Dassow (Universität Bremen) Wenn von Personen der Öffentlichkeit akademische Arbeiten erneut hervorgeholt werden, ist dies für die Betroffenen häufig nicht sehr erfreulich: Zu treffsicher sind die Algorithmen von Plagiat-Software darin, akademische Verfehlungen von Autor*innen aufzudecken. Der Philosoph der Öffentlichkeit, Jürgen Habermas (*1929), muss zunächst nicht um seine akademischen…