Legitime Sicherheitsinteressen Russlands? Eine Kritik an Klaus Dörre.

Von Konrad Ott (Kiel) I Klaus Dörre hat 2021 ein Buch zur „Utopie des Sozialismus“ publiziert. Dörres Konzeption von Sozialismus steht im Folgenden nicht zur Debatte. Zur Debatte stellen möchte ich aus aktuellem Anlass eine Passage, die sich im Kapitel „Übergänge: Nachhaltiger Sozialismus jetzt!“ auf S. 242 des Buches findet.…

Selbstbestimmung, Abhängigkeit und Solidarität in der Pandemie

Von Philip Schwarz (Göttingen) Wenn es um die Aufhebung der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie geht, ist viel von „Freiheit“ die Rede. Wir müssen uns aber fragen, unter welchen Bedingungen wir überhaupt frei und selbstbestimmt sind. Die Berücksichtigung unserer verkörperlichten Bedingtheit zeigt uns, dass Freiheit Solidarität voraussetzt.

Erwartungshaltungen. Feministische Perspektiven auf Supererogation

Von Katharina Naumann (Magdeburg), Marie-Luise Raters (Potsdam) und Karoline Reinhardt (Tübingen) Wozu bin ich moralisch verpflichtet und was kann nun wirklich keiner von mir verlangen? Ist es besonders lobenswert, wenn ich mehr leiste? Und bin ich immer zur Dankbarkeit verpflichtet, wenn mir jemand etwas Gutes tut, oder hat das seine…

Reduktion als Reiz: Zur Einfachheit in Videospielen

von Thomas Arnold (Heidelberg) Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden: Videospiele sind einfältig – und unter anderem deshalb so reizvoll; sie reduzieren Erfahrung und bieten gerade deshalb mehr Erlebnis. Dass viele Videospiele uns mit Mechanismen von Herausforderung, Belohnung und Flow bei der Stange halten (ähnlich wie…

Mensch-Natur-Verhältnis revisited. Eine Replik auf Giulia Valpione

Von Kira Meyer (Kiel) Giulia Valpione plädiert für die Wiederaufnahme romantischer Motive, um die Mensch-Natur-Beziehung neu zu konzeptualisieren. In ihrer Forderung nach einer notwendigen Überarbeitung dieses Verhältnisses möchte ich Valpione beipflichten, jedoch auf einen weiteren wichtigen Diskussionsstrang verweisen, der mir dafür unerlässlich erscheint: Die Berücksichtigung der Leiblichkeit des Menschen, wie…

Wir alle sind Teilnehmende des medialen Krieges

von Johannes Müller-Salo (Hannover) Dieser Blogbeitrag kann auch als Podcast gehört und heruntergeladen werden: Der Angriff Wladimir Putins auf die Ukraine zerstörte über Nacht Gewissheiten, die vermutlich die meisten Menschen in Europa und in der westlichen Welt für unerschütterlich gehalten hatten. Für die Philosophie des Krieges und der Gewalt stellen…

Wahlrecht nur für Wissende? – Epistokratie, Ungleichheit und der Begriff politischen Wissens

von Jonas Carstens (Düsseldorf) „Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, wie wenig die Wähler wissen.“ – Jason Brennan (2017, 54) In diesem Satz drückt der Autor des Buches Gegen Demokratie Jason Brennan seinen Unmut über den schlechten Informationsstand der Wähler*innen aus; Unmut, welchen viele Menschen angesichts grassierender Verschwörungstheorien über…

Nachdenken über den Frieden in Zeiten des Krieges

Von Philipp Gisbertz-Astolfi (Göttingen) Es tobt ein Krieg in Europa. Was vor Kurzem noch undenkbar schien, ist heute traurige und schockierende Realität. Die philosophische Ethik des Krieges bietet vieles, was sie uns Bereicherndes über diesen Krieg lehren kann. Am Ende bringt sie uns dorthin, woran ohnehin kein Zweifel bestehen darf…

Nicht werten? Demokratieerziehung in Zeiten des Krieges

von Johannes Drerup (Dortmund) In der Moscow Times[1] wurde im September letzten Jahres von einer eigentümlichen Begebenheit berichtet: Putin höchst selbst wollte die Schülerschaft in einer Schule in Vladivostok über ein militärgeschichtliches Ereignis aus dem 18 Jhdt. belehren und wurde von einem Schüler mit Bezug auf die Datierung korrigiert. Daraufhin…

Frau Baerbocks Auftritt vor der UN-Vollversammlung: Eine ikonographische Analyse

Von Veronika Surau-Ott (Greifswald) und Konrad Ott (Kiel) Nicht erst im Zeitalter digitaler Technologien wird Kriegspolitik medial inszeniert. Solche medialen Inszenierungen können beabsichtigt und geplant sein. Sie dienen dann der Desinformation, der Verunsicherung und der Entmutigung. Dies ist ordinäre Propaganda („phony war“). Sie können sich aber auch spontan und ungeplant…

Friedens- und Sicherheitslogik zusammen denken

von Michael Haspel (Erfurt) Im Bereich der politischen Philosophie der internationalen Beziehungen ist schon länger zu beobachten, dass angesichts der weltpolitischen Verschiebungen, die insbesondere mit dem Aufstieg Chinas verbunden sind, (neo-)realistische Ansätze, die vor allem wirtschaftliche und geostrategischen Interessen fokussieren, Konjunktur haben. Sogenannte „liberale“ Ansätze, die auf die Verrechtlichung und…

Die Feminist Killjoy und die Realität der Feministischen Philosophie

Von Lena Eckert und Steffi Hobuß (Lüneburg) Als Feminist Killjoy hat man es nicht leicht, denn die feministische Praxis des Spaßverderbens macht keinen Spaß. Das betrifft auch universitäre Strukturen: Dort ist feministische Philosophie zwar theoretisch einigermaßen anerkannt, darauf basierender feministischer Praxis wird jedoch häufig mit Genervtheit und Ablehnung begegnet. Was…

Krieg und Frieden

von Gottfried Schweiger (Salzburg) Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wird einhellig als historische Zäsur verstanden. Dieser Krieg erzeugt durch die geographische, kulturelle und politische Nähe eine Betroffenheit, die ungleich größer ist als bei Kriegen in der Distanz. Ja, auch bei vielen anderen Kriegen (zum Beispiel dem Irakkrieg 2003) gab…

Interspezies-Gerechtigkeit: „Nachhaltiges Fleisch“ als Oxymoron

Von Leonie Bossert (Tübingen) Wir leben in einer Zeit, in der wir immer mehr mit den Auswirkungen sozio-ökologischer Krisen – wie dem Klimawandel, dem Biodiversitätsverlust oder auch vergleichsweise akuten Krisen wie Pandemien – konfrontiert werden. Zur Entstehung der eben genannten Krisen trägt die Erzeugung von Nahrungsmitteln tierlicher Provenienz ein Stück…

Mensch und Natur in der Romantik – Eine romantische Ökologie

von Giulia Valpione (Padua) Die Romantik reflektiert über die Stellung des Menschen innerhalb der Natur aus wissenschaftlich-naturwissenschaftlicher, metaphysischer und politischer Perspektive. In einer Zeit wie der heutigen, in der die Folgen der ökologischen Krise nicht mehr zu leugnen sind – Anstieg des Meeresspiegels, Verschlechterung der Luftqualität, zunehmende Dürre in ehemals…

»Denken dichten. Philosophische Poetologien jüngerer und ältester Gegenwart« – Ein Vorwort

Von Florian Arnold (Stuttgart und Offenbach) Lyrik genießt derzeit freudigen Zuspruch. Eine rege Szene, insbesondere im deutschsprachigen Raum, ist in den letzten zehn-fünfzehn Jahren durch weithin beachtete Veröffentlichungen, gutbesuchte Lesungen, aber auch poetologische-programmatische Reflexionen einem größeren Publikum bekannt geworden. Darunter finden sich Bestseller von einem späteren Büchner-Preisträger (Jan Wagners Regentonnenvariationen…

Darf man Fleisch essen, wenn Tiere Rechte haben? Eine Antwort auf Konrad Ott

Von Marina Moreno und Adriano Mannino (München) Konrad Ott schließt seinen spannenden Beitrag “Warum ich kein Vegetarier bin” mit der folgenden Bemerkung und Frage: “Ich erwarte nicht, dass Tierrechtler*innen meiner Lebensart, Nicht-Vegetarier zu sein, zustimmen werden. Aber das brauchen sie auch nicht. Ich möchte niemandem den Vegetarismus streitig machen, wenn…

Erwiderung auf die Stellungnahme von Heiner Koch und Deborah Mühlebach zur Stellungnahme der GAP zu Kathleen Stock

Hinweis der Redaktion: Wir möchten an dieser Stelle nochmals betonen, dass wir dazu einladen, Repliken auf Blogbeiträge zu schreiben und uns zu schicken. Wir teilen durchaus nicht alle auf diesem Blog veröffentlichten Meinungen, Argumente und Thesen, veröffentlichen Texte jedoch nur dann nicht, wenn sie klar gegen wissenschaftliche Regeln der Philosophie…

Residuale ›Romantik‹ – im Vermissen des Fehlenden selbst

von Burkhard Liebsch (Bochum) Der »Verfall« der Romantik, so wie er von Hegel über R. Huch, R. Welleck, O. Pöggeler und K. H. Bohrer bis hin zu R. Safranski beschrieben worden ist, war ihr vielleicht von Anfang an vorgezeichnet und bereits nach wenigen Jahren besiegelt. Ungeachtet dessen (oder vielmehr gerade…

Stellungnahme zur Stellungnahme der GAP «Für eine freie und kritische Auseinandersetzung in den Wissenschaften»

von Heiner Koch und Deborah Mühlebach Die Stellungnahme der GAP zum Fall Kathleen Stock suggeriert, dass eine wissenschaftlich neutrale Auseinandersetzung mit politisch relevanten Fragen möglich ist. Weil wir anders als die GAP davon ausgehen, dass Wissenschaftsfreiheit nicht losgelöst von bestehenden Machtverhältnissen in- und außerhalb der Universität gedacht werden kann, halten…

Warum ich kein Vegetarier bin

Von Konrad Ott (Kiel) In den vergangenen Jahrzehnten wurden tierethische Forderungen gesteigert. Was zunächst im utilitaristischen Paradigma (Singer 1990) mit der berechtigten Forderung nach mehr Tierwohl und weitaus weniger Tierleid begann, wurde zur Forderung nach Tierrechten (Regan 1989), nach politischen Tierrechten (Donaldson & Kymlicka 2013) und zuletzt zur Forderung, auch…

„Das wüsste ich aber!“ Zur Ehrenrettung des argumentum ad ignorantiam

von Hans Rott (Regensburg) 1. Einleitung In einer virtuellen Pressekonferenz am 30. März 2020 sagte Michael J. Ryan, der Direktor des WHO-Programms für Gesundheitsnotfälle: „there is no specific evidence to suggest that the wearing of masks by the mass population has any particular benefit.“ Dass es keine Indizien dafür gebe,…

Absoluter Vorrang der Grundrechte? – Das Leitbild der „lexikalischen Ordnung“ der Gerechtigkeitsgrundsätze bei John Rawls

Von Björn Engelmann (Erlangen-Nürnberg) Der vorliegende Beitrag behandelt Rawls` Leitbild der „lexikalischen Ordnung“ im Hinblick auf die beiden von ihm entwickelten Gerechtigkeitsprinzipien, nämlich (1) das System gleicher Grundfreiheiten und Chancengleichheit sowie (2) das Differenzprinzip. Hierbei werde ich zunächst eine möglichst präzise Definition des besagten Begriffs der „lexikalischen Ordnung“ voranstellen und…

Ethische Ernährung – eine Chimäre

Von Gunther Hirschfelder (Regensburg) In Homers Ilias, die am Anfang der fiktionalen Dichtung Europas steht, finden sich die Menschen in der Gewalt eines unentrinnbaren Schicksals, bedroht von unheimlichen Göttern und Kräften. Eine dieser seltsamen Gestalten ist Chimaira, ein feuerspeiendes Mischwesen, das von vorne wie ein Löwe aussieht, in der Mitte…